Ein grosser Schritt für eine kleine Bahn
27.10.2023 BaselbietVor 70 Jahren wurde das «Waldenburgerli» elektrifiziert
Mehr als 50 Jahre lang kämpfte man für die Elektrifizierung der Schmalspurbahn von Liestal nach Waldenburg. Während 73 Jahren wurde der Bahnbetrieb mit Dampfloks aufrechterhalten. Ab dem 25. Oktober 1953, also ...
Vor 70 Jahren wurde das «Waldenburgerli» elektrifiziert
Mehr als 50 Jahre lang kämpfte man für die Elektrifizierung der Schmalspurbahn von Liestal nach Waldenburg. Während 73 Jahren wurde der Bahnbetrieb mit Dampfloks aufrechterhalten. Ab dem 25. Oktober 1953, also vor 70 Jahren, fuhr die Bahn dann elektrisch.
Heinz Spinnler
In den Geschäftsberichten der Waldenburgerbahn ist ab dem Jahr 1926 die Frage der Elektrifizierung der Bahn alljährlich ein Thema. Auch die Umstellung auf mit Rohöl betriebene Loks oder der Betrieb auf der Strasse mit Trolley- oder Autobussen wurde diskutiert. Aber es blieb immer nur bei Vorschlägen. Der Fuhrpark der Waldenburgerbahn wurde älter und älter. Wie soll es weitergehen?
Im Jahr 1937 wurde entschieden, statt die Bahn zu elektrifizieren, eine neue, starke Dampflokomotive bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur zu bestellen und den Wagenpark zu modernisieren. Im Jahr 1938 wurde die Dampflok Nr. 7 in Betrieb gestellt. In der Krisenzeit des Zweiten Weltkriegs folgte die Ernüchterung für die Weiterführung im Dampfbetrieb. Die Kohlenpreise stiegen und stiegen. Es wurde mit einem ausgedünnten Fahrplan darauf reagiert. Und wenn immer möglich wurde der Bahnbetrieb mit den drei kleinen, typengleichen Lokomotiven Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 bewerkstelligt. Die Lok Nr. 7 verbrauchte für den Betrieb erheblich mehr Kohle. So konnten während der Kriegsjahre immer noch schwarze Zahlen geschrieben werden. Dies änderte sich nach 1945.
Kohle für 15,34 Franken pro Zug
Im Jahr 1947 waren die Ausgaben erstmals in der Geschichte der Waldenburgerbahn höher als die Einnahmen. Dies wegen der enorm gestiegenen Kohlenpreise – sie waren viermal höher als vor dem Krieg! Die Elektrifizierung drängte sich auf, auch weil auf dem Markt keine Entschärfung der Lage zu erkennen war.
Im Jahr 1954, als man auf ein Jahr elektrischen Betrieb zurückblicken konnte, waren auch «Zweifler» der Betriebsumstellung überzeugt, konnte man doch einen Betriebsüberschuss von 100 000 Franken verbuchen. Folgende Zahlen sollen dies noch anschaulich belegen: Die Jahreskosten für den elektrischen Betrieb (nur der Strom) betrugen 1954 20 868 Franken oder für 12 167 gefahrene Kurse pro Zug 1.72 Franken. Im Jahr 1952, dem letzten mit ganzjährigem Dampfbetrieb, betrugen die Kohlenkosten 107 186 Franken für 6988 gefahrene Kurse, oder 15.34 Franken pro Zug. Hier nicht eingerechnet sind die für den Dampfbetrieb auch erheblich höheren Betriebs- und Personalkosten.
1953: Die Elektrifizierung
Endlich war es so weit, die Bahnanlagen wurden aus- und umgebaut für die elektrische Traktion. Man entschied, bei der Spurbreite von 75 Zentimetern zu bleiben. Wagen und Triebwagen wurden termingerecht geliefert. Bedingt durch die schlechte Witterung im Sommer 1953 musste die Eröffnung des elektrischen Betriebs um zwei Wochen verschoben werden. Am Sonntag, dem 25. Oktober 1953, fuhr der letzte Dampfzug, gezogen von der Lok Nr. 7, Richtung Waldenburg. Das Interesse an der Neuorientierung der Bahn war gross, auf allen Stationen warteten grosse Menschenmengen, zuerst auf den letzten Dampfzug – und dann auf den neuen, elektrisch betriebenen Eröffnungszug. Am Montag dann wurde der elektrische Bahnbetrieb fahrplanmässig aufgenommen.
Was bleibt, ist Geschichte
Was geschah mit den alten Dampfloks? Dampflok Nr. 4, «Langenbruck», wurde zur Verschrottung verkauft, die Nr. 6, «Waldenburg», gelangte ins Verkehrshaus nach Luzern, die Nr. 5, «G. Thommen», wurde zuerst in Waldenburg und dann bis 1975 im Bahnhof Liestal aufgestellt. Lok Nr. 7 konnte nicht verkauft werden und wurde im Dezember 1960 verschrottet.
Von 1970 bis 1980 verkehrten regelmässig historische Dampfzüge mit einer Dampflok der «Eurovapor» auf der Strecke. Zum 100-Jahre-Jubiläum der Waldenburgerbahn fuhr dann die wieder betriebsfähig gemachte Lok Nr. 5 auf dem Bahntrassee, dies einige Jahre regelmässig nach besonderem Fahrplan während der Sommermonate.
Nun also fährt man seit Dezember vergangenen Jahres mit der modernisierten Waldenburgerbahn auf breiteren Schienen – zwar immer noch Schmalspur, aber vereinheitlicht mit dem ganzen Betriebsnetz von BLT und BVB. Die alte Dampflok Nr. 5, «G. Thommen», steht mit ein paar Wagen in der Remise beim «Talhaus». Ob sie je wieder einmal dampfen wird?
Über die Elekrifizierung der alten Hauensteinlinie vor 70 Jahren haben wir in der «Volksstimme» vom 3. Oktober 2023 ausführlich berichtet.
Quellen: Geschäftsberichte der Waldenburgerbahn; «Waldenburgerbahn: Die Schmalspurbahn im Baselbieter Jura», Friedrich Gysin, Verlag Dietschi 2000.
Ab November 2023 wird es im «Industriemuseum Waldenburgertal» in Niederdorf eine Bilderausstellung zur Waldenburgerbahn geben.