SP will Angriff von GLP abwehren
24.08.2023 BaselbietDer zweite Nationalratssitz der SP wird von den Zentrumsparteien um eine erstarkte GLP ins Visier genommen. Mit einer prominenten Liste und dem Fokus auf Kaufkraft, Gleichstellung und Klima will die SP dagegenhalten.
Janis Erne
Das Ziel der Baselbieter SP bei den ...
Der zweite Nationalratssitz der SP wird von den Zentrumsparteien um eine erstarkte GLP ins Visier genommen. Mit einer prominenten Liste und dem Fokus auf Kaufkraft, Gleichstellung und Klima will die SP dagegenhalten.
Janis Erne
Das Ziel der Baselbieter SP bei den Nationalratswahlen ist klar: «Wir wollen unsere beiden Sitze verteidigen», wie Co-Vizepräsident Nils Jocher vorgestern an einer Medienkonferenz sagte. Das dürfte allerdings schwieriger werden als auch schon. Denn die Zentrumsparteien um «Mitte», EVP und eine erstarkte GLP, die eine Listenverbindung beschlossen haben, visieren ebenfalls zwei Mandate an. Ein Sitzgewinn der Zentrumsparteien, die aktuell nur mit Elisabeth Schneider-Schneiter («Mitte») in der Grossen Kammer vertreten sind, ginge wohl auf Kosten der Sozialdemokraten.
Um den Angriff abzuwehren, hat die SP erneut eine Listenverbindung mit den Grünen beschlossen. Damit soll dafür gesorgt werden, dass Eric Nussbaumer und Samira Marti im Amt bestätigt werden. Auch in persönlicher Hinsicht steht einiges auf dem Spiel, stehen die beiden doch vor einem Karrierehöhepunkt; Nussbaumer würde bei einer Wiederwahl Ende Jahr aller Voraussicht nach zum Nationalratspräsidenten, also zum «höchsten Schweizer» gewählt, Marti im September wohl zur Co-Fraktionspräsidentin. Eine Abwahl käme für beide also zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Nervös ob der Ausgangslage wirken die beiden aber nicht. Nussbaumer: «Den Wahlkampf trete ich nie mit Sorgen an, sondern mit einer sehr breiten Liste im Rücken.» Die SP habe einen guten Leistungsausweis, der die Wählenden überzeugen werde. Auch die Positionen der GLP, die sich etwa in der Energie- oder Europapolitik mit denjenigen der Sozialdemokraten decken, nimmt er gelassen: Konkurrenz gehöre dazu.
Drei Schwerpunkte
Die SP verspricht, sich insbesondere in drei Themengebieten einzusetzen. Sie will die Kaufkraft stärken, die Gleichstellung vorantreiben und die «Klimakrise» bekämpfen. Samira Marti: «Das Leben in der Schweiz wird immer teurer.» Das zeige sich bei den Kosten für die Krankenkasse und die Miete oder bei der Inflationsrate. Als ein Gegenmittel sieht sie die Abkehr von der «unsozialen», einheitlichen Pro-Kopf-Prämie bei der Krankenkasse. «Heute zahlt eine Rechtsprofessorin gleich viel wie eine Pflegefachfrau», bemängelt Marti. Das sei stossend, weil die Prämienverbilligungen, die für einen Ausgleich sorgen sollen, mit den steigenden Prämien nicht Schritt halten würden. Auch wolle die SP mehr gemeinnützigen Wohnraum schaffen und «anständige» Renten ermöglichen, so Marti weiter. Denn der Erhalt der Kaufkraft sei für die Menschen und für die Wirtschaft wichtig. «Sinkt die Kaufkraft, wird weniger konsumiert, was das Wirtschaftswachstum bremst und Jobs gefährdet.»
Plädoyers für mehr Gleichstellung von Mann und Frau lieferten Landrätin Sandra Strüby-Schaub und ihre ehemalige Ratskollegin Tania Cucè. Strüby-Schaub: «Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht es nur schleppend voran.» Die familienergänzende Kinderbetreuung müsse «massiv» ausgebaut werden. Dabei dürften faire Arbeitsbedingungen für Kita-Angestellte nicht auf der Strecke bleiben. Cucè will sich für die Lohngleichheit einsetzen. «Die Löhne in Frauenberufen sind durchschnittlich noch immer 1000 Franken tiefer als jene in Männerberufen», sagte sie. Das wirke sich auf die Renten aus.
Über den Umgang mit der «Klimakrise» sprach Landrat Thomas Noack. Für eine sichere Versorgung brauche es einen «raschen» und «sozialverträglichen» Umbau des Energiesystems. Er nannte die Solaroffensive, welche die SP national und kantonal vorantreibe, und den Aufbau eines Klimafonds, der Gelder für Investitionen in erneuerbare Energien bereitstellen soll.
Eric Nussbaumer positionierte sich als Aussenpolitiker. Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Schweiz «aktiv an der europäischen Integration mitwirkt». Das Verhältnis zur EU müsse «geregelt» werden, ansonsten leide die Standortattraktivität – «auch in der Region Basel». Die Schweiz solle sich generell in der internationalen Zusammenarbeit engagieren, forderte Nussbaumer. «Isolationismus» sei fehl am Platz.
Interessante Personalfragen
Spannend zu beobachten wird nicht nur sein, ob die Sozialdemokraten beide Nationalratssitze halten können. Sondern auch, wer Erstnachrückender oder Erstnachrückende sein wird. Denn in Parteikreisen wird davon ausgegangen, dass Nussbaumer nach dem allfälligen Präsidialjahr vorzeitig zurücktreten wird. Bestätigen will dieser zwar nichts, sagt aber: «Eigentlich bin ich dafür bekannt, Sachen fertig zu machen. Aber natürlich würde ich in der nächsten Legislatur schauen, wie die Konstellation auf unserer Liste aussieht.»
Als Favoritin für Platz drei hinter ihm und Samira Marti gilt Kantonalpräsidentin Miriam Locher, die schon 2019 am drittmeisten Stimmen erzielte. Sie setzt ihren Fokus auf «sozial-, familien- und bildungspolitische Themen». An der Medienkonferenz ging sie detailliert auf die Bekämpfung von Armut ein. 1,3 Millionen Menschen in der Schweiz seien davon betroffen. Es brauche darum einen Mindestlohn, einen besseren Kündigungsschutz und eine Sozialhilfe, die «zum Leben reicht», so Locher.