Gibt es überhaupt Zufälle?

Haben Sie schon einmal an einen Menschen gedacht, den Sie schon lange nicht mehr gesehen haben, und sind diesem zufälligerweise genau am gleichen Tag begegnet? Wie viele solcher Situationen müssten passieren, damit ich nicht mehr an Zufälle glaube? Zum Beispiel innerhalb von vier Tagen?

Anfang Oktober reiste ich mit einer Freundin in den Süden Frankreichs. Eine ganz spontane Aktion – viel mehr als das Flugticket und die Unterkunft hatten wir nicht gebucht. Spontanität stellte tatsächlich das Leitwort dieses Kurztrips dar. So beschlossen wir am zweiten Abend, uns Tattoos stechen zu lassen. Zwei kleine Mantarochen sollten es werden. Beim Studio wählten wir auf gut Glück das erste, das uns auf Google Maps angezeigt wurde. «Zufälligerweise» befand sich dieses nur eine Strasse von unserem Hostel entfernt, was wir aber erst später bemerkten. Am Standort angekommen, blickten wir etwas ratlos auf die nahezu 20 Klingeln, die am entsprechenden Haus zur Verfügung standen. Ein Tattoostudio war nicht darunter.

Da kam ein Mann auf uns zu und fragte, was wir denn suchten. Es stellte sich heraus, dass er der Tätowierer des von uns ausgesuchten Studios war. «Zufälligerweise» sei er gerade auf dem Nachhauseweg gewesen, doch habe er zuvor noch eine Zigarette rauchen wollen. Zwei Minuten später, und wir hätten ihn verpasst. Die Mantarochen stach er uns spontan trotzdem, obwohl er eigentlich schon Feierabend hatte.

Am darauffolgenden Tag entschieden wir uns, einen Aussichtspunkt zu besuchen. Vom Strand aus hatte es zwar nach einer dreistündigen Wanderung ausgesehen, nichtsdestotrotz machten wir uns mit Sandalen als äusserst sicherem Schuhwerk an den langen Aufstieg. So dachten wir zumindest: Doch das Navi führte uns direkt in die Altstadt und über eine lange Treppe hinauf durch die schönsten Wohnquartiere. Später fanden wir heraus, dass wir «zufälligerweise» einen versteckten Pfad erklommen hatten und nicht den offiziellen auf der anderen Seite des Hügels. Der Aufstieg dauerte übrigens auch keine drei Stunden, sondern lediglich 15 Minuten …

Auf dem Aussichtspunkt angekommen, erblickten wir einen riesigen Wasserfall. Viele Touristinnen und Touristen waren vor Ort und bewunderten mit uns dieses schöne Naturspektakel. In der grossen Menschenmenge fiel mir ein junger Mann besonders auf. Egal, wie oft ich mich von ihm abwandte, fanden meine Augen wie von selbst wieder zu ihm zurück. Als er sich etwas von der Menge löste, erkannte ich, dass er grelle, pinke Badehosen trug. Raten Sie mal, was diese als Musterung trugen? Richtig: Mantarochen!

Ein Kurztrip von nur vier Tagen, in denen sich bestimmt 20 solcher Ereignisse zugetragen haben: Abergläubisch bin ich ja nicht, aber dass es sich hier wirklich nur um reine Zufälle gehandelt hat, kann ich kaum glauben.

Melanie Frei, Redaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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