Brückenbauerin in der Agrarpolitik?
25.07.2023 Baselbiet, PolitikVizepräsidentin des Bauernverbands neu im Landrat
Mit Claudia Brodbeck ist die zweithöchste Landwirtin des Kantons neu im Landrat vertreten. Die Vizepräsidentin des Bauernverbands sieht den Klimawandel als Herausforderung für die Landwirtschaft und will sich für mehr Solaranlagen auf ...
Vizepräsidentin des Bauernverbands neu im Landrat
Mit Claudia Brodbeck ist die zweithöchste Landwirtin des Kantons neu im Landrat vertreten. Die Vizepräsidentin des Bauernverbands sieht den Klimawandel als Herausforderung für die Landwirtschaft und will sich für mehr Solaranlagen auf Dächern von Bauernhöfen starkmachen. Zudem will die «Mitte»-Politikerin versuchen, zwischen links und rechts zu vermitteln.
Janis Erne
Anders als auf nationaler Ebene zählt die «Mitte» im Baselbiet nicht unbedingt zu den Parteien, die sich auffällig für die Anliegen der Landwirtschaft einsetzen. Viel eher stechen diesbezüglich die SVP und die Grünen hervor – sie haben die eine oder andere bäuerlich tätige Person in ihren Reihen, die regelmässig agrarpolitische Vorstösse im Landrat lanciert. Darum überrascht der Online-Auftritt der «Mitte»: Auf ihrer Website prangt prominent das Thema Landwirtschaft. Man fordere, dass die produzierende Landwirtschaft weiter unterstützt wird, heisst es da etwa.
Spricht die Partei, die sich gerade im ländlich geprägten Oberbaselbiet festsetzen will, also bewusst Bäuerinnen und Bauern als Wählende an? Nicht ganz. Die Themen auf der Website seien «in enger Abstimmung» mit der «Mitte» Schweiz gewählt worden, sagt Kantonalpräsident Silvio Fareri auf Anfrage. Und er relativiert: Sie zeigten vor allem Errungenschaften und Forderungen der nationalen Partei. Zwar bearbeite auch die Baselbieter «Mitte» die Landwirtschaftspolitik, doch sie sei «kein Schwerpunktthema».
In der Vergangenheit seien bäuerliche Anliegen meist von Politikerinnen und Politikern mit einem Bezug zur Landwirtschaft bearbeitet worden, so Fareri weiter, der seit Juli dem Landrat angehört. Ebenfalls neu gewählt worden ist Claudia Brodbeck, Landwirtin aus Biel-Benken und Vizepräsidentin des Bauernverbands beider Basel (BVBB). Sie ist aktuell die einzige bäuerlich tätige Person in der «Mitte»-Fraktion. «Mit ihr», so Fareri, «wird die Landwirtschaftspolitik innerhalb der ‹Mitte›, wie auch kantonal, sicherlich wieder einen grösseren Bezug erfahren.»
Seit Jahren engagiert
Die 58-Jährige weiss genau, wo bei den regionalen Landwirtinnen und Landwirten der Schuh drückt. Brodbeck ist nicht nur BVBB-Vizepräsidentin, sondern seit mehr als 20 Jahren auch Präsidentin des Schulrats der landwirtschaftlichen Berufsfachschule Ebenrain. In Biel-Benken bewirtschaftet sie zusammen mit ihrem Mann das Hofgut bei der alten Mühle. Die beiden gehen der Milchwirtschaft nach und betreiben eine Pferdepension.
Angesprochen auf die Herausforderungen für die Landwirtschaft, nennt die «Mitte»-Landrätin den Klimawandel. Dieser wirke sich überdurchschnittlich stark auf die Region aus. Das Baselbiet gehöre zu den wärmsten Kantonen, so Brodbeck. Das sei deshalb problematisch, weil die Hitze verschiedenen Kulturen nicht gut bekomme. Ebenfalls ein Problem seien die immer länger werdenden Trockenperioden – vor allem für das Oberbaselbiet mit seinen Karstböden, die das Wasser schlecht speichern. Dadurch werde der Anbau von Futtergetreide und damit die Viehwirtschaft erschwert, wie Brodbeck erklärt.
Sie findet, dass im Baselbiet noch mehr erneuerbare Energie produziert werden soll – und nennt sogleich einen Vorschlag. Ihrer Ansicht nach sollen Landwirtinnen und Landwirte beim Bau einer grösseren Solaranlage finanziell unterstützt werden. «Die Dächer vieler Bauernhöfe eignen sich ausgezeichnet für Photovoltaikanlagen», sagt Brodbeck. Allerdings sei der Anschluss mit hohen Kosten verbunden und für die Landwirtinnen und Landwirte häufig nicht rentabel. «Hier könnte der Kanton mit Fördermassnahmen eingreifen», schlägt sie vor.
Eine Handvoll Mitglieder
Wie der Bauernverband nach den Wahlen im Frühling verkündet hatte, sind nun fünf seiner Mitglieder im 90-köpfigen Landrat vertreten. Neben Claudia Brodbeck sind dies Urs Schneider, Matthias Liechti und Markus Graf von der SVP sowie Laura Grazioli von den Grünen. Laura Ineichen von den Grünen ist ebenfalls Landwirtin; sie ist auf dem Hof ihres Vaters, ein BVBB-Mitglied, angestellt.
Dass deren Parteien das Heu aber auch bei agrarpolitischen Themen nicht immer auf der gleichen Bühne haben, hat sich schon mehrfach gezeigt. Zum Beispiel beim Schutz der Gewässer vor Pestiziden: Während die Grünen sich für mehr Vorschriften einsetzen, sehen sich SVP-Landwirtinnen und -Landwirte dadurch in ihrer Arbeit eingeschränkt und sprechen sich deshalb dagegen aus.
Möglich, dass mit Claudia Brodbeck eine Politikerin der «Mitte» – deren Motto bekanntlich ist, «die Schweiz zusammenzuhalten» – links und rechts bei solchen Fragen künftig einigen kann. Es sei sicherlich ein Vorteil, dass es nun in verschiedenen Fraktionen Personen aus der Landwirtschaft hat, sagt sie dazu. Und ja, sie werde versuchen, bei agrarpolitischen Themen «alle ins Boot zu holen» – auch wenn das nicht immer gelingen werde. Helfen könnte ihr dabei ihre Erfahrung: Von 2018 bis 2019 gehörte Claudia Brodbeck (damals CVP) bereits einmal dem Landrat an, nachdem sie für Parteikollegin Christine Gorrengourt nachgerückt war.