AUSGEFRAGT | PETER KAUFMANN, GESCHÄFTSFÜHRER DER BLINDENHUNDESCHULE LIESTAL
25.08.2023 Bezirk Liestal«Es braucht Hunde, die aktiv sind und ‹mitdenken›»
Die seit 37 Jahren bestehende Blindenhundeschule Liestal, 1986 von Walter Rupp gegründet, lädt morgen Samstag zum Tag der offenen Tür ein. Gut ausgebildete Blindenhunde sind bei Sehbehinderten sehr begehrt, wie ...
«Es braucht Hunde, die aktiv sind und ‹mitdenken›»
Die seit 37 Jahren bestehende Blindenhundeschule Liestal, 1986 von Walter Rupp gegründet, lädt morgen Samstag zum Tag der offenen Tür ein. Gut ausgebildete Blindenhunde sind bei Sehbehinderten sehr begehrt, wie Geschäftsführer Peter Kaufmann im Gespräch erklärt.
André Frauchiger
Herr Kaufmann, wie sieht das Ausbildungsprogramm für angehende Blindenhunde aus?
Peter Kaufmann: Wir wählen Welpen von Züchtern in der Regel aus der ganzen Schweiz aus, die wir in der siebten Lebenswoche testen. In dieser Phase zeigt sich schon sehr deutlich der Charakter des Hundes. Wir kaufen geeignete Hunde, die Tiere gehören also dann der Blindenhundeschule. Die Hunde werden nach zehn Wochen beim Züchter einer Familie zur Obhut gebracht und dort rund eineinhalb Jahre aufgezogen. Die Familien werden in dieser Zeit auch mit Junghundetrainings begleitet. Dazu kommen die Familien mit den Junghunden zum Training zu unseren offiziellen Treffen. Und im Alter von rund eineinhalb Jahren beginnt bei uns die achtmonatige Ausbildung zum Blindenhund. Die Familien bekommen keinen Lohn für ihre Arbeit, machen das Ganze ehrenamtlich. Die Kosten wie Futter und Tierarztbesuche werden aber von uns übernommen. Die Familien verpflichten sich im Gegenzug vertraglich, ihre Hunde nach der Ausbildung an uns zurückzugeben, damit wir sie an sehbehinderte Menschen vermitteln können. Nach Abschluss der Ausbildung erfolgen zwei Prüfungen, vorgenommen von einem IV-Experten, und zwar vor und nach der Zusatzausbildung und zusammen mit dem sehbehinderten Klienten, für den der Hund vorgesehen ist. Wir bleiben dann mit dem Klienten mit seinem Hund über die Jahre hinweg in Kontakt. Nach rund zehn Jahren geht ein Blindenhund in Pension – er bleibt dann bei der oder dem Sehbehinderten, oder er wird in eine andere Familie vermittelt.
Welche Hunderassen haben Sie?
Wir bilden unterschiedliche Rassen aus. Der Labrador ist die meistverbreitete Rasse, aber nicht bei allen blinden und sehbehinderten Menschen beliebt. Bei uns gehören drei Viertel der ausgebildeten Hunde nicht zur Rasse Labrador. Wir haben insgesamt 14 Rassen und Mischrassen. Ein Hund sollte zwischen 20 und 40 Kilogramm schwer sein und eine mittlere Grösse aufweisen. Wir brauchen keine Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb. Es braucht auch solche, die von sich aus aktiv sind und «mitdenken». Wie zum Beispiel ein Schäferhund, ein Pudel, ein Golden Retriever, ein Barbet oder ein Berger blanc Suisse. Jeder Mensch ist anders – da braucht es auch unterschiedliche Hunde mit unterschiedlichen Charakteren.
Bilden Sie nur Hunde für sehbehindete Menschen aus?
Nein, nicht ausschliesslich. Auch für Menschen mit Autismus braucht es Hunde, die wir ausbilden. Jeden Hund wollen wir Menschen vermitteln, denen er Hilfe bieten kann. Und nicht alle Hunde sind im Alter von rund zwei Jahren für Sehbehinderte geeignet, wohl aber für Menschen mit Autismus. Wir schulen die betroffene Person jeweils zusammen mit ihrem zukünftigen Hund. Bei einer sehbehinderten oder blinden Person braucht es einen Führungshund, der stark «vorausdenkt», im Falle von Autismus einen Begleit- oder Vertrauenshund.
Wie viele Mitarbeitende haben Sie und wie sieht die Nachfrage nach ausgebildeten Hunden aus?
Wir beschäftigen an der Blindenhundeschule Liestal sieben ausgebildete Instruktoren, zum Teil mit internationaler Lizenz und eidgenössischem Diplom. Sie sind als Selbstständige in ihrem Beruf tätig. Insgesamt arbeiten 13 bezahlte Angestellte für unsere Schule. Wir haben eine grosse Warteliste von Menschen, die sich einen Blindenhund wünschen. Ziel ist, jedes Jahr zehn Hunde auszubilden, davon sieben zu Blindenhunden, die übrigen für Menschen mit Autismus. Der Bedarf an ausgebildeten Hunden ist aber eindeutig grösser. Im Moment haben wir auch noch vier sogenannte Botschafterhunde, die zwar nicht ausgebildet werden können, aber als Werbeträger für unsere Schule in Schulen auftreten.
Wie sieht Ihre Trägerschaft aus? Und wie finanzieren Sie die Blindenhundeschule?
Unsere Trägerschaft ist ein Verein. Als Einnahmen bekommen wir einen monatlichen Beitrag von 350 Franken von der IV für die ausgebildeten Hunde, die im Einsatz bei einem Klienten stehen. Zudem vermieten wir in unserem Haus sieben Wohnungen und auch grössere Seminarräume. Einen Grossteil der Einnahmen erhalten wir als Spenden und von Stiftungen – und natürlich von den über 13 000 Vereinsmitgliedern.
Wie sieht die Zukunft für Blindenhunde aus?
Die Anforderungen an Behinderte, Sehbehinderte und ihre Blindenhunde werden immer grösser. Denn es gibt immer mehr komplizierte Verkehrssysteme – wie zum Beispiel an Bahnhöfen. Früher suchten wir eher robustere, wesenssichere Blindenhunde. Heute braucht es sensiblere, flexible Tiere. Zum Beispiel, wenn Blinde und Sehbehinderte auf dem Perron im Bahnhof innert 60 Sekunden die richtige Zugtüre finden, diese öffnen und einsteigen müssen, weil sonst der Zug einfach davonfährt. Dafür braucht es die aktive Unterstützung eines superpräzisen Blindenhundes. Auch E-Trottinettund Velofahrende sind für Blinde und Sehbehinderte ein Problem. Fest steht: Die Anforderungen an Blinde und Sehbehinderte und ihre Hunde werden in Zukunft zunehmen. Wir nehmen diese Herausforderung mit einer gezielten Hundeausbildung an.
Was wollen Sie mit Ihrer Blindenhundeschule Liestal in den nächsten Jahren noch erreichen?
Wir wollen weiterhin selber Instruktorinnen und Instruktoren ausbilden mit eidgenössischem Diplom. Auch bei der Ausbildung von Blindenhunden wollen wir à jour bleiben. Die Rassenvielfalt bei den Hunden ist mir ein grosses Anliegen. Unsere Klienten sollen die für sie geeignetsten Hunde erhalten. Auf einem gesunden Niveau wollen wir unser schweizweites Zweigstellennetz und damit die Nähe zum Klienten ausbauen. Es ist leider so, dass heute Klienten über zwei Jahre auf einen Hund warten müssen. Die Wartezeit sollte nicht mehr als ein Jahr betragen. Wichtig ist uns auch die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Institutionen.
Was bieten Sie am Tag der offenen Tür von morgen Samstag?
Wir bestreiten unser Programm am Samstag zusammen mit der von uns unabhängigen Hundeführschule Alpha Liestal. Programmbeginn ist um 10.30 Uhr mit «Unsere Hunde helfen», um 13.00 Uhr gibt es eine Trainingseinheit der Blindenhunde zu beobachten und um 15.00 Uhr nochmals «Hunde helfen». Die Hundeführschule Alpha Liestal hat ihren Auftritt um 11.30 Uhr. Sie bietet auch eine Welpenspielstunde um 14.00 Uhr an. Nicht zu vergessen der Auftritt des Clowns Nelly um 13.30 Uhr. Ein Hundequiz, Kinderschminken und Leckeres zu essen runden das Programm ab. Unsere Fachleute werden an diversen Informationsständen einen Einblick in unsere Arbeit geben. Mit etwas Glück kann bei einem Wettbewerb ein Dabeisein bei einem Instruktor bei der Arbeit mit seinen Trainingshunden oder mit Junghunden gewonnen werden. Oder auch ein professionelles Fotoshooting mit unserer Fotografin.
Informationen unter www.blindenhund.ch