Die alten weissen Männer
24.08.2023 RegionDen Leserbrief von SVP-Landrat Andi Trüssel («Energiestrategie 2050 bleibt ein Fehlentscheid», Ausgabe vom 17. August, Seite 8) kann ich so nicht stehen lassen.
Obwohl mein früherer Landratskollege über einen Schopf mit weissem Haar verfügt, ...
Den Leserbrief von SVP-Landrat Andi Trüssel («Energiestrategie 2050 bleibt ein Fehlentscheid», Ausgabe vom 17. August, Seite 8) kann ich so nicht stehen lassen.
Obwohl mein früherer Landratskollege über einen Schopf mit weissem Haar verfügt, vermeide ich es, von einem «alten weissen Mann und Ewiggestrigen» zu sprechen. Wobei ich mich gefragt habe, ob er nun «weisse Männer» oder «weise Männer» gemeint hat.
Seine Aussage über den Wasserkraftkomplex Grande Dixence ist falsch. Hätte er sich die Mühe gemacht, genauer zu recherchieren (was ich von einem Landrat mit seinem fachlichen Hintergrund eigentlich erwarte), so hätte er die Grande Dixence nicht als «reines Speicher- und kein Pumpspeicherwerk» bezeichnet. Denn zum Wasserkraftkomplex Grande Dixence gehören vier Pumpstationen. Das Universalwasserkraftwerk sorgt für die Grundversor- gung von rund 400 000 Haushalten, die Spitzenlastabdeckung und die Netzstabilisierung.
Seine Fachkompetenz punkto Kilowatt und Kilowattstunden zweifle ich in keiner Art und Weise an, schliesslich darf das ja auch erwartet werden von einem Elektro-Ingenieur HTL. Zum Trost Trüssels kann ich als gelernter Hafner (gehörte auch zu meiner Ausbildung) sagen: Die allermeisten Leute machen mit diesen Zusammenhängen ein «Gnuusch».
Wenn nach den Aussagen von Landrat Trüssel die Photovoltaik 300- bis 500-mal grössere Flächen braucht als die Atomenergie, so kann davon ausgegangen werden, dass bei einem atomaren Unfall bei einem Radius von 30 Kilometern rund 2800 Quadratkilometer dauerhaft über Generationen verstrahlt und für den Menschen nicht mehr genutzt werden können und verlassen werden müssen. Wenn Andi Trüssel nun der Meinung ist und tatsächlich glaubt, neue Atom- kraftwerke würden unsere Energiesituation retten, so bin ich ebenfalls zu 100 Prozent sicher, dass der Bau solcher neuen Anlagen keinesfalls finanzierbar ist, laufen doch die Baukosten der letzten realisierten Werke unerhört aus dem Ruder. Selbst die CEO unserer Energiegesellschaften investieren keinen Rappen in neue Anlagen, da sich in unserer freien Marktwirtschaft niemand auf solch halsbrecherische Investitionen einlässt. Ausser, man verfolgt das beliebte Muster: Gewinn privatisieren und das Risiko sozialisieren.
Selbstverständlich ist mir bewusst, dass Wahlkampf herrscht und dass, je lauter man brüllt, man umso mehr Aufmerksamkeit erhält. Über den Wahrheitsgehalt lässt sich bekanntlich wunderbar streiten und jeder beansprucht die Deutungshoheit für sich. Nichtsdestotrotz, geschätzter Andi Trüssel: Immer schön bei der Wahrheit bleiben.
Stefan Zemp, alt Landrat SP, Sissach