Kulturverein Kirschgarten führt in der Kirche «Figaros Hochzeit» auf
Das erste «Classic Festival» in Waldenburg startet mit einer Doppelaufführung von «Figaros Hochzeit» von erstaunlicher künstlerischer Qualität. Doch das Publikum fehlte bei der Premiere der Mozart-Oper und lässt ...
Kulturverein Kirschgarten führt in der Kirche «Figaros Hochzeit» auf
Das erste «Classic Festival» in Waldenburg startet mit einer Doppelaufführung von «Figaros Hochzeit» von erstaunlicher künstlerischer Qualität. Doch das Publikum fehlte bei der Premiere der Mozart-Oper und lässt enttäuschte Veranstalter zurück.
Jürg Gohl
«Kirschgarten» nennt sich der Klub, den das Ehepaar Anna und Beat Herbst geschaffen haben, um in Waldenburg kulturelle Perlen zu bieten. Das Debüt am Mittwoch gelang ihnen aus künstlerischer Sicht hervorragend. Doch der Blick in die Kasse und in die Bankreihen der Dorfkirche sorgt für Ernüchterung. Nur rund 50 Gäste wohnten der Startveranstaltung bei, obschon eine der besten und unterhaltendsten Opern lockte: Mozarts «Figaros Hochzeit».
Die zehn stimmgewaltigen Sängerinnen und Sänger, ein ebenso grosses Orchester und der Chor boten drei Stunden lang hochklassige Kunst. Das erstaunt nicht, wenn man im Programmheft ihr Palmarès und ihre Ausbildung liest. Die meisten von ihnen stammen aus ukrainischen Städten, die uns aus den täglichen Nachrichten vertraut sind. Bariton Mykyta Butsev, der den Figaro gab, stammt aus Charkiw. Nazar Yakobenchuk, der Dirigent des Mini-Orchesters, kommt aus Kiew. Tetiana Anisimova, die Marcellina, wurde in Odessa ausgebildet.
Und von dort stammt auch Anna Herbst, die den Anlass organisierte, schon an verschiedenen Häusern sang und als Gräfin Almaviva eine Hauptrolle verkörperte. Zum ganzen Ensemble zählen auch zahlreiche Kriegsflüchtlinge.
Heimlicher Star in Mozarts Oper, einer kleinen Klamotten-Komödie mit viel Verwechslungen und Liebeleien sowie eingängigen Arien, ist aber Figaros listige Braut Susanna. Das war in Waldenburg nicht anders: Die international mehrfach ausgezeichnete Sopranistin Anna Galushenko, eine Usbekin, hatte die längste Bühnenpräsenz. Von Professionalität zeugt aber nicht nur die gesangliche Qualität der Hauptdarsteller, sondern auch die Tatsache, dass das dreistündige Werk ohne offensichtlichen Hänger über die Bühne ging und dass sich die Künstler nie anmerken liessen, wie stark sie der Blick in die Bankreihen beelenden dürfte.
Zweites Festival fraglich
Kaum mehr als 50 Augen- und Ohrenpaare waren auf sie gerichtet. Die Vorverkaufszahlen versprachen auch keine Besserungen für die Wiederholung des «Figaros» gestern Abend. Beat Herbst, der als Mozart verkleidet jeweils die Handlung der in Italienisch gesungenen Oper erläuterte, hielt mit seiner Enttäuschung nicht zurück. «Wir haben sicher genügend Werbung betrieben», sagt er. Er schliesst nicht aus, dass er und seine Frau ihre Bemühungen, Kultur nach Waldenburg zu bringen, einstellen und das erste «Classic Festival»in Waldenburg zugleich das letzte sein könnte.
Doch alle, die den Figaro vorgestern oder gestern verpasst haben, erhalten heute und morgen eine zweite Chance, die Bemühungen der Familie Herbst, Waldenburg vermehrt Kultur einzuimpfen, zu unterstützen: heute Abend beim Konzertabend «Chansons d’amour» mit «leidenschaftlichen klassischen Liedern», wie es in der Ankündigung heisst; oder morgen beim Konzert «Bossa Nova».