Künstliche Intelligenz und Schule – passt das?
27.06.2023 BaselbietWas Schülerschaft und Lehrkörper in Zukunft beachten sollten
Wenn Suchmaschinen Ergebnisse liefern, Sprachassistenten Musikwünsche erfüllen oder Navigationssysteme im Strassenverkehr helfen, steht meist eine Künstliche Intelligenz (KI) dahinter. Der Chatbot ChatGPT, ...
Was Schülerschaft und Lehrkörper in Zukunft beachten sollten
Wenn Suchmaschinen Ergebnisse liefern, Sprachassistenten Musikwünsche erfüllen oder Navigationssysteme im Strassenverkehr helfen, steht meist eine Künstliche Intelligenz (KI) dahinter. Der Chatbot ChatGPT, der mittels KI Fragen beantworten kann, nimmt zunehmend Einzug in den Schulalltag.
Peter C. Müller
Das Computerprogramm ChatGPT von OpenAI ist ein Chatbot, der in der Lage ist, mittels Künstlicher Intelligenz (KI) menschliche Antworten auf Fragen aller Art zu liefern. Das können sich auch Jugendliche in der Schule zunutze machen. «Schreib mir einen Aufsatz in der Ich-Form zum Thema Strassenverkehr und Umwelt, Aris!», «Erkläre mir das Verdauungssystem der Kühe» oder «Was ist die Lösung von 3467 mal 456 minus 213?»
Das sind nur einige, eher einfache Beispiele für die Verwendung des Chatbots im Schulalltag. ChatGPT kann man in unterschiedlichen Sprachen, meist auf Deutsch oder Englisch, einsetzen und es imitiert den Schreibstil der Benutzerinnen und Benutzer, wodurch eine glaubwürdige und natürliche Interaktion ermöglicht wird.
Wo bleibt da die Motivation?
Doch ist ein Chatbot als Helfer bei schulischen Fragen erlaubt oder zu empfehlen? Eine zentrale Frage ist wohl, wie stark sich solche Chatbots auf die Motivation der Schülerschaft, Aufgaben selbstständig zu lösen, auswirken. Immer wieder wird davor gewarnt, die von ChatGPT generierten Texte ohne weitere Überarbeitung im Schul- oder Universitätsalltag zu nutzen.
Denn nicht immer sind sie fehlerfrei oder richtig. So kann es auch vorkommen, dass Fakten durcheinandergebracht oder Quellenangaben sogar erfunden werden, um einen Text plausibel klingen zu lassen. Zusätzlich ist die Datengrundlage der aktuellen Version auf Ergebnisse bis zum Jahr 2021 beschränkt. Aktuellere Informationen kann der Bot daher nicht ausgeben.
«Sich Texte zu strukturieren, komplexe Sachverhalte zu erklären oder komplexe Mathematikaufgaben aufzudröseln, kann durchaus sinnvoll sein», meint ein anonym sein wollender Sekundarlehrer aus Sissach zur «Volksstimme». Doch ein Bot könne niemals gänzlich die menschliche Denkleistung ersetzen, resümiert er.
Wie von Menschenhand
ChatGPT sei «gut geeignet, um sich weitverbreitetes Wissen anzueignen», sagt eine Lehrerin aus Gelterkinden. Bei spezifischen Fragen gebe es aber oftmals fehlerhafte Antworten. Die Herausforderung dabei: Der Chatbot ist so programmiert, dass seine Antworten möglichst menschenähnlich klingen. Dadurch wirken diese oft glaubwürdiger als die Ergebnisse einer Google-Suche – selbst wenn zum Beispiel Quellen erfunden sind.
Das könne es für Lehrende wie auch die Schülerschaft in Zukunft noch schwerer machen, gefundene Informationen zu bewerten und im Unterricht Quellenkritik zu üben. «Daher wird es künftig noch wichtiger, mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen, wie man Inhalte mit anderen Quellen abgleichen kann», sagt die Lehrerin aus Gelterkinden. «Wichtig ist es aber auch, Quellen auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen und Falschmeldungen zu erkennen.»
«Viele Schüler nutzen ChatGPT»
Was wohl ebenfalls zunehmend relevant werde: Den Schwerpunkt auf die Diskussion und die Auseinandersetzung mit Inhalten zu legen, anstatt Wissen zu prüfen, das mittels Chatbots oder anderer elektronischer Medien leicht im Internet gefunden werden kann. Es sei bekannt, dass viele Schülerinnen und Schüler ChatGPT nutzen und es würden wohl weitere ähnliche Tools entwickelt.
«Das ist typisch für unsere Zeit», meint die Lehrerin. «Es empfiehlt sich deshalb, sich mit den Chancen und Risiken dieser Programme auseinanderzusetzen.» Ein «grundsätzliches Verbot der Programme» sei wenig sinnvoll, da es die Möglichkeit «zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema» verhindere.
«Es gibt Programme, die KI-generierte Texte erkennen können, aber auch diese können ausgetrickst werden.» Es sei deshalb wichtig, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeiten und Grenzen dieser Anwendungen zu entdecken und Regeln zum Umgang mit gefundenen Informationen und zur Integration solcher Programme in den Schulalltag gemeinsam zu erarbeiten.
Eine Broschüre der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) meint als Fazit: «Chatbots können in der Schule kaum verboten oder ignoriert werden, da sie laut Experten in Zukunft vermehrt in die Programme oder Webbrowser eingebaut werden. Als Inspirationsquelle oder Einstieg in ein Thema sind sie aber nützlich. Vertiefte Informationen und Quellen müssen jedoch überprüft werden. Es kann eine Unterstützung für die Unterrichtsvorbereitung sein, da es Themenvorschläge, Lernmethoden oder Unterrichtsabläufe erstellt. Diese können mit etwas Überarbeitung im Unterricht eingesetzt werden.»
Im Unterricht, so die BKSD, sollte verstärkt Wert auf die «Vermittlung von Medien- und Informationskompetenzen» gelegt werden. Schülerinnen und Schüler sollten darauf aufmerksam gemacht werden, was die Vor- oder Nachteile von Chatbots sind. Besonders wichtig sei die Fähigkeit, korrekt zu recherchieren, damit die Schülerinnen und Schüler in der Lage seien, Falschinformationen zu erkennen und die Quellen zu überprüfen.
«Es besteht die Notwendigkeit», so der Kanton, «das Konzept schriftlicher Arbeiten zu überdenken, um Lehrpersonen eine Möglichkeit zur Überprüfung der Selbstständigkeit der Arbeiten zu bieten.» Es könnten zum Beispiel neue Kriterien eingeführt werden, zum Beispiel solche zur Überprüfung des Arbeitsprozesses oder die Einbindung mündlicher Prüfungen.