Von Geschichten, die faszinieren
21.04.2023 Bezirk Liestal, LupsingenPeter Graf liest im «Poete-Näscht» im Dichter- und Stadtmuseum
Der Psychiater Peter Graf aus Lupsingen ist ein Bücherliebhaber par excellence. Er besitzt etwa 100 000 Bücher. Kaufen kann man sie im «Poete-Näscht» in Liestal. Die «Volksstimme» traf ihn zu einer Lesung in ...
Peter Graf liest im «Poete-Näscht» im Dichter- und Stadtmuseum
Der Psychiater Peter Graf aus Lupsingen ist ein Bücherliebhaber par excellence. Er besitzt etwa 100 000 Bücher. Kaufen kann man sie im «Poete-Näscht» in Liestal. Die «Volksstimme» traf ihn zu einer Lesung in Liestal.
Peter C. Müller
Einmal liest er im Birsfelder Museum, ein anderes Mal – etwas passender – im Dichter- und Stadtmuseum in Liestal (Distl): Peter Graf, der Psychiater, Antiquar und Schreiber von Geschichten. In Liestal waren es seine Eisenbahngeschichten, die er zum Besten gab. Die Reisen beginnen hier wie vorgesehen am Bahnhof Liestal. Der Zug fährt fahrplanmässig ab. Doch dann: Ein unvorhergesehenes Ereignis, eine Begegnung – und die Fahrten führen ins Unbekannte. Mal zum Fürchten, oft zum Schmunzeln, aber immer zum Zurücklehnen und Geniessen.
In der Kantonshauptstadt handelten seine Erzählungen vom Abreisen, Unterwegssein und Ankommen. Insgesamt waren es knapp ein halbes Dutzend Geschichten, die Graf innerhalb von 90 Minuten zum Besten gab. Das zahlreiche, meist ältere Publikum – darunter viele eingefleischte Fans oder gute Bekannte – höchst gespannt auf den mit der Zeit etwas unbequemen Holzstühlen sitzend.
«Wir fahren noch nicht gleich los. Wir bleiben noch etwas am Bahnhof», beschwichtigt Graf seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu Beginn mit einem Schmunzeln und erzählt als Erstes gleich eine Kurzgeschichte über «Ihre Majestät, die Bahnhofsuhr».
Packend oder zum Schmunzeln
Es folgt eine weitere, kürzere Geschichte über einen kleinen Jungen, der von Afrika und seinen Zukunftsplänen als Bahnhofsvorstand träumt.
Dann liest Graf die höchst packende, aber manchmal auch zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln anregende Geschichte einer Reise quer durch Italien vor: Sie startet in Rom und endet in der Schweiz. Zudem handelt sie von einer ziemlich speziellen Reisegruppe, die sich in einem ungenügend beheizten Zugsabteil zusammenfindet. Im Wesentlichen besteht sie aus einem jungen Mann mit struppigen Haaren, seiner 35-jährigen Sitznachbarin, einem 16-jährigen Mädchen sowie weiteren Passagieren wie einem Geistlichen mit Buch auf dem Schoss oder einem Mann, so um die 50.
Liebevoll und detailreich
Die Lesung vervollständigen eine nur wenige Minuten lange Kurzgeschichte und die Erzählung über die Gespräche eines neugierigen Jungen mit seinem Vater. Folgerichtig heisst die Geschichte «Warum», denn immer wieder fragt das Kind seinen Erzieher die sprichwörtlichen Löcher in den Bauch: Warum können wir nicht noch etwas länger in diesem schnellen Zug fahren? Gibt es nur Papi-Züge oder auch Mami-Züge?
Peter Graf erzählt seine Geschichten liebevoll und mit vielen Details ausgeschmückt. Das Publikum ist in Höchstspannung, hört nur das Schlagen der nahen Kirchturmuhr, den eigenen Herzrhythmus oder das Knarren der Stühle. Der Lupsinger begeistert mit immer neuen Wendungen in den Handlungen, den gekonnt geschilderten Charakteren und den vielen Details oder ausgefallenen Wortschöpfungen. So ist zum Beispiel von «Kniebekanntschaften» oder «Morpheus’ sanften Aerosolen» die Rede. Im Kreis der Zuhörerinnen und Zuhörer entsteht so immer wieder ein kleiner Film im Kopf. Kopfkino vom Feinsten gewissermassen – packend und faszinierend zugleich.
NACHGEFRAGT | PETER GRAF,PSYCHIATER UND BÜCHERWURM
«Ohne Ordnung wäre alles eine Katastrophe»
Herr Graf, erst gerade war Ostern. Gibt es bekannte Hasenfiguren oder spannende Bücher über die Tiere mit den oft langen Ohren – speziell für Kinder? Peter Graf: Die gibt es in der Tat! Ich denke da an die Fabel von Meister Lampe, an das Märchen «Der Hase und der Igel» der Gebrüder Grimm oder an das englische «The Tale of Benjamin Bunny» von Beatrix Potter. Alles sehr lesenswerte Bücher – vor allem für Kinder!
Sie gelten als «Herr über 100 000 Bücher». Wie ist es da möglich, den Überblick über alles zu behalten?
Wir sind in der Tat ein aufgeräumtes Antiquariat und eine gut sortierte Buchhandlung. Vieles passiert hier noch vor Ort und nicht am Computer. Elektronisch sind nur etwa 7000 Bücher erfasst. Aber alles ist eben geordnet: In Lupsingen haben wir etwa 75 000 Bücher, in Liestal etwa 20 000 bis 25 000. Macht so um die 100 000. Ohne Ordnung wäre
Haben Sie jemals Zettelkästen gebraucht? Oder wie haben Sie in Ihrem Bücherreich den Überblick?
Nein, wir sind hier eben gut sortiert und haben eigentlich fast immer den Überblick
Was halten Sie von E-Books, von elektronischen Büchern auf dem Tablet?
Keine schlechte Erfindung, aber ihre Nachfrage ist aktuell wieder gesunken. Viele Leute lieben es eben, ein Buch in der Hand, etwas zum Anfassen vor sich zu haben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Buches?
Das Buch wird auch weiterhin seinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Sicherlich hat sein Stellenwert in den vergangenen 30 Jahren etwas abgenommen – auch als Lehrmittel. Bücher sind eben zu Nischenprodukten geworden, aber sie werden sicherlich auch in Zukunft gekauft. Und wer weiss, vielleicht gibt es wieder einmal eine Gegenbewegung!
Jetzt, wo das «Poete-Näscht» eine Genossenschaft ist, kann ich ins zweite Glied zurücktreten und mich anderem widmen. Ich würde gerne weiterhin schreiben und habe auch schon konkrete Projekte, die ich einem Verlag in meiner Nähe anbieten möchte oder die bald spruchreif sind.
Ist Schreiben harte Arbeit oder macht es auch Spass?
Es ist sicherlich beides, aber macht mehrheitlich doch sehr grossen Spass!
Interview Peter C. Müller
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