Nur zwei haben einen freien Badge
25.08.2023 Politik, SchweizBern | Wem Baselbieter Parlamentarier Zutritt zur Wandelhalle verschaffen
Wer sich als Lobbyist im Bundesparlament Gehör verschaffen will, sollte Zutritt zur Wandelhalle haben. Die Bundeshaus-Badges sind darum sehr beliebt. Doch nicht alle Baselbieter National- und ...
Bern | Wem Baselbieter Parlamentarier Zutritt zur Wandelhalle verschaffen
Wer sich als Lobbyist im Bundesparlament Gehör verschaffen will, sollte Zutritt zur Wandelhalle haben. Die Bundeshaus-Badges sind darum sehr beliebt. Doch nicht alle Baselbieter National- und Ständeratsmitglieder haben ihre zwei vergeben.
Janis Erne
Zwei Bundeshaus-Badges kann ein Nationalrat oder eine Ständerätin vergeben. Damit verschaffen sie auserwählten Personen – das können Interessenvertreter, persönliche Mitarbeiter oder Gäste sein – Zutritt zur Wandelhalle, einem nicht öffentlichen Teil des Bundeshauses hinter den Ratssälen. Bei Verbänden, Vereinen, Nichtregierungsorganisationen und PR-Agenturen sind die Zutrittsberechtigungen überaus beliebt, wie ein Blick ins öffentliche Zutrittsregister der Parlamentsdienste zeigt. Denn sie ermöglichen es Interessenvertretenden, relativ unkompliziert viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf einmal zu treffen und so Einfluss auf politische Geschäfte zu nehmen (siehe Kasten).
Sandra Sollberger bestätigt die hohe Nachfrage: «Tatsächlich gibt es sehr viele Bewerbungen für meinen freien Badge.» Die SVP-Nationalrätin gehört zu einer Minderheit im Parlament, die nur einen Badge vergeben hat – und zwar an Markus Meier, Baselbieter SVP-Landrat und Direktor des Hauseigentümerverbands Schweiz. Sollberger schliesst aber nicht aus, dereinst einer zweiten Person Zutritt zur Wandelhalle zu verschaffen. Diese Person solle ihre Werte teilen und sich ebenfalls für das Baselbiet engagieren.
Von den restlichen sieben Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern aus dem Baselbiet hat aktuell nur Daniela Schneeberger einen freien Badge. Die FDP-Nationalrätin ermöglicht einzig Vanessa Jenni Zutritt zur Wandelhalle. Jenni ist Geschäftsführerin von Treuhand Suisse, dem nationalen Verband der Treuhänderinnen und Treuhänder, den Schneeberger präsidiert. Ihre Wahl begründet die Thürnerin, selbst Treuhänderin, wie folgt: «Der Sitz des Verbands ist in Bern, so ist es für die Arbeit und den Austausch einfach, wenn Vanessa Jenni jederzeit ungehindert Zutritt zum Bundeshaus hat.»
Nähe zu Wirtschaftsverbänden
Mit Martin Dätwyler (FDP) hat neben Markus Meier ein zweiter Landrat Zutritt zur Wandelhalle. Der Direktor der Handelskammer beider Basel (HKBB) verdankt dies «Mitte»- Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, der Präsidentin der HKBB. Dätwyler soll sich in Bundesbern also für die Interessen des Wirtschaftsstandorts Basel einsetzen. Schneider-Schneiters zweiter Badge ging ebenfalls an einen Vertreter eines Wirtschaftsverbands: Sie hat ihn Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, ausgehändigt.
Dessen Verband gehört zusammen mit Economiesuisse und dem Schweizerischen Gewerbeverband zu den drei grössten Wirtschaftsverbänden des Landes. Offensichtlich hat dieses Trio einen guten Draht zu Baselbieter Politikerinnen und Politikern. Neben Schneider-Schneiter können die Wirtschaftslobbyisten auch auf Thomas de Courten zählen. Der SVP-Nationalrat hat dem Vizedirektor des Gewerbeverbands, Kurt Gfeller, einen Badge gegeben. Gfeller ist auch Vizepräsident des Suva-Rats, des obersten Führungsgremiums der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt. De Courtens zweiter Badge besitzt Lucas Schalch, Geschäftsführer von Intergenerika, der Vereinigung der wichtigsten Generikafirmen in der Schweiz.
Eine Stimme für die Kinder
SP-Nationalrätin Samira Marti hat beide Badges Vertretenden der «Kinderlobby Schweiz» zur Verfügung gestellt. Der Verein setzt sich laut eigenen Angaben für die «Wahrnehmung der Rechte und Bedürfnisse der in der Schweiz lebenden Kinder» ein. «Dabei besuchen sie zum Beispiel Schulklassen und informieren über die UNO-Kinderrechtskonvention», sagt Marti. Ausserdem seien ab und zu zwei Kinder im Alter zwischen 12 und 16 Jahren im Bundeshaus unterwegs, um für ihre Anliegen zu weibeln. Marti unterstützt die «Kinderlobby», weil «sich junge Menschen ohne Stimmrecht so in der Politik einbringen können».
Dank Samira Martis Partei- und Ratskollege Eric Nussbaumer kann sich einerseits Stefan Batzli in der Wandelhalle aufhalten. Er ist Geschäftsführer von AEE Suisse, der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Laut eigenen Angaben vertritt die AEE Suisse 40 Branchenverbände und damit rund 42 500 Unternehmen in der Schweiz. Sie arbeitet auf eine «nachhaltige Energie- und Klimapolitik» hin. Andererseits besitzt ein ehemaliger Profifussballer und FC-Basel-Geschäftsführer einen Badge von Nussbaumer: Roger Hegi. Er ist im Zutrittsregister als «Gast» eingetragen. Er kenne ihn vom FC Nationalrat, sagt Nussbaumer. Dort bildeten sie – Nussbaumer als Kapitän und Hegi als Trainer – lange Zeit das «Führungsduo». Hegi ist zudem Direktor der Sport-Toto-Gesellschaft, die bis vor Kurzem dafür verantwortlich war, einen Teil der Gewinne der Lotteriegesellschaften Swisslos und «Loterie Romande» an den hiesigen Sport zu verteilen. Diese Aufgabe hat Anfang 2023 eine Stiftung übernommen, die Sport-Toto-Gesellschaft wird nächstens aufgelöst. Nussbaumer sagt, er werde den Badge von Hegi im Winter neu vergeben, an wen sei noch offen.
Einem «persönlichen Mitarbeiter» verschafft Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer Zutritt zur Wandelhalle. Es ist dies Parteikollege Luzian Franzini, Kantonsrat in Zug und von 2018 bis 2022 Vizepräsident der Grünen Schweiz. Darüber hinaus hat sie David Rey einen Badge gegeben. Dieser präsidiert die Westschweizer Lehrergewerkschaft. Die Nähe zu dieser Interessengruppe kommt wohl daher, dass Brenzikofer ausgebildete Sekundarlehrerin ist.
Bleibt noch Ständerätin Maya Graf (Grüne). Es ist bekannt, dass sie sich unter anderem für Menschen mit Behinderungen einsetzt. So ist sie Co-Präsidentin von «Inclusion Handicap». Die Organisation setzt sich laut eigenen Angaben für «die Teilhabe aller Menschen am sozialen Leben» ein. Es erstaunt also nicht, dass Graf dem Abteilungsleiter Kommunikation und Politik von «Inclusion Handicap», Matthias Kuert Killer, einen Badge gegeben hat. Zweiter Zutrittsberechtigter ist Martin Bossard. Er ist als Interessenvertreter von Bio Suisse, dem Verband der biologisch produzierenden Bäuerinnen und Bauern mit dem berühmten Knospe-Label, akkreditiert.
Was bringt der Zutritt zur Wandelhalle?
je. Vereinfacht gesagt: Die Gelegenheit, um bei Parlamentarierinnen und Parlamentariern für die Anliegen eines Vereins, eines Verbands, einer Nichtregierungsorganisation oder eines Unternehmens zu werben. Zwar wäre das auch ausserhalb des Bundeshauses möglich. Doch in der Wandelhalle halten sich während einer Session an die 200 Nationalrats- und 46 Ständeratsmitglieder gleichzeitig auf. Das vereinfacht das Lobbyieren erheblich – schon nur aus organisatorischer Sicht.
Einen Eindruck, welche Vorteile ein Bundeshaus-Badge mit sich bringt, gibt ein Artikel von Michael Gerber und Christoph Ebnöther im Magazin «Medienwoche». Sie haben mit fünf Expertinnen und Experten darüber gesprochen, wie die Interessenvertretung im Bundeshaus funktioniert. Interessant: Oftmals besuchen Lobbyisten die Sessionen des Bundesparlaments nicht wegen der aktuellen Geschäfte. Denn «es sei sehr schwierig, Parlamentsmitglieder während einer laufenden Session noch umzustimmen», so die Autoren. Vielmehr setzten Interessenvertreter bei den Kommissionen, wo Geschäfte für das Parlament vorbereitet werden, an. Auf die Kommissionsarbeit wollen sie also Einfluss nehmen. Weiter schreiben Gerber und Ebnöther: Die Präsenz in der Wandelhalle habe den Vorteil, dass man frühzeitig von neuen Gesetzesprojekten erfährt. Lobbyisten richten ihren Blick also darauf, was an zukünftigen Sessionen behandelt werden könnte. Das zeichnet offenbar eine gute Interessenvertretung aus. Denn, so die Autoren, je früher ein Interessenvertreter von einem neuen Gesetzesprojekt erfährt, desto besser könne er sich darauf vorbereiten und sich Wissen über das entsprechende Thema aneignen.
Aus Studien ist zudem bekannt, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf das Wissen von Lobbyisten angewiesen sind. Nur so können sie den Durchblick im Politdschungel behalten. Denn die Bandbreite an Themen, die in einem Parlament bearbeitet werden, ist zu gross, als dass ein Parlamentsmitglied in allen Gebieten ein Experte sein könnte. Weiss ein Lobbyist frühzeitig, in welchen Gebieten er sich Wissen aneignen muss, stehen seine Chancen also gut, dass er Einfluss auf Parlamentsmitglieder nehmen und Allianzen schmieden kann.