AUSGEFRAGT | CHRISTINE STÖCKLI, LEITERIN «BEGLEITETE BESUCHSTAGE BASELLAND»
27.10.2023 Gesellschaft«Das Angebot ist wichtig, da es ein Kinderrecht ist»
Der Verein «Begleitete Besuchstage Baselland» bietet im Bereich Kindes- und Erwachsenenschutz auf dem Robi-Spielplatz in Birsfelden begleitete Besuchskontakte an. Dabei sollen Kinder getrennt lebender ...
«Das Angebot ist wichtig, da es ein Kinderrecht ist»
Der Verein «Begleitete Besuchstage Baselland» bietet im Bereich Kindes- und Erwachsenenschutz auf dem Robi-Spielplatz in Birsfelden begleitete Besuchskontakte an. Dabei sollen Kinder getrennt lebender Eltern einen gesunden Kontakt sowohl zur Mutter als auch zum Vater haben.
Sander van Riemsdijk
Frau Stöckli, was sind die «Begleiteten Besuchstage» und für wen ist das Angebot gedacht?
Christine Stöckli: Die «Begleiteten Besuchstage Baselland» schreitet dann zur Tat, wenn das Besuchsrecht der Eltern und der Kinder nicht umgesetzt werden kann. Das Angebot ist beispielsweise bei ungelösten Paarkonflikten in Trennungssituationen von der Kesb verfügt. Via Beistandschaft wird dieses dann umgesetzt, begleitet und dem Kindswohl entsprechend evaluiert und angepasst. Damit verbunden sind häufig auch Ängste vor Entführung oder die psychische Instabilität eines Elternteils. Es können auch Suchtthemen oder Befürchtungen von gewaltvollen Ausschreitungen präsent sein, weshalb begleitete Besuchstage verordnet werden.
Wie muss man sich den Ablauf eines solchen begleiteten Besuchs vorstellen?
Es wird in zwei Gruppen eingeteilt: Eine am Morgen von 10 bis 14 Uhr, und eine am Nachmittag von 14 bis 18 Uhr. Der eine Elternteil bringt das Kind oder die Kinder zum Robi-Spielplatz in Birsfelden und verlässt ihn anschliessend wieder – wenn der besuchsberechtigte Elternteil ankommt, müssen sich die Erwachsenen nicht begegnen. Wenn sich die zwischenmenschliche Situation wieder entspannt, sind selbstverständlich Begegnungen möglich und auch sehr wünschenswert. Derselbe Ablauf wird am Nachmittag wiederholt. Zusätzlich bieten wir ein von uns gekochtes Mittagessen und ein Zvieri an. Viel Eigenverantwortung liegt bei den Eltern. Wir sehen uns nicht als Animationsteam. Gerne bieten wir jedoch unsere Unterstützung an und zeigen den Eltern, wie sie Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Ist es Zeit für die Verabschiedung, begleiten wir die Kinder stets zum Tor, um bei möglichen Auseinandersetzungen eingreifen zu können.
Warum braucht es dieses Angebot?
Es ist deshalb wichtig, weil es ein Kinderrecht ist, nach einer Trennung mit beiden Eltern weiterhin in Kontakt zu stehen. Dies ist nicht bei allen Eltern möglich und es muss eine Beistandschaft her, die sich für die Kinder engagiert. Sie legt die Besuchszeitenregelung fest. Diese wird bestmöglichst regelmässig evaluiert und angepasst, bis die Eltern die Situation wieder eigenständig handhaben können.
Wer bestimmt, wie häufig diese Besuche unter Begleitung stattfinden müssen?
Dies ist in den jeweiligen Verfügungen der Kesb festgelegt. Normalerweise finden die Besuche alle zwei Wochen statt. Wir haben den Treffpunkt monatlich zwei Mal geöffnet. Sollte die Besuchsfrequenz häufiger als alle zwei Wochen sein, werden seitens der Beistände weitere Fachpersonen einbezogen, zum Beispiel die sozialpädagogische Familienbegleitung.
In den meisten Fällen finden die begleiteten Besuche mit den Vätern statt. Warum ist dies so?
Ich denke, in vielen Fällen arbeiten heute Männer immer noch prozentual mehr als Frauen und möchten in ihren beruflichen Tätigkeiten bleiben. Wahrscheinlich ist die Aussicht, dass beide Elternteile zu genau gleichen Anteilen Kinderbetreuung und Arbeit auf sich nehmen, nicht einfach umzusetzen. Dass Kinder noch immer eher mit der mütterlichen Betreuung in Verbindung gebracht werden, halte ich nicht für richtig. 2013 hat das Erwachsenenschutzgesetz festgelegt, dass beide Elternteile gleichwertig auf das Sorgerecht Anspruch haben.
Mit welchen Schwierigkeiten haben Sie bei der Besuchsbegleitung am meisten zu kämpfen?
Es sind fordernde Aufgaben und es braucht feinfühlige Kompetenzen und die erfahrene Hand von Sozialarbeitenden, Sozialpädagoginnen und -pädagogen. Man sollte wenn möglich immer eine neutrale Position einnehmen. Wenn beispielsweise latente und akute Entführungsgefahr besteht, oder Gewalt vor Ort ausgeübt würde, sind das Situationen, die zum Schutz aller Beteiligten ein engmaschigeres Setting erfordern. Hier Lösungen zu finden ist Auftrag der entsprechenden Beistände und gehört nicht mehr in unser Handlungsrepertoire.
Was erhoffen sie sich von den «Begleiteten Besuchstagen»?
Es ist genug Zeit, um sich auszutauschen und miteinander zu interagieren. Schön wäre es natürlich, zu sehen, dass sich die Situationen verändert und die Kinder und Heranwachsenden regelmässig ihre beide Elternteile sehen können – und zwar in einem gesunden und ruhigen Umgang. So sieht es ja auch das Gesetz vor.
Wann kann der Besuch eines Kindes wieder ohne Begleitung stattfinden und wer entscheidet darüber?
Diese Befugnis liegt bei den entsprechenden Beiständen.
Zur Person
svr. Christine Stöckli ist 46 Jahre alt, lebt in Konkubinat und ist Mutter eines 12-jährigen Sohnes. Aufgewachsen ist sie sowohl in Frenkendorf als auch in Münchenstein. Momentan ist sie wohnhaft in Basel-Stadt, wo sie auch ihre Ausbildung zur Sozialarbeiterin absolviert und abgeschlossen hat. Sie unterrichtet mit einem Pensum von 30 Prozent Berufskunde an der Berufsfachschule Basel-Stadt.