«Heidi Abel hätte ich gerne kennengelernt»
03.08.2023 Gesellschaft, Medien, MaisprachJennifer Bosshard empfiehlt sich für noch grössere TV-Auftritte
Vor fünf Jahren hatte Jennifer Bosshard aus Maisprach ihr Praktikum beim Schweizer Fernsehen und der Sendung «Gesichter & Geschichten». Kürzlich moderierte sie am Samstagabend eine zweistündige Spezialsendung zu 70 ...
Jennifer Bosshard empfiehlt sich für noch grössere TV-Auftritte
Vor fünf Jahren hatte Jennifer Bosshard aus Maisprach ihr Praktikum beim Schweizer Fernsehen und der Sendung «Gesichter & Geschichten». Kürzlich moderierte sie am Samstagabend eine zweistündige Spezialsendung zu 70 Jahre Schweizer Fernsehen. Sie tat dies mit Bravour und könnte damit selber auf den Geschmack gekommen sein.
Jürg Gohl
Souverän haben Sie, Frau Bosshard, das Fernseh-Publikum durch die fast zweistündige Sendung geführt, in der auf 70 Jahre Schweizer Fernsehen zurückgeschaut wurde. Wie fiel die interne Kritik aus?
Jennifer Bosshard: Vielen Dank. Nun, Kritik ist eigentlich das Beste, was einem passieren kann. Es bedeutet, dass die Sendung geschaut wurde – und das wurde sie. Ich habe viel Feedback erhalten – vor allem Tipps, wen man auch hätte einladen oder was man sonst noch hätte ansprechen können. Dies intern beim Schwatz an der Kaffeebar, beim Anstehen in der Mensa oder im Vorbeigehen auf dem Gang. Es ist klar, dass bei einem Thema wie 70 Jahre Schweizer Fernsehen alle mitreden können und vielleicht auch möchten. Nostalgie ist ein starkes Gefühl und das Fernsehen ein kollektiver Erinnerungsort. Mit den Mitteln und der Zeit, die uns zur Verfügung standen, muss ich aber sagen, haben wir das Beste rausgeholt.
Wie stufen Sie selber Ihre Leistung ein?
Ich bin mit mir zufrieden. Ich sehe mich in meiner Moderationsfunktion als Dienstleisterin, als Vermittlerin zwischen Studiosituation und Fernsehpublikum. Nicht mehr und nicht weniger.
Haben Sie die Sendung für sich nochmals angeschaut?
Nein, das habe ich mir abgewöhnt. Früher habe ich mir jede Sendung, jede Moderation unmittelbar nach der Ausstrahlung nochmals angeschaut, jeden Satz analysiert und mich damit schier verrückt gemacht. Fakt ist: Man kann alles immer anders und besser machen. Für mein Seelenheil habe ich aber beschlossen, darauf zu vertrauen, dass ich im Moment der Aufnahme mein Bestes gebe.
Wie stand es um Ihre Nervosität vor dem grossen Auftritt?
Die hielt sich ehrlich gesagt in Grenzen, denn was man vielleicht wissen muss: Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung wusste ich noch gar nicht, wann die Sendung ausgestrahlt würde. Talks führe ich bei «G&G» ausserdem tagtäglich – dazu noch live und unter Zeitdruck. Im Setting einer Voraufzeichnung fällt dahingehend also ein gewisser Druck weg. Das Einzige, was mich tatsächlich etwas nervös gemacht hatte, war die Anwesenheit von Sandra Studer. Sie ist eine TV-Legende, ein Vollprofi. Da möchte man schon einen ordentlichen Job machen.
Ihnen gegenüber sass auch Max Sieber, ebenfalls ein «alter Hase». Hatten Sie nie Angst, Ihren Gästen nicht gewachsen zu sein?
Nein, es ging ja nicht um mich. Ich hatte eher Angst davor, ihnen nicht gerecht werden zu können. Immerhin waren sie die Stars der Show. Da will man als Moderatorin ein angeregtes Gespräch führen und ihnen fleissig Rampen bauen für ihre Geschichten.
In den ersten 40 Jahren in der Geschichte des Schweizer Fernsehens waren Sie noch nicht auf der Welt, erlebten weder den Bildschirm in Schwarz-Weiss noch Ikonen wie Heidi Abel und Mäni Weber. War das für Sie ein Nachteil oder vielleicht sogar ein Vorteil?
Heidi Abel hätte ich wahnsinnig gerne kennengelernt, und klar, wäre ich auch gerne während den «Goldenen Zeiten» beim Fernsehen gewesen – vor NoBillag oder der Halbierungsinitiative. Aber es sollte nun mal nicht so sein. Und das Gute beim Fernsehen ist ja, dass alles gut dokumentiert ist. Naja, fast alles. Wenn Sie unsere Jubiläumssendung gesehen haben, wissen Sie, dass die Mondlandung fehlt – eine skurrile Geschichte.
Welche Erkenntnisse aus der SRF- Geschichte haben Sie an diesem Abend besonders überrascht?
Für mich heute schier undenkbar ist die Tatsache, dass man früher zu viel Sendeplatz und zu wenig Sendeinhalt hatte. Also hatte man nach einer Sendung, wenn noch Zeit übrig war, einfach minutenlang Fische in einem Aquarium gezeigt, bis man mit dem Programm fortfahren konnte.
Und heute?
Heute ist das Programm minuziös durchgetaktet. Wir «sekündelen», das bedeutet, ich darf meine Sendung auf keinen Fall mehr als 30 Sekunden überziehen, sonst gibt es Ärger mit der Sendestrasse.
Gibt es unter den vielen Namen in dieser Geschichte Persönlichkeiten, nach denen Sie sich in Ihrer Arbeit vor der Kamera orientieren oder die Sie zumindest beeindrucken?
Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass man nur verlieren kann, wenn man versucht, jemanden zu kopieren. Aber immer wieder entdecke ich an anderen TV-Persönlichkeiten Qualitäten, die ich erstrebenswert finde. Zum Beispiel die Nonchalance einer Heidi Abel, diese Frau konnte wirklich nichts und niemand aus der Ruhe bringen. Aber auch die Souveränität einer Bigna Silberschmidt, den Charme eines Salar Bahrampoori, die Coolness einer Oceana Galmarini und die Natürlichkeit einer Fabienne Gyr.
Bislang kannte Sie das Fernseh-Publikum ausschliesslich aus der Spartensendung «Gesichter & Geschichten». Hat der Auftritt zum Jubiläum des Fernsehens in Ihnen Lust geweckt, sich in weitere Gefilden vorzutasten?
Wissen Sie, ich lasse das Leben gerne passieren. Klar, wenn sich mir Chancen bieten und sich Türen öffnen, dann bin ich stets neugierig, versuche mein Glück und gebe mein Bestes. Aber ich suche nicht verbissen danach.
Anders gefragt: War die Jubiläumssendung eine einmalige Sache?
Das müssen Sie wohl die Verantwortlichen der Abteilung Unterhaltung fragen.
Aber Sie können sich vorstellen, Ihrer Boulevard-Sendung einmal den Rücken zu kehren und sich einer anderen Sparte zuzuwenden?
Nun, mit dem Wort «Boulevard» hadere ich ja etwas. Immerhin hat sich unsere Sendung enorm entwickelt in den letzten Jahren. Für viele Kulturschaffende sind wir der einzige Ort im Schweizer Fernsehen, an dem sie sich noch zeigen können. Wir sind eine Bühne für Menschen mit ganz unterschiedlichen Leidenschaften aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Musik, Kunst, Sport, Politik, Kino und auch Wirtschaft – bei «G&G» ist vieles möglich, und das macht diese Sendung für mich einzigartig. Ausserdem fungiere ich mittlerweile als Moderatorin, Redaktorin und TV-Produzentin. So viel Abwechslung im Job ist ein Riesenprivileg. Ein Job für eine Sendung, die unverdienterweise nicht viel Renommee geniesst in unserem Land – aber das hat mich noch nie interessiert.
Zur Person
jg. Jennifer Bosshard (30) ist in Maisprach aufgewachsen und hat in Basel Geschichte und Deutsch studiert. Sie lebt mit ihrem Ehemann, dem Fussballer Pascal Schürpf, inzwischen am Zugersee. Bevor sie vor fünf Jahren bei der Sendung «Glanz & Gloria», wie sie damals noch hiess, ein Praktikum antrat, hatte sie bereits für die Frauenzeitschrift «annabelle» gearbeitet. Heute arbeitet sie als Redaktorin. Ihr Wissen in Geschichte und Kultur sowie ihr feministisches Engagement bringt sie auch in anderen Sendungen ein.