HERZBLUT
30.01.2024 GesellschaftDer richtige Touch
Ich bin kein IT- oder sonst Technologie-Fanatiker. Weder trage ich Smartwatch und lasse Bewegung sowie Ernährung überwachen, noch nutze ich besonders viel künstliche Intelligenz, noch muss ich bei jeder Social-Media-Neuheit dabei sein. ...
Der richtige Touch
Ich bin kein IT- oder sonst Technologie-Fanatiker. Weder trage ich Smartwatch und lasse Bewegung sowie Ernährung überwachen, noch nutze ich besonders viel künstliche Intelligenz, noch muss ich bei jeder Social-Media-Neuheit dabei sein. Aber ich bin auch alles andere als ein Verweigerer. Sobald sich etwas durchgesetzt, seine Kinderkrankheiten überstanden und sich als tatsächliche Bereicherung bewährt hat, bin ich gerne an Bord. Ich bin ja noch «jung» und anpassungsfähig.
So war es auch beim Touchscreen. Zwar denke ich mit durchaus positiver Verklärung an die unschuldigen Zeiten zurück, als wir «Jungen» Anfang Jahrtausend eine Fähigkeit besassen, die uns von den Älteren und auch von der Generation nach uns abhob: Wir waren fähig, im Hosensack eine SMS zu schreiben, ohne das Handy anzuschauen. Das merkten weder Lehrer noch Mutter noch wer auch immer sich daran hätte stören können. «777725554440- 9444046664487777» und schon war «sali wi gohts» im Kasten – und schöne handliche «Kästen» waren die ersten drei Handys ja noch, die ich allesamt Occasion abstauben konnte.
Die Klapphandy-Phase habe ich übersprungen und das erste Touch-Gerät von der finnischen Marke, die den Schritt über das Hosensack-Tipp-Handy hinaus eben nie geschafft hat, war nicht der beste Kauf. Aber bei den innovativeren Herstellern liess sich dann nicht mehr bestreiten, dass diese neue Bedienungsart ein Gewinn ist. Und auch die Tilgung der einen grossen, runden Taste schafften die guten Handy-Produzenten im Endeffekt problemlos. Dabei war es für mich davor undenkbar, wie das vernünftig klappen sollte, ohne die Funktionen des «Home-Buttons» zu verlieren. Vor allem, wenn der Bildschirm einmal streikte. Aber siehe da: Wischen von oben, unten, von der Seite, mit mehr oder weniger Fingern – das «Geswipe» hat alle Sorgen vergessen gemacht. Nur Touch und keine Knöpfe? Kein Problem.
Aber eben nur dort, wo die Technologie ausgereift ist und sich durchgesetzt hat. Und das endet offenbar beim Backofen. Wir haben unser Modell nicht ausgesucht – der Küchenbauer hat verbaut, was in Zeiten von Chip-Mangel noch im Lager rumstand. Es lässt sich tadellos einschalten, auch die Temperatur kann ich bestimmen. Doch irgendwann – meist dann, wenn der Wecker gestellt oder der Automat programmiert werden will, streikt das Teil. Und dann geht gar nichts mehr. Also ausser der Backofen, der einfach läuft und sich auch nicht ausschalten lässt. Das zweite Gerät daneben, das eigentlich dampfgaren und auch backen könnte, dient darum mehrheitlich nur als Küchenwecker für den «Erst-Backofen». Der Küchenbauer wusste eben schon, warum er immer wieder betonte, dass nur ein Gerät sicher nicht ausreiche.
Item. So stehe ich am «Weckerbackofen», tippe ein, wann ich den Auflauf aus dem «Erstbackofen» nehmen muss, denke an die SMS im Hosensack – und wünsche mir gute alte Knöpfe. Und ich fühle mich so richtig alt.
Sebastian Wirz, Sportredaktor «Volksstimme»