Hochwasserschutz doppelt so teuer
28.07.2023 Baselbiet, Niederdorf, BauprojekteStatt 15,5 Millionen kostet das Bach-Bauprojekt mehr als 30 Millionen Franken
Das gibt eine gesalzene Endabrechnung: Für die Hochwasserschutzmassnahmen in Niederdorf fallen doppelt so hohe Kosten an, wie vom Landrat einst bewilligt. Ausgerechnet ein Hochwasser sorgte für hohe ...
Statt 15,5 Millionen kostet das Bach-Bauprojekt mehr als 30 Millionen Franken
Das gibt eine gesalzene Endabrechnung: Für die Hochwasserschutzmassnahmen in Niederdorf fallen doppelt so hohe Kosten an, wie vom Landrat einst bewilligt. Ausgerechnet ein Hochwasser sorgte für hohe Mehrausgaben. Unter anderem.
David Thommen
Auf der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) wird derzeit an einem Antrag für eine «Ausgabenbewilligung» gearbeitet – umgangssprachlich Nachtragskredit genannt. Nachträglich mehr Geld bewilligen muss der Landrat für die bereits vollendeten Hochwasserschutzmassnahmen in Niederdorf. Diese wurden im Gleichschritt mit dem Neubau des Trassees der Waldenburgerbahn ausgeführt. Bewilligt war dafür ein Betrag in der Höhe von 15,45 Millionen, wobei es laut Landratsbeschluss zu einer Kostenabweichung von plus/ minus 10 Prozent hätte kommen dürfen. Die Realität sieht heute anders aus: In der Endabrechnung dürfte ein Betrag von rund 33 Millionen Franken stehen, wie inoffiziell zu vernehmen ist. Die Kosten liegen damit doppelt so hoch wie veranschlagt und bewilligt.
Die Baudirektion wollte die konkrete Summe auf Anfrage nicht bestätigen, räumt aber hohe Mehrkosten ein: Die landrätliche Bau- und Planungskommission (BPK) sei bereits im September 2022 und dann nochmals Anfang 2023 darüber informiert worden, dass der Kreditrahmen gesprengt worden und mit einer neuen «Ausgabenbewilligung» zu rechnen sei.
Hochwasser als Kostenfaktor
Es habe sich um ein «sehr anspruchsvolles Projekt» mit vielen «technischen Herausforderungen» gehandelt, heisst es bei der Baudirektion. Die Baselland Transport AG (BLT) spricht vom «komplexesten Bauabschnitt im gesamten WB-Projekt». Es habe unter grossem Zeitdruck gearbeitet werden müssen, da es einen unverrückbaren Endtermin gegeben habe: den 11. Dezember 2022 – der Tag, an dem die neue WB den Betrieb aufnahm. Das Gleis der Bahn verläuft in Niederdorf über weite Strecken unmittelbar neben der Vorderen Frenke.
Kostenmässig wurde dem Hochwasserschutzprojekt zusätzlich ausgerechnet ein Hochwasser zum Verhängnis: Ein Starkregen über dem Waldenburgertal verursachte im Sommer 2021 nicht nur direkte Schäden an der Baustelle, sondern führte auch zu offenbar teuren Verzögerungen im Bauablauf. Dies, weil der Grundwasserspiegel stark angestiegen sei, so die BUD.
Die BLT, die für alle Arbeiten im Zusammenhang mit dem WB-Neubau in der Gesamtverantwortung stand («Qualität, Termine, Kosten»), nennt auf Anfrage als einen weiteren Grund für die aus dem Ruder gelaufenen Kosten «eine ausserordentliche Bauteuerung».
Wer zahlt wie viel?
Finanziert wird das Niederdörfer Hochwasserschutzprojekt im Wesentlichen von drei Kostenträgern: Dem Kanton, der beim ursprünglichen Kredit von 15,45 Millionen Franken für rund die Hälfte geradesteht, dem Bund, der eine Subvention in der Höhe von 35 Prozent (oder 5,15 Millionen) leistet, sowie der BLT, die laut ursprünglicher Vorlage via Anstösserbeitrag mit 1,8 Millionen Franken zur Kasse gebeten wird. Wie die Mehrkosten in Frankenbeträgen auf die Beteiligten aufgeteilt werden, will die Baudirektion noch nicht verraten. Auf Nachfrage verweist die BUD auf die Landratsvorlage, die in einigen Wochen veröffentlicht wird. Bei der BLT heisst es: «Unser Beitrag erhöht sich proportional zu den Mehrkosten.» Der ursprüngliche Kostenschlüssel sei nun auch bei der Aufteilung der Mehrkosten unbestritten. Ein Rechtsstreit ist demnach nicht zu erwarten.
«Natürlich sind Kostenüberschreitungen immer ärgerlich», sagt Urs Kaufmann (SP, Frenkendorf), der bis vor kurzem Präsident der landrätlichen Bau- und Planungskommission war. Er zeigt aber auch Verständnis: «Wenn die Natur im Spiel ist, ist es nie einfach …» Ob bei diesem Projekt zusätzlich grobe Fehler gemacht worden und damit hitzige Diskussionen im Landrat zu erwarten seien, lasse sich erst beurteilen, nachdem die Regierung ihren Bericht auf den Tisch gelegt habe.
Kosten und Nutzen
tho. In Niederdorf gebe es ein «Hochwasserschutzdefizit», hiess es in der Landratsvorlage von 2020, mit welcher der Kredit von 15,45 Millionen Franken für das Hochwasserschutzprojekt beantragt worden ist. Mittlerweile wurde in Niederdorf der Bach – je nach örtlicher Situation – um 1,5 bis 3 Meter verbreitert und die Sohle um einen Meter abgesenkt. Damit wurde die Abflusskapazität der Vorderen Frenke deutlich erhöht: Neu beträgt sie 42 Kubikmeter pro Sekunde. Damit soll ein Regenereignis unbeschadet überstanden werden können, wie es statistisch gesehen nur alle 100 Jahre vorkommt. Der Rückblick der Hydrologen hatte ergeben, dass diese Abflussmenge in den vergangenen 400 Jahren vermutlich nur zwei Mal überschritten worden ist: Am 16. Juli 1830 – damals sehr deutlich – und am 22. Juni 1926.
Bereits die ursprünglich vorgesehenen 15,45 Millionen Franken für das Projekt erschienen als hoch, weshalb die Regierung die Kosten ausführlich thematisierte. Eine Berechnung in der Landratsvorlage zeigte, dass der langfristige finanzielle Nutzen des Projekts dank der Vermeidung von Hochwasserschäden bei 9,4 Millionen Franken liegt. Die Investition ist damit ungleich teurer. Der Kosten-Nutzen-Faktor wird mit einem Wert von 0,61 angegeben. Das Projekt sei damit «nicht wirtschaftlich». Das eigentlich zu teure Vorhaben müsse dennoch umgesetzt werden, da angesichts der beengten Platzverhältnisse in Niederdorf gar keine andere Lösung möglich sei. Zuvor war die Idee eines Wasser-Rückhaltebeckens vor dem Dorfeingang verworfen worden. Dort gibt es zu wenig Platz.
Der Bund sei ausdrücklich auf die tiefe Wirtschaftlichkeit des Bauprojekts hingewiesen worden, ist in der ursprünglichen Landratsvorlage nachzulesen. Der Bund machte seine Subventionszusage dennoch. Mittlerweile hat sich der Kosten-Nutzen-Faktor wegen der hohen Mehrausgaben nochmals halbiert.