Wie im Wilden Westen
25.08.2023 Bezirk Sissach, LäufelfingenUnternehmer setzt Belohnung für die Vermittlung von Fachkräften aus
Der Holzbau boomt. Um das wachsende Arbeitsvolumen bewältigen zu können, brauchen die Zimmereien mehr Fachkräfte. Um solche zu gewinnen, setzt ein Läufelfinger Holzbauunternehmer eine Vermittlerprämie von 500 Franken ...
Unternehmer setzt Belohnung für die Vermittlung von Fachkräften aus
Der Holzbau boomt. Um das wachsende Arbeitsvolumen bewältigen zu können, brauchen die Zimmereien mehr Fachkräfte. Um solche zu gewinnen, setzt ein Läufelfinger Holzbauunternehmer eine Vermittlerprämie von 500 Franken aus.
Christian Horisberger
Personalnot macht erfinderisch. In Rünenberg hat kürzlich eine Maschinenbaufirma per Ortsschild-Reklame nach einer Fachkraft gesucht (die «Volksstimme» berichtete). Jetzt setzt ein Holzbauer aus Läufelfingen noch eins obendrauf: Wer der Erne Holztechnik GmbH einen Zimmermann EFZ oder einen PVA-Monteur vermittelt, wird mit einer Prämie in der Höhe von 500 Franken belohnt.
Das «Kopfgeld» für die Vermittlung neuer Mitarbeitender hat Raphael Erne, der 30-jährige Geschäftsführer des Familienbetriebs, via Inserat ausgesetzt. Verbreitet hat er es auf seinen Social-Media-Kanälen: Facebook, Instagram und Whatsapp. Mit dem gewünschten Effekt, wie er sagt: Die bisherigen Inserate für die Stellen seien in anderthalb Jahren insgesamt 1500 Mal angeklickt worden. Das änderte sich mit dem Aussetzen der Belohnung. Mitte August habe er das «Kopfgeld»-Inserat aufgeschaltet, innert rund zehn Tagen sei es 7500 Mal betrachtet worden.
Der 30-jährige Erne ist mit Facebook und Co. gross geworden. Ein wesentlicher Teil seiner Firmenkommunikation läuft denn auch über die Sozialen Medien. Sucht er einen Mitarbeiter, schreibt er die Stelle nicht auf den einschlägigen Stellenportalen oder in Zeitungen aus, sondern auf «Insta», Facebook oder Whatsapp. Oder er produziert einen Film und lädt ihn auf einer spezifischen Video-Botschaft-Jobbörse hoch.
Guter Ruf, volle Auftragsbücher
Was hingegen das Handwerk an sich angeht, denkt Raphael Erne, der den Familienbetrieb seit 2020 in vierter Generation leitet, sehr traditionell: Sein Credo ist hochwertige Arbeit von ausgebildeten Zimmerleuten mit korrektem Auftreten. Das scheint sich herumgesprochen zu haben. Das Arbeitsvolumen hat stetig zugenommen, seit er den Betrieb übernahm. Damit wuchs auch Ernes Team: «Als ich eingetreten bin, waren wir zu dritt. Heute sind wir inklusive Lehrling und Administration zu acht.» Die Auftragsbücher sind voll. Deshalb sucht der Chef jetzt zwei – lieber gleich drei – weitere Mitarbeitende für Zimmereiarbeiten und für die Montage von Photovoltaikanlagen.
Boom verursacht Personalmangel
«Im Holzbau herrscht eine gute Auftragslage», sagt Philipp Gerber von Holzbau Schweiz Region Basel, sowie Mitinhaber und stellvertretender Geschäftsführer der Gelterkinder Hasler Holzbau AG. Der Holzbauboom sei einerseits der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Baumaterialien zu verdanken, sagt er. Andererseits werde mit Holz auch immer mehr in die Höhe gebaut, was weitere grosse Auftragsvolumen generiere.
In der Branche herrsche zunehmend ein Mangel an qualifizierten Fachkräften – als Schattenseite dieser positiven Entwicklung. Gerber: «Wir haben keine sinkenden Lehrlingszahlen, sondern die Branche wächst stetig.» Die Betriebe der Branche seien nun gefordert, mehr Berufsnachswuchs auszubilden, um den höheren Bedarf an Fachkräften zu decken.
Beispiel könnte Schule machen
Von Ernes «Kopfgeld»-Inserat hat Philipp Gerber bereits Kenntnis, als er von der «Volksstimme» damit konfrontiert wird. Die Aktion sei originell, sie falle zweifellos auf und man spreche darüber, sagt er. Doch habe er dabei gemischte Gefühle: Sollte das Beispiel Schule machen, könne das eine Kettenreaktion auslösen und am Ende würden Prämien sogar üblich. «Dabei ist es heute schon schwer genug, neue Arbeitskräfte zu finden.»
Für Raphael Erne scheinen sich die Wild-West-Methoden auszubezahlen. Wenige Tage nachdem er das Kopfgeld aussetzte, hätten sich zwei Kandidaten gemeldet, die von Dritten auf die Inserate aufmerksam gemacht wurden. Ein Gespräch mit einem Bewerber für die PVA-Monteur-Stelle habe bereits stattgefunden, ein zweites stehe kurz bevor. Was im Wilden Westen geklappt hat, scheint also auch heute noch zu funktionieren …