«Man muss keine ‹Rossbölle› aufsammeln»
25.08.2023 Bezirk Waldenburg, SportHobby Horsing | Alessia Jenni nimmt mit ihrem Steckenpferd an Turnieren teil
Was auf den ersten Blick kurios aussieht, ist für Alessia Jenni tägliches Training. Die 14-jährige Bennwilerin stellt im Garten Hindernisse auf und überquert diese auf einem Steckenpferd. ...
Hobby Horsing | Alessia Jenni nimmt mit ihrem Steckenpferd an Turnieren teil
Was auf den ersten Blick kurios aussieht, ist für Alessia Jenni tägliches Training. Die 14-jährige Bennwilerin stellt im Garten Hindernisse auf und überquert diese auf einem Steckenpferd. «Beim Reiten von richtigen Pferden kann ich vom Hobby Horsing profitieren», sagt sie.
Luana Güntert
Alessia Jennis Herz schlägt für Pferde. Das Leben der heute 14-jährigen Bennwilerin drehte sich fast nur um den Sport im Sattel der Tiere und die dazugehörige Pflege. Seit ihrem fünften Lebensjahr nimmt sie Reitstunden. Bis die Corona-Pandemie und die damaligen Einschränkungen ihr Hobby verunmöglichten.
Auf ihre Leidenschaft verzichten wollte Alessia wegen des Lockdowns nicht und sie begann, Alternativen zu suchen. So entdeckte sie Hobby Horsing für sich. Hobby Horsing ist eine Sportart mit Gymnastikelementen, bei der Bewegungsabläufe ähnlich denen beim Reiten in Parcours nachgestellt werden, ohne dass echte Pferde zum Einsatz kommen. Stattdessen benutzen die Teilnehmenden Steckenpferde (siehe Kasten). In Alessias Disziplin Springreiten, der Königsdisziplin, geht es darum, mit dem Steckenpferd einen Parcours zu absolvieren und dabei aus eigener Kraft über verschiedene Hindernisse zu springen – also wie beim klassischen Springreiten, einfach ohne richtiges Pferd.
Hannoveraner-Mix Greymoon
Was für Aussenstehende irritierend aussieht, hat Alessia gepackt, und sie trainiert im elterlichen Garten in Bennwil, wo sie zusammen mit ihrer 11-jährigen Schwester Hindernisse aufbaut. «Ich nehme meine Trainings ernst und will besser werden», sagt sie.
«Schon als kleines Kind spielte ich gerne mit Steckenpferden», sagt Alessia. Doch richtige Trainings absolviert sie erst seit der Pandemie. Ihr Interesse an der Sportart Hobby Horsing wurde nach der Aufhebung der Massnahmen nicht kleiner – im Gegenteil. Immer mehr «Pferde» fanden den Weg in den «Stall» der Schülerin und nach dem ersten Lockdown nahm sie erstmals an einem Turnier teil. Leider mit wenig Erfolg, da sie den Parcours «wie in echt» mit Reitstiefeln, Helm und Reithosen absolvierte und dadurch viel langsamer war als ihre Konkurrenz, die in Sportkleidung angetreten sei. «Seither starte ich auch in Sportkleidung», sagt sie und lacht.
Wie viele andere Hobby-Horserinnen gibt auch Alessia ihren Steckenpferden Namen und ordnet sie einer Rasse zu. Ihr «Turnierpferd» ist der 8-jährige Hannoveraner-Mix Greymoon, den sie wie ein echtes Pferd pflegt und sauberhält. Seit ihre Schwester Patricia selbst nicht mehr an Turnieren startet, unterstützt sie ihre Schwester, indem sie Greymoon schöne Frisuren flechtet. «Sie ist sozusagen meine Assistentin», sagt Alessia. Für die Bennwilerin ist es auch wichtig, eine Bindung zu Greymoon und ihren anderen Schützlingen, denen sie allen besondere Charaktermerkmale zugeschrieben hat, aufzubauen.
Von Fehlern profitieren
Trotz ihres neuen Hobbys spielen echte Pferde weiterhin eine grosse Rolle im Leben von Alessia. Einmal in der Woche geht sie in Ziefen auf dem Hof Kleckenberg in die Reitstunde. «Durch das Hobby Horsing konnte ich meine Ausdauer verbessern. Das hilft mir auch beim Reiten auf dem richtigen Pferd», sagt Alessia. Sie merke zudem, dass sie auf dem Hobby Horse ähnliche Fehler wie auf dem richtigen Pferd mache, zum Beispiel beim Handwechsel beim Halten des Zaumzeugs. «So kann ich viel für die Reitstunde lernen, da ich halt nicht jeden Tag richtige Pferde reiten kann», sagt sie.
Auch bei ihrem anderen Hobby, Volleyball, kann sie durch das Hobby Horsing profitieren. «Volleyball ist in meiner Liga weniger anstrengend als Reiten. Wenn ich dann aber einmal rennen muss, bin ich dank meinem Springtraining schnell», erklärt sie.
Traum von Finnland
In den Sommerferien war Alessia eine Woche im Reitlager und konnte dort andere Mädchen in die neue Sportart einführen. «Es ist ein Traum von mir, andere in Hobby Horsing unterrichten zu können», sagt sie. Die Sportart hat für Alessia viele Vorteile gegenüber dem konventionellen Reiten. «Man muss keine ‹Rossbölle› aufsammeln, und wenn man einmal keine Zeit hat, verhungert kein Tier», sagt sie und lacht.
Alessia musste für ihr Hobby jedoch schon viel Kritik einstecken: «Viele sagen, dass Hobby Horsing kein Sport ist. Ich akzeptiere diese Meinung, jedoch sollten diese Menschen Hobby Horsing zuerst ausprobieren, bevor sie so etwas behaupten», sagt sie.
Ihre bisher beste Platzierung an einem Turnier ist der 13. Rang. «Wenn es darauf ankommt, bin ich immer so nervös und kann nicht zeigen, was ich kann», sagt sie. Bald will sie auch auf echten Pferden an Springturnieren starten, nachdem sie das Springen schon oft in der Reitstunde trainiert hat. «Dafür muss ich aber zuerst die Brevet-Prüfung ablegen», sagt Alessia. Sie hegt einen weiteren Wunsch, den sie sich erfüllen möchte: «Ich würde gerne einmal in Finnland, dem Ursprungsland des Hobby Horsings, an einem Turnier teilnehmen.» Dort dürfen aber – anders als in der Schweiz – nicht alle Hobby-Horsing-Begeisterten einfach so starten, da die Sportart sehr beliebt und eine Qualifikation nötig ist. «Dafür muss ich noch hart trainieren», sagt sie und galoppiert mit Greymoon davon.
Hobby Horsing – eine nordische Sportart
lug. Hobby Horsing hat seinen Ursprung in Finnland und gewinnt vor allem in Skandinavien, aber auch in anderen europäischen Ländern an Popularität. Besonders beliebt ist die Sportart bei Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 18 Jahren.
Hobby Horses werden entweder gekauft oder selber gebastelt. Sie sind sehr günstig für ein paar Franken zu haben, inklusive Accessoires wie Zaumzeug. Qualitativ hochwertige Exemplare können jedoch gut 200 bis 350 Franken kosten.
Neben dem Springreiten gibt es die Turnierdisziplinen Dressur- oder Westernreiten und Horse Agility. Zudem kann als Freizeitaktivität auch Bodenarbeit, also Handübungen, Pflege von «alten Pferden» oder die Ausbildung von «Jungpferden» ausgeübt oder in einer Gruppe eine Quadrille einstudiert werden, die an einem Geburtstag oder einem Fest vorgeführt wird.