Einen Trainingspartner als Weihnachtsgeschenk
25.08.2023 Bezirk Sissach, SportTischtennis | Severin Fischer – ein Leben rund um Racket und Ball
Severin Fischer ist ein Senkrechtstarter. Kurz nachdem der Elfjährige aus Tecknau dem Tischtennisclub Gelterkinden beigetreten war, hat er schon am Turnier der acht besten Schweizer Spieler seines Alters ...
Tischtennis | Severin Fischer – ein Leben rund um Racket und Ball
Severin Fischer ist ein Senkrechtstarter. Kurz nachdem der Elfjährige aus Tecknau dem Tischtennisclub Gelterkinden beigetreten war, hat er schon am Turnier der acht besten Schweizer Spieler seines Alters teilgenommen.
Luana Güntert
Auf den ersten Blick unauffällig: Ein normales Einfamilienhaus in Tecknau – mit Parkplatz, Garten und einem Sitz- und Spielplatz. Doch bei genauerem Hinschauen fällt neben dem Haus ein Tischtennistisch auf. Hier ist Severin Fischer zu Hause. Diesen Frühling hat der Elfjährige an der Tischtennis-Schweizermeisterschaft in der Kategorie U11 gleich drei Medaillen gewonnen.
Erst seit einem Jahr spielt Severin im Verein Tischtennis. Für den Tischtennisclub Gelterkinden (TTCG) sind Severins Bronzemedaillen im Mixed-Doppel und im Einzel und sein Meistertitel im Doppel der grösste Erfolg der Vereinsgeschichte. Noch nie zuvor hatte der TTCG einen nationalen Titelträger in den eigenen Reihen. Severins steiler Aufstieg überraschte – doch irgendwie auch nicht.
Zuerst die Fussballsaison beenden
«Wir haben in den Ferien oft Tischtennis gespielt, als ich noch kaum über den Tisch gesehen habe», erzählt Severin, als die «Volksstimme» ihn zu Hause in Tecknau besucht. Mutter Monika Fischer erinnert sich, dass die Familie in den Ferien einmal am Tisch stand, als Severin erst drei Jahre alt war. «Er wollte unbedingt mitspielen», sagt sie und lacht.
Später schaffte die Familie einen Tischtennistisch für den Garten an und so übte Severin regelmässig mit seinem Vater. «Ich liebe alle Sportarten mit Schläger und Ball», sagt Severin. Auch Tennis spielt er regelmässig in Gelterkinden und manchmal noch Badminton. «Früher habe ich öfters Tennis als Tischtennis gespielt. Von klein auf hatte ich ein gutes Ballgefühl», sagt der Primarschüler. Er habe zudem eine gute Auffassungsgabe, ergänzt Monika Fischer.
Seine erste wettkampfmässige Erfahrung machte er im vergangenen Jahr am «Volksturnier» des TTCG und erreichte in der Kategorie Plausch U11 direkt den ersten Platz. Nach seinem Sieg meldete er sich beim TTC Gelterkinden für ein Training an. «Damals spielte Severin noch Fussball beim FC Gelterkinden», sagt Mutter Monika. Zusätzlich zum Tischtennis, Tennis, der Jugendriege und E-Gitarren-Unterricht wäre das wohl zu viel gewesen. So beendete Severin zuerst die Saison auf der Wolfstiege, verliess die Jugi und besuchte zu Beginn des neuen Schuljahres das erste Tischtennis-Training – und ist seither noch faszinierter von diesem Sport.
Professionelle Unterstützung
Severins Talent zeigte sich schnell. Vier Monate nach seinem ersten Training im Verein spielte er bereits das Top 16. Das ist ein Turnier der besten 16 Schweizer Spieler pro Alterskategorie. Die besten acht spielen anschliessend in einem Top 8 um den Sieg. Severin erreichte den 7. Rang und konnte so am Top 8 teilnehmen, an dem er später Fünfter wurde.
Am Top 16 wurde Severin von Leon Wang vom TTC Frick und dessen Trainer, die er bereits von einem anderen Anlass kannte, für das Doppel an der Schweizermeisterschaft angefragt. «Dann realisierten wir erst, dass das Turnier in Genf stattfindet. Es ging alles sehr schnell», gibt Mutter Monika zu. Aktuell fühlt sich Severin beim TTCG sehr wohl: «Ich will in Gelterkinden bleiben. Zudem können wir nicht immer mit dem Auto ins Training und so kann ich einfach selber mit dem Velo hinfahren.» Zudem gebe es in Gelterkinden auch gute Junioren, mit denen er gerne trainiere und die ihn sehr fordern würden.
Zusätzlich gefördert werden die Gelterkinder Junioren von Alen Kovac, dem Trainer der Bundesligistinnen des ESV Weil am Rhein. «Er unterstützt uns jeden Mittwoch mit Techniktraining», erklärt Severin. Des Weiteren erhält Severin am Samstag regelmässig die Möglichkeit, mit Leon Wang vom TTC Frick zu trainieren. Dies erfolgreich: Mit ihm zusammen hat er im Frühling den nationalen Doppel-Titel geholt.
Racket-Sport in jeder Form
Severin kann vom Tischtennis nicht genug bekommen: «Wenn das Training ausfällt, weil die Halle anderweitig genutzt wird, ist das immer schwierig», sagt Mutter Monika und lacht. Während der Schulferien besucht Severin das freiwillige Training der Erwachsenen. Bei einem Trainingsausfall muss oft der Vater «dran glauben» und mit dem Sohn in der Tennishalle oder am eigenen Tisch spielen. Severin macht das Training grossen Spass, und er nimmt es ernst. «Wenn andere manchmal ‹Seich› machen, nervt mich das. Aber unser Trainer hat das immer schnell unter Kontrolle», sagt er.
Seit einem halben Jahr hat das Nachwuchstalent einen weiteren, etwas speziellen Trainingspartner: «Ich habe mir zu Weihnachten einen Tischtennisroboter gewünscht», sagt er. Dies ist eine Maschine, die Bälle in verschiedene Richtungen katapultiert. «Papa kann dann das Auto etwas zur Seite stellen und so kann ich beim Carport alleine trainieren», sagt er.
Seine Stärken sieht Severin in seinen Gedankengängen während des Spiels. «Ich überlege mir häufig, wohin und wie ich spiele. Es gibt typische Kombinationen, wie ich dem Gegner in die Rückhand spielen kann. Ich erkenne die Schwächen meines Gegenübers schnell und kann sie ausnutzen», erklärt Severin. Der 11-Jährige hat im Tischtennis viel vom Tennis übernommen – im Guten wie im Schlechten. Ein guter Trainer erkenne schnell, dass er Tennis gespielt habe und es immer noch tue, sagt Severin. «Ich mache immer noch viel grössere Bewegungen als andere Tischtennisspieler. Bei einem Topspin gehe ich mega weit nach hinten.»
Der Sprung ins Kader
Severins Talent blieb nicht unerkannt: Im Mai wurden alle Nachwuchsathleten, die an der Schweizermeisterschaft mindestens den Achtelfinal erreichten, zum Kaderselektionstag nach Magglingen eingeladen. Die Kaderselektion fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. «Wir durften Severin bis zur Anmeldung begleiten. Danach mussten wir gehen und konnten ihn am Nachmittag wieder abholen», sagt Mutter Monika. Sie verstehe das, es gehe auch darum, dass Eltern und Trainer nicht dazwischenreden. «Wir sind aber sehr unerfahren in solchen Sachen und müssen uns da noch einleben», sagt sie.
In Magglingen musste Severin diverse Übungen machen, um den Sprung ins Regionalkader oder sogar ins Nationalkader zu schaffen. Am Ende des Tages wusste noch kein Kind oder Jugendlicher, ob und wofür es gereicht hat. Sie wurden zwei Monate auf die Folter gespannt.
Aufgrund seiner Leistungen wurde er ins Regionalkader aufgenommen. Der Stützpunkt der Nordwestschweiz ist in Muttenz. Die Idee ist, dass Severin neben den Trainings in Gelterkinden zusätzlich Einheiten in Muttenz besuchen kann.
Auch im Verein wird bereits auf Severin gesetzt. Der TTC Gelterkinden hat Teams in der 3., 4. und 5. Liga für den Meisterschaftsbetrieb gemeldet. Diese Spiele finden meistens abends unter der Woche statt. «Der Verein gab einigen Junioren die Möglichkeit, sich für den Meisterschaftsbetrieb der Erwachsenen anzumelden», sagt Mutter Monika. Dort werden jeweils Einzel- und Doppelpartien im Team gegen ein Team eines anderen Vereins gespielt. Da diese Runden in der ganzen Nordwestschweiz stattfinden, können die Kinder und Jugendlichen oft nicht teilnehmen. «Bei den Heimspielen ist es okay, dann wird es halt halb elf. Auch spontanes Aushelfen auswärts bekommen wir hin», sagt die Mutter. Momentan laufe es Severin auch in der Schule sehr gut, weshalb die Einsätze ein kleineres Problem darstellen. «Aber regelmässige Auswärtsspiele bis spät abends gehen unter der Woche nicht.» So ist Severin nun fix einem Team zugeteilt für die Heimspiele.
Mit elf Jahren hat Severin noch reichlich Zeit, um sich über seine berufliche Zukunft Gedanken zu machen. Doch eines weiss er jetzt schon: «Irgendwann werde ich mich zwischen Tischtennis und Tennis entscheiden müssen. Momentan macht mir Tischtennis mehr Spass», sagt er. Was er nach der Schule machen will, weiss er noch nicht konkret. «Es wäre schon cool am Sportgymi», sagt er. Ihn interessierten auch Berufe im Sportbereich. Vom Hölsteiner Tischtennis-Profi Cédric Tschanz hat er auch schon einiges gelesen und dabei über das Sport-Militär erfahren. «So etwas könnte ich mir auch vorstellen», sagt er.