Es kommt wohl zur Volks abstimmung
29.09.2023 Baselbiet, Energie/Umwelt, PolitikSVP wird Energiegesetz im Landrat ablehnen
Über das neue Energiegesetz, das unter anderem ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen sowie eine Photovoltaikpflicht für Neubauten vorsieht, entscheidet vermutlich das Stimmvolk. Die SVP kündigte im Landrat an, gegen die Vorlage stimmen und ...
SVP wird Energiegesetz im Landrat ablehnen
Über das neue Energiegesetz, das unter anderem ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen sowie eine Photovoltaikpflicht für Neubauten vorsieht, entscheidet vermutlich das Stimmvolk. Die SVP kündigte im Landrat an, gegen die Vorlage stimmen und damit eine Volksabstimmung auslösen zu wollen.
Janis Erne
Gestern diskutierte der Landrat über das neue Energiegesetz und das dazugehörige Dekret. Dabei handelt es sich um eine der wichtigsten Vorlagen, die das Parlament derzeit beschäftigen. Nicht nur sollen die Massnahmen dabei helfen, dass das Baselbiet bis 2050 klimaneutral wird. Auch haben sie wesentliche Auswirkungen auf grosse Teile der Gesellschaft: auf Hauseigentümer, Gemeinden, Kanton, Unternehmen und Stromversorger.
Entsprechend kontrovers und emotional sind die Verhandlungen zwischen den Parteien geführt worden. Im April schickte eine bürgerliche Mehrheit im Landrat eine erste Gesetzesversion an die zuständige Kommission zurück. Dort wurden die Beratungen erschwert, weil das Parlament im Juli eine neue Zusammensetzung bekommen hat. Schliesslich reichte die SVP in der Umweltschutzund Energiekommission (UEK) auch noch einen (erfolglosen) Sistierungsantrag ein, mit dem sie Bundesvorgaben abwarten wollte (die «Volksstimme» berichtete).
Die SVP war es auch, die sich gestern dezidiert gegen das neue Energiegesetz, welches dasjenige aus dem Jahr 2016 ersetzen soll, ausgesprochen hat. Ihr Sprecher Andi Trüssel kündigte an, dass die Fraktion in der zweiten Lesung gegen die Vorlage stimmen werde. Somit würde das Vierfünftelsmehr verpasst und eine Volksabstimmung automatisch ausgelöst. Auch SVP-Fraktionschef Peter Riebli sagte: «Wir wollen vors Volk gehen.» Einzelne Mitglieder von FDP und «Mitte» werden ihn dabei unterstützen, wie gestern deutlich wurde. Der Grossteil des Landrats – von Grüne, SP, EVP, GLP, «Mitte» bis zur FDP – spricht allerdings von einem «guten Kompromiss», der nun vorliegt.
Doch wie sieht dieser aus? Hier die wichtigsten Neuerungen, über die das Baselbiet dereinst abstimmen könnte.
Gemeinden berücksichtigt
• Mit dem neuen Energiegesetz bekennt sich das Baselbiet zum «Netto-Null»-Ziel bis zum Jahr 2050. Um dieses zu erreichen, soll der Anteil an erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch (ohne Verkehr) bis 2030 bei 70 Prozent liegen. Die grösste Handhabe hat der Kanton beim Gebäudesektor. Bestehende Bauten sollen künftig nur noch einen Heizwärmebedarf von 40 Kilowattstunden pro Quadratmeter Energiebezugsfläche aufweisen. Das ist ein Zielwert – eine Pflicht für Eigentümer, ihre Liegenschaft besser zu isolieren, ergibt sich daraus nicht.
• Andere Bestimmungen sind bindend. So etwa, dass auf beheizten Neubauten, zum Beispiel Wohnhäusern, Solaranlagen montiert werden müssen. Dasselbe gilt für unbeheizte Neubauten, deren Fläche grösser als 300 Quadratmeter ist.
• Umstritten ist das Verbot von neuen fossilen Heizungen. Hier ist vorgesehen, dass bei Neubauten keine Ölund Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Zudem müssen ab 2026 bestehende fossile Heizungen durch erneuerbare Systeme ersetzt werden, wenn der Kessel kaputtgeht. Gleich verhält es sich bei einem defekten Brenner, wenn die Heizung älter als 15 Jahre ist.
• Weggefallen ist die Vorgabe, dass in neuen Mehrfamilienhäusern eine Ladeinfrastruktur für E-Autos installiert werden muss.
• Ursprünglich war zudem vorgesehen, dass alle Gemeinden innert fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Energieplanung erstellen müssen. Davon ist die Politik allerdings abgewichen, da kleineren Gemeinden hierfür die Kapazitäten fehlen. Neu sind nur noch diejenigen Gemeinden betroffen, die über ein Gasnetz verfügen. Im Oberbaselbiet sind das nur Lausen und Liestal. Für alle anderen Gemeinden ist die Erstellung einer Energieplanung freiwillig.
• Weiter können Gemeinden Betreibern von Wärmeverbünden künftig Konzessionen erteilen. Mit solchen Verträgen erhält ein Betreiber eine Monopolstellung. Gestrichen wurde hingegen die Möglichkeit, dass Gemeinden Hauseigentümern vorschreiben können, sich an einen Wärmeverbund anzuschliessen.
• Unternehmen und andere Besitzer von «Nichtwohnbauten» müssen periodisch den Betrieb der Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Kälte-, Sanitär- und Elektroanlage sowie der Gebäudeautomation verbessern. Davon betroffen sind aber nur mittelgrosse Unternehmen mit einem jährlichen Elektrizitätsverbrauch zwischen 0,2 und 0,5 Gigawattstunden. Begründet wurde dies damit, dass grosse Unternehmen solche Betriebsoptimierungen bereits freiwillig machen würden. Kleinere Unternehmen seien davon ausgenommen, weil sie finanziell zu stark belastet würden.
• Mittels Leistungsauftrag kann der Regierungsrat Netzbetreiberinnen wie der Elektra Baselland künftig vorschreiben, dass sie Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Strom und zur Stromspeicherung bauen müssen.
• Aufgenommen worden ist zudem ein Anliegen von GLP-Landrat Manuel Ballmer, das er mittels eines Vorstosses vorgebracht hatte (die «Volksstimme» berichtete): Der untiefe Untergrund (bis zu 400 Meter unter dem Boden) darf künftig auch für die Speicherung von Wärme genutzt werden.
Emotionale Voten
Kopf des neuen Energiegesetzes ist Bau- und Umweltschutzdirektor Isaac Reber (Grüne). Er betonte gestern, dass es sich dabei um eine «pragmatische» Lösung handle. Tatsächlich entsprechen die geplanten Regelungen wie ein Verbot neuer fossiler Heizungen und eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten den Vorgaben der Energiedirektorenkonferenz, die kürzlich ihre «Mustervorschriften» dahingehend angepasst hat. Das Baselbiet fällt im Kantonsvergleich also nicht aus den Reihen.
Im Landrat entbrannte gestern die erste «Abstimmungsdiskussion». Linke und Bürgerliche in den Personen von Jan Kirchmayr (SP) und Andi Trüssel (SVP) warfen sich gegenseitig vor, «mit Vollgas in eine Wand zu fahren». Während Erstere auf fossile Energie verzichten wollen, um das Klima zu schützen und die Abhängigkeit von autokratisch regierten Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien zu verringern, sehen Letztere die Versorgungssicherheit gefährdet.
Peter Riebli von der SVP sagte: «Das Energiegesetz beschleunigt die drohende Strommangellage und damit den Preisanstieg.» Ein von seiner Partei vorgeschlagener Zweckartikel, der die Massnahmen des Energiegesetzes aussetzt, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist, lehnte die Kommission übrigens ab. Ob es zur Volksabstimmung über das neue Energiegesetz kommen wird, zeigt sich an der Landratssitzung vom 19. Oktober.