Rede von Selenski
27.06.2023 GesellschaftSVP hat Anstandsregeln vermissen lassen
Am Donnerstag hat der ukrainische Präsident die Gelegenheit erhalten, seine Anliegen gegenüber der Schweiz, in Form einer Video-Botschaft, darzulegen. Das Parlament nahm seine Botschaft entgegen und bedankte sich ...
SVP hat Anstandsregeln vermissen lassen
Am Donnerstag hat der ukrainische Präsident die Gelegenheit erhalten, seine Anliegen gegenüber der Schweiz, in Form einer Video-Botschaft, darzulegen. Das Parlament nahm seine Botschaft entgegen und bedankte sich für die Gastrede. Auffällig viele Stühle der SVP blieben leer, was mich befremdet hat, denn gegenüber Gästen kann dieses Verhalten grundsätzlich nicht gebilligt werden. Wer die Neutralität so stark ins Zentrum rückt, müsste eigentlich wissen, dass zu diesem neutralen Verhalten auch Anstandsregeln gehören, die ich in diesem Fall vermisst habe.
Für mich zeigt sich einmal mehr, wie populistisch die SVP wieder unterwegs ist – warum wohl? Fehlen ihr die Argumente zu den aktuellen politischen Fragestellungen, dass sie die Regeln des «Knigge» verlassen muss und durch Abwesenheit ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkt? Es ist schon bedenklich und zeugt von wenig Eigenverantwortung, wenn auf der einen Seite das Bewahren im Zentrum steht und auf der anderen Seite gegenüber Gästen derart Obstruktion betrieben wird.
Die SVP geht damit erneut einen Weg, einen Irrweg – denn die Welt um uns herum wandelt sich stetig. Meiner Ansicht nach sind wir zwar gut beraten, unsere Werte zu schützen, sich zu isolieren wäre jedoch fatal. Vielleicht haben einzelne Exponenten der SVP noch nicht begriffen, dass wir schon lange im Glashaus sitzen und unser Handeln weltweit verfolgt wird. Es muss deshalb im Interesse unseres Landes liegen, den Problemkreisen mit Offenheit zu begegnen und unsere Positionen zu überdenken, auch wenn dabei sensible Themen, wie die Neutralität, zur Debatte stehen.
Der brutale Krieg, der vom Kreml inszeniert wurde, bedroht mittelfristig auch unsere Existenz. Putin ist bereit, für seinen Irrsinn die Ausweitung des Konflikts und einen Flächenbrand in Kauf zu nehmen. Selenski bittet die Schweiz abschliessend um einen Beitrag zur Beendigung des Kriegs.
Hierzu sind wir aufgerufen, was uns aber nicht hindern sollte, Kriegsverbrechen und Verletzungen der Genfer Konventionen auf beiden Seiten anzuprangern. Nur so ist die Schweiz glaubhaft und kann sie ihre Neutralität grundsätzlich bewahren – auch wenn deren Bedeutung vom Weltgeschehen beeinflusst wird.
Rolf Senn, Liestal