Auf einem Rundgang durch Liestal wird die lokale Care-Arbeit thematisiert

«Von fleissigen Hausmännern und fachkundigen Hebammen. Ein Spaziergang zur Geschichte der Sorge-Arbeit im Baselbiet» heisst ein neues Angebot des Vereins Frauenstadtrundgang Basel, das zusammen mit der Gruppe 14. Juni in Liestal entwickelt wurde.

Andrea Masek

Wer oder was sind «Schrankkinder»? Die Antwort darauf liefert ein neuer Rundgang durch die Baselbieter Kantonshauptstadt. Thema ist die Care-Arbeit. Beinahe 20 Prozent aller in der Schweiz geleisteten Arbeit sind Care-Arbeit, hält das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann fest. Vier Fünftel davon würden unbezahlt geleistet. Die Nachteile träfen vor allem Frauen, da sie einen Grossteil dieser Care-Arbeit leisteten.

Der Verein Frauenstadtrundgang Basel hat dieses Thema schon länger in einen Spaziergang durch die Stadt umgesetzt. Die Gruppe 14. Juni, ein Zusammenschluss von Frauenorganisationen aus dem Baselbiet, wurde darauf aufmerksam, fand dies eine gute Idee auch fürs Land und nahm Kontakt auf zum Basler Verein. Hier stiess sie auf offene Ohren: «Wir fanden das super, weil auf dem Land vieles brachliegt bezüglich der Aufarbeitung von Geschlechterthemen», sagt Sophie Bürgi, die den Rundgang leiten wird.

Während gut eines Jahres arbeiteten die beiden Organisationen den Spaziergang aus. Bürgi: «Wir überlegten uns zuerst, welche Geschichten wir erzählen möchten und welche sich zum Erzählen eignen.» Sie entschieden sich etwa für das Thema Kinderbetreuung, weil es viele betrifft. Und in diesem Zusammenhang auch für das Thema Migration: In Gastarbeiterfamilien mussten beide Elternteile arbeiten. Was hiess das für die Kinder?

Liestal mit vielen Geschichten
Neben den Themen mussten die Stationen bestimmt werden. Es sollten anfänglich mehrere Orte im Kanton abgedeckt werden, doch man einigte sich auf Liestal. Der Kantonshauptort ist zentral. Hier befinden sich das Kantonsspital und die Psychiatrie Baselland. «Und hier gibt es viele Geschichten», sagt Bürgi. Trotzdem wird auf dem Spaziergang auch auf andere Orte im Baselbiet verwiesen, so kommt zum Beispiel einer Ärztin aus Sissach eine spezielle Rolle zu.

Die Recherchearbeiten fanden mehrheitlich im Baselbieter Staatsarchiv statt. Sophie Bürgi berichtet, dass sie dort spezielle Dokumente – zum Beispiel eine uralte Verordnung für Hebammen –, aber auch gute Bilder fanden. Sie führten zudem viele Gespräche, weil einige Themen dokumentarisch nicht aufgearbeitet sind. Sie selber habe mit der Tochter einer italienischen Gastarbeiterfamilie geredet, ihre Kollegin unterhielt sich mit Hausmännern aus den 1980er-Jahren.

Die Organisatorinnen stiessen also auf überraschende Dinge, und die Teilnehmenden des Care-Spaziergangs dürften dementsprechend auch viel Neues über die lokale Geschichte erfahren. Sie erhalten Antworten auf Fragen wie: Warum waren Baselbieter Frauenvereine so wichtig für die Krankenpflege zu Hause? Oder: Was erwartete Personen, die ins Liestaler «Siechenhaus» kamen?

Care-Arbeit betrifft alle
Der Spaziergang folgt der Geschichte von pflegenden Diakonissen, fürsorglichen Hausmännern und Hebammen auf dem Land. Und endet in der Gegenwart. Wie die Organisatorinnen in einer Medienmitteilung zum Frauenstadtrundgang in Liestal festhalten, bleibt die Sorge um sich und andere bis heute oft unsichtbar und wenig wertgeschätzt. Was erstaune, denn von Care-Arbeit profitierten wir alle. Für Bürgi war es unglaublich, festzustellen, wie lange die Anerkennung schon fehlt. «Der Umgang mit psychisch Kranken etwa ist seit dem Mittelalter ein schwieriges Thema. Damals fehlte es an Finanzen, Räumlichkeiten und Personal. Bis heute aber haben Gesellschaft und Politik nie genau hingeschaut.» Immerhin hätten die Corona-Pandemie-Jahre die Care-Arbeit neu zum Thema gemacht. Der Zeitpunkt für das neue Angebot der beiden Organisationen ist deshalb geradezu ideal. Bürgi meint: «Es ist ein Thema, das uns alle angeht. Wir leisten diese Arbeit. Wir finden durch den Rundgang vielleicht auch zu einem guten Umgang damit für uns selber.»

Drei Mal wird der Spaziergang in Liestal angeboten, der jeweils an der Rheinstrasse 43, der ehemaligen «Pfrund» beginnt. Von da aus geht es unter anderem zum Kantonsspital, zur Spitex und zu einer Kinderkrippe im «Stedtli».

Die Rundgänge finden an folgenden Daten statt: Sonntag, 16. April, Sonntag, 30. Juli, und Samstag, 7. Oktober, jeweils um 14 Uhr. Tickets kosten 20 oder 15 Franken. Der Spaziergang kann auch für private Gruppen gebucht werden.

Wie lebte es sich im Siechenhaus?

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