Ein Schlachthof für die ganze Region
20.06.2023 BaselbietArlesheim/Füllinsdorf | «Metzgerhuus Stadt & Land» neben Kläranlage geplant
Ein regionales Schlachthaus steht vor seiner Verwirklichung. Die Planung befindet sich im Endstadium, Ende Jahr soll der Bau starten. Es ist das Flaggschiff des ...
Arlesheim/Füllinsdorf | «Metzgerhuus Stadt & Land» neben Kläranlage geplant
Ein regionales Schlachthaus steht vor seiner Verwirklichung. Die Planung befindet sich im Endstadium, Ende Jahr soll der Bau starten. Es ist das Flaggschiff des Förderprogramms für regionale Entwicklung «Genuss aus Stadt und Land» von Bund und Kantonen.
Christian Horisberger
Nach einigen Holperern ist der Regio-Schlachthof, der allen Metzgern und Bauern in den beiden Basel und Umgebung offen stehen soll, in der Spur. Die «Volksstimme» hat seit 2019 mehrfach über das Vorhaben berichtet. Wie der Kanton kürzlich mitteilte, ist das grösste Teilprojekt des Förderprogramms «Genuss aus Stadt und Land» offiziell gestartet. Das heisst, dass der Bund und die beiden Basel das Vorhaben mit öffentlichen Geldern definitiv unterstützen werden.
Entstehen soll das «Metzgerhuus Stadt & Land» auf einem 1600 Quadratmeter grossen Grundstück an der Wölferstrasse in Füllinsdorf. Das ist gegenüber der Ara Ergolz 1 und nur einen Katzensprung von der A22 und der A2 entfernt. Der Standort sei ideal: Er befinde sich weit entfernt von Wohngebieten, nahe an den Hauptverkehrsachsen und «genau in der Mitte des Baselbiets», sagt der Arlesheimer Metzger Christoph Jenzer, als er und sein Sohn Raffael der «Volksstimme» das Projekt vorstellen. Die Jenzers haben das ursprünglich vom Nusshöfer Metzger Peter Andrist lancierte Vorhaben weiterentwickelt, es bei den Berufskollegen beworben, mit dem Kanton verhandelt und schliesslich auch den Metzgermeisterverband an Bord geholt.
Schlachten, zerlegen, verkaufen
Das Betriebsgebäude mit einer Grundfläche von rund 70 mal 10 Metern wird über zwei Geschosse verfügen. Im Erdgeschoss befinden sich der 200 Quadratmeter grosse Schlachtbereich (hier finden das Betäuben, Entbluten, Häuten, das Entfernen von Kopf und Innereien sowie das Halbieren der Schlachtkörper statt), eine Metzgerei (Zerlegung) mit drei Kühlräumen auf 500 Quadratmetern sowie ein kleinerer Verkaufsladen mit Produkten von Bauern und Metzgern aus dem Baselbiet. Im Obergeschoss sind neben der Haustechnik Personalräume, das Büro, ein «Metzgerstübli» für Versammlungen – unter anderem für Verbandssitzungen oder Teilnehmende von Betriebsführungen – vorgesehen. Das Dach und die Fassade des Gebäudes werden weitestmöglich mit Solarpanels zur Gewinnung von Strom ausgerüstet. Es sei das Ziel, möglichst viel des benötigten Stroms selber zu produzieren, so Christoph Jenzer.
Die Schlachtkapazität des « Metzgerhuus Stadt & Land» ist auf die Menge Rinder, Kälber, Schweine und Lämmer von Privatmetzgern und Bauern in Baselland, Basel-Stadt, im Schwarzbubenland und im Fricktal ausgelegt. Für die Betriebsaufnahme, die bestenfalls Ende dieses Jahres erfolgen soll, gehen die Verantwortlichen von durchschnittlich 20 Rindern, 20 Kälbern und 60 Schweinen pro Woche aus. Dann bestehe noch immer eine Kapazitätsreserve von 50 Prozent, sagt Raffael Jenzer. Zum Vergleich: Auch bei voller Auslastung sei das «Metzgerhuus» 50-mal kleiner als ein industrieller Schlachtbetrieb.
Die meisten hiesigen Metzger, die noch selber schlachten, dürften mit dem Start des Regio-«Metzgerhuus» ihre oftmals erneuerungsbedürftigen und in der Ortsmitte liegenden Schlachtlokale schliessen, sagt Christoph Jenzer. Auch dürften sich manche Metzger und Bauern, die ihre Rinder aktuell von Bell in Oensingen schlachten lassen, in Zukunft für Füllinsdorf entscheiden – so auch er. Denn das bedeute weniger Transportstress für die Tiere. Die Metzgerei Jenzer überlässt das Schlachten ihrer Rinder seit rund 10 Jahren Bell ins Oensingen. Damals hatte Bell den Schlachthof Basel von einem gemischten zu einem reinen Schweineschlachtbetrieb umgestellt.
Das «Schlachthuus» sei auch ganz auf der Linie der Konsumierenden, ist der Metzgermeister überzeugt. Die Fleischkonsumenten würden immer sensibler, Tierwohl und Regionalität – «im Baselbiet geboren, gestorben und gegessen» – würden immer stärker gewichtet. Das «Metzgerhuus» sei ein «Gamechanger», sagt Jenzer: «ein visionäres Projekt für die nächste Privatmetzger-Generation». Dank der Unterstützung als PRE-Projekt sei diese grosse Investition überhaupt möglich.
15 Metzger erforderlich
Um die angepeilte Anzahl Tiere zu schlachten und sie nach Wunsch der Auftraggeber zu zerlegen, werden 15 Metzger benötigt. Beim Personal wird es sich um die Crew von Peter Andrist handeln, die noch etwas aufgestockt werden müsse, wie Jenzer weiter ausführt. Andrist ist ebenfalls einer der Aktionäre der «Metzgerhuus Stadt & Land AG». Aktien gekauft haben ferner die Metzgereien Zimmermann (Gelterkinden, Liestal, Zunzgen), Henz (Laufen, Riehen), Schaad (Flüh, Aesch) sowie der Metzgermeisterverband beider Basel. Damit ist auch klar, dass der Verband hinter dem Vorhaben steht und der Zugang zu den Dienstleistungen des Schlachthofs für alle Betriebe gewährleistet ist. Die Aktienmehrheit liegt bei der Metzgerei Jenzer, da sie auch rund die Hälfte der Verarbeitungsmenge bringt.
Im Spätsommer soll das Baugesuch für den Schlachthof eingereicht werden, Ende Jahr hofft man auf die Baubewilligung. Die Bauzeit beträgt gemäss Jenzer rund ein Jahr. Die Gesamtkosten inklusive Landerwerb und Mehrwertsteuer belaufen sich nach aktuellem Planungsstand auf 10,9 Millionen Franken. Der Bund steuert gemäss Johanna Gysin, Geschäftsführerin des Vereins «Genuss aus Stadt und Land», 1,5 Millionen Franken bei, die beiden Basel weitere 1,2 Millionen. Damit ist es das mit Abstand am stärksten unterstützte PRE-Teilprojekt und zugleich dessen Flaggschiff. Denn es entspricht in höchstem Mass dem PRE-Ziel, die Wertschöpfung der Landwirtschaft in der Region zu erhöhen.
Weitere neu vom PRE «Genuss aus Stadt und Land» unterstützte Projekte
Mosterei Untere Wanne: Der Betrieb Untere Wanne hat sich auf die Produktion von sortenreinem Most spezialisiert. Nach der Pflanzung neuer Bäume steigt nun der Ertrag und die alte Mosterei kommt an ihre Kapazitätsgrenzen. Mit dem Projekt wird der Betrieb dabei unterstützt, eine neue Mosterei zu beschaffen. Die Investition beträgt 88 000 Franken, der Beitrag von Bund und Kantonen 40 000 Franken.
Brennerei Nebiker: Nach bald 40 Jahren Betriebsdauer muss die gesamte Brennerei-Infrastruktur saniert oder ausgewechselt werden. Ziel ist es, mit der Sanierung eine neue, nachhaltigere Produktion zu schaffen. Die Kosten der Investition belaufen sich auf rund 187 000 Franken, Bund und Kantone steuern 70 000 Franken bei.
Raurica GmbH: Das Teilprojekt umfasst die Anschaffung einer Infrastruktur für die Whisky-Herstellung und Herstellung von eigenen Produkten aus lokalem Getreide und Obst sowie Lohnbrand für Whisky, Wodka oder Rum. Die Raurica GmbH arbeitet eng mit der Nebiker AG zusammen. Die ansonsten saisonal genutzte Brennerei-Infrastruktur soll dadurch besser ausgelastet werden. Die Anschaffungen belaufen sich auf 60 000 Franken, Bund und Kantone tragen 22 000 Franken. vs.