AUSGEFRAGT | CHRISTIAN SCHIESS, SCHULLEITER REGIONALE MUSIKSCHULE SISSACH
07.07.2023 Gesellschaft«Ich konnte viele tolle Beziehungen aufbauen»
Während 21 Jahren war Christian Schiess Schulleiter der Regionalen Musikschule Sissach (RMS). Mit 64 Jahren geht er zwar verfrüht in Pension, denkt aber sehr positiv an diese Zeit ...
«Ich konnte viele tolle Beziehungen aufbauen»
Während 21 Jahren war Christian Schiess Schulleiter der Regionalen Musikschule Sissach (RMS). Mit 64 Jahren geht er zwar verfrüht in Pension, denkt aber sehr positiv an diese Zeit zurück.
Melanie Frei
Herr Schiess, wenn Sie an die Anfänge Ihrer Arbeit als Schulleiter der RMS zurückdenken, was ist Ihnen speziell in Erinnerung geblieben?
Christian Schiess: Was die Musikschulen betrifft, war das Baselbiet ein Pionierkanton. Die Musikschulen haben sich in den 1960er-Jahren im Kanton mehr oder weniger zur gleichen Zeit etabliert, wobei sie sich bald von kleinen Institutionen zu gut besuchten Schulen entwickelten. Im Jahr 2003, als ich neuer Schulleiter war, wurde ein Meilenstein erreicht: Mit der Annahme des neuen Bildungsgesetzes wurden die Musikschulen zu einer anerkannten Schulart. Seit dann haben Schülerinnen und Schüler im Kanton Baselland einen gesetzlichen Anspruch auf Musikunterricht. Speziell in Sissach war, dass für die Musikschule eine neue juristische Form gefunden werden musste. Die RMS konstituierte sich als öffentlich-rechtlicher Zweckverband und war nicht mehr eine Gemeindeschule der Kopfgemeinde Sissach. Dies ermöglichte grosse Entscheidungsfreiheit – gleichzeitig musste man aber alles selber in die Hand nehmen.
Sie sprechen davon, Entscheidungen zu treffen und selbst zu handeln – was wäre dazu ein Beispiel?
Ein sehr aktuelles Beispiel ist die kürzlich vollendete Innensanierung unseres Gebäudes. 2010 hatte bereits eine Aussensanierung stattgefunden. Für mich war diese Sanierung ein starkes Bekenntnis der Gemeinde Sissach zur Musikschule: Es stehen nun moderne Räume mit optimalen Unterrichtsbedingungen zur Verfügung. Wir wünschen uns natürlich, dass dieses Haus der Musik eine einladende Ausstrahlung hat und viele junge Menschen verlockt, der Schule beizutreten, was mit Blick auf die rückläufigen Schülerzahlen erfreulich wäre.
Sie sind selbst leidenschaftlicher Musiker – was löst die abnehmende Schülerzahl bei Ihnen aus?
Ich war lange Zeit als Cellist Mitglied der «basel sinfonietta». Mehr als zehn Jahre war ich dort auch im Vorstand tätig, was mich sicher auch auf die Arbeit als Schulleiter vorbereitet hat. In der «sinfonietta» wollten wir damals die etwas verstaubte Form des Sinfoniekonzerts mit neuen Formen und mit viel Kreativität ins 21. Jahrhundert bringen. Das müssen wir nun auch bei den Musikschulen anpacken und neue Wege finden. Es gibt Trends: So spielen zum Beispiel immer weniger Kinder ein Blasinstrument. Der gesellschaftliche Wandel ist hier spürbar: Die Kurzlebigkeit macht es für junge Menschen schwieriger, ein lang andauerndes Abenteuer einzugehen und ein Instrument zu erlernen. In gewisser Hinsicht könnte einen das schon etwas schwermütig machen, doch ich weiss, dass sich die Musikschulen diesen Herausforderungen stellen müssen. Gewisse Anpassungen sind nötig.
Wie sehen diese Anpassungen aus?
Es ist nun an meinem Nachfolgeteam, diese Aufgaben in Angriff zu nehmen, wenn ich Ende Monat verfrüht in Pension gehe (lacht). Es handelt sich um Christian Berger, Céline Shuler und Julia Kaufmann – alle drei sind bereits an unserer Schule tätig und sie kennen den Betrieb. Sicher werden sie gewisse Entwicklungen der vergangenen Jahre weiterverfolgen. Beispielsweise wollte die Schule in den Sozialen Medien präsenter werden und im Unterricht werden digitale Unterrichtsmittel einen grösseren Stellenwert erhalten. Angesichts der rückläufigen Schülerzahl haben wir in den vergangenen Jahren ein Einsteigerangebot entwickelt: den Instrumentenvorkurs, den Singkreis oder den Instrumentenkreisel. Letzterer verfolgt das Konzept, bei dem Lehrpersonen den Kindern über ein halbes Jahr ihre Instrumente vorstellen. Sicher wird das neue Leitungsteam auch versuchen, Jugendliche bei ihren eigenen Musikvorlieben abzuholen. Vielleicht ist das dann ein DJ-Kurs – oder das «Producing» am Computer, was ja heutzutage unglaublich angesagt ist.
Was bedeutet die RMS für Sie?
In den vergangenen 21 Jahren habe ich erlebt, wie wertvoll es ist, Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen. Ich schätze es sehr, mit so vielen tollen Menschen zusammenarbeiten zu können: Mit motivierten Musiklehrerinnen und Musiklehrern, die mit ihrer Energie und Leidenschaft die Kinder begeistern. Mit Eltern, die ihre Kinder unterstützen und auch ein grosses Vertrauen in unsere Schule setzen. Mit Behörden, die eine grossartige Institution unterstützen – das ist in keinerlei Hinsicht selbstverständlich und ich schätzte das sehr. Das grösste Highlight für mich war es aber zu sehen, wie Schülerinnen und Schüler sich entwickeln. Um ihr Talent zu präsentieren, war es mir immer wichtig, die Möglichkeit für Auftritte zu schaffen, ganz aktuell durch die Zusammenarbeit mit «Jazz uf em Strich» in der vergangenen Woche. Man kommt zusammen und macht Musik, drückt sich künstlerisch aus und darf – allem voran – mit dem Publikum eine tiefe Leidenschaft teilen.
Und jetzt?
Ich bin da sehr offen. Ich habe kein Herzensprojekt, dem ich mich nun widmen möchte. Vor zwei Jahren habe ich für mich die Entscheidung gefällt, dass nun die Zeit gekommen ist, «Adieu» zu sagen. Ich denke, ich war mein Leben lang ein Mensch, der immer bereits während der Phasen des Lebens gemerkt hat, wann eine solche langsam dem Ende zu geht und ich mich nach etwas Neuem umsehen sollte. Das stelle ich nun fest – es ist der perfekte Moment; nicht nur für mich, auch für die Institution. Daher bin ich überzeugt, dass ich in meiner nächsten beruflichen Aufgabe ebenfalls den richtigen Weg beschreiten werde. Wo mich dieser hinführt, weiss ich zwar nicht, aber ich bin sehr gespannt.