Hotspot seltener Tiere
18.04.2023 Bezirk Waldenburg, ZiefenEin Rothirsch, ein Biber und ein Iltis tappen fast gleichzeitig in Fotofallen
Vor allem das Auftauchen eines Bibers überrascht. Denn er erkundet in der Regel neue Gebiete am liebsten schwimmend, was auf den zehn Kilometern von der Ergolz nach Ziefen wegen des geringen Wasserstands der ...
Ein Rothirsch, ein Biber und ein Iltis tappen fast gleichzeitig in Fotofallen
Vor allem das Auftauchen eines Bibers überrascht. Denn er erkundet in der Regel neue Gebiete am liebsten schwimmend, was auf den zehn Kilometern von der Ergolz nach Ziefen wegen des geringen Wasserstands der Hinteren Frenke kaum möglich ist.
Andreas Hirsbrunner
In Ziefen sind sich in den vergangenen Wochen zwei Rückkehrer beinahe begegnet, die hier einst heimisch waren, dann aber ausgerottet wurden: ein Rothirsch und ein Biber. Der Hirsch tappte am 2. Februar in eine Fotofalle am Holzenberg, der Biber vor Ostern in eine am Fraumattweiher an der Grenze zu Reigoldswil. Die zeitliche Nähe ist Zufall, das Motiv nicht: Beide seien höchstwahrscheinlich auf der Suche nach neuen Lebensräumen, sagt der kantonale Jagdverwalter Holger Stockhaus.
Woher der Hirsch kam und wohin er weiterging, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurde er seither nicht mehr gesehen und Stockhaus kann nur spekulieren. Die nächsten Rothirsch-Populationen leben im Kanton Jura respektive südlich der A1 in den Kantonen Aargau und Solothurn. Somit sei es dem Hirsch möglicherweise gelungen, den Autobahn-Riegel A1 im Mittelland zu überqueren. Oder er sei auf der bekannten Vernetzungsachse Jura–Grellingen–Himmelried-Holzenberg–Wildenstein–Tenniken unterwegs, sagt Stockhaus. Dort stellt aber ebenfalls die Autobahn ein fast unüberwindbares Hindernis dar, solange die in Planung befindliche Wildtierbrücke nicht gebaut ist. Laut Bundesamt für Strassen (Astra) soll es voraussichtlich 2026 so weit sein.
Region wäre geeignet für Rudel
In den vergangenen Jahren sind mehrere Hirsche im Baselbiet aufgetaucht: Einer vor rund zwei Jahren ebenfalls am Holzenberg, und einer wurde Anfang dieses Jahres überfahren auf der Autobahn bei Giebenach gefunden. Dazu merkt der Jagdverwalter an: «Solange es uns nicht gelingt, einen Hirsch zu besendern, oder kein bereits besendertes Exemplar aus dem Mittelland zu uns kommt, werden wir ihre Wege nie mit Gewissheit kennen.»
Stockhaus hält es für möglich, dass sich im Oberbaselbiet ein kleineres Hirschrudel ansiedelt. Dies aber erst, wenn die Tiere vom Mittelland mittels Wildtierübergängen die A1 überqueren können. Geplant sind insgesamt drei solcher Übergänge: einer im Kanton Aargau im Rahmen des A1-Ausbaus auf sechs Spuren zwischen Aarau Ost und Birrfeld, zwei im Kanton Solothurn, ebenfalls im Rahmen des Sechsspurausbaus zwischen Härkingen und Luterbach. Ersterer startet frühestens 2031, Letzterer voraussichtlich in zwei Jahren, wobei die Bauzeit acht Jahre beträgt und nicht klar ist, wann die Wildtierübergänge – eine 60 Meter breite Brücke bei Oberbuchsiten und eine halb so breite Unterführung bei Wangen an der Aare – fertig sind.
Endstation Reigoldswil
Ganz anders sieht die Situation beim Biber aus. Derzeit leben mehr als 40 Tiere im Kanton, die nächsten zu Ziefen an der Ergolz in Liestal und Lausen. Stockhaus vermutet, dass ein männliches Jungtier aus einer der dortigen Familien auf der Suche nach einem eigenen Revier nun nach Ziefen gelangt ist. Das ist in Anbetracht des tiefen Wasserstands der Hinteren Frenke – Biber schwimmen lieber, als dass sie laufen – schon fast eine kleine Sensation. Dazu Stockhaus: «Der Biber ist immer für eine Überraschung gut. Wir hätten auch nie gedacht, dass er sich in einem Kanal in Lausen ansiedelt.»
Derzeit ist es ihm – gemessen an den vielen Nagespuren am Fraumattweiher – recht wohl. Aber, ob er dort bleibe und auf ein nachziehendes Weibchen warte, sei völlig offen. «Das entscheidet alleine der Biber», so Stockhaus. Viel Ausdehnungspotenzial bachaufwärts hat er allerdings nicht, denn eingangs Reigoldswil werden die Hintere Frenke beziehungsweise ihre Ufer derzeit für ein Jahrhundert-Hochwasser – Spötter reden von einem Jahrtausendereignis – hochgerüstet, wo es kein Durchkommen geben dürfte.
Die grösste Gefahr für den Biber ist der Verkehr; so wurde vor vier Jahren ein Tier, das es die Vordere Frenke bis Niederdorf hinauf geschafft hat, überfahren. Gegen Hunde – die einzige tierische Bedrohung – sei er recht wehrhaft, sagt Stockhaus. Er hält grundsätzlich beide Frenkentäler für geeignete Lebensräume für den Nager.
Die Fotofalle am Fraumattweiher bot übrigens noch ein seltenes tierisches Supplement: Anfang April wurde wurde von der Kamera auch ein Iltis festgehalten. Gesamtschweizerisch figuriert dieser Vertreter aus der Familie der Marder auf der Roten Liste; sein Bestand gilt als «verletzlich». Zur Verbreitung des Iltis im Baselbiet kann Stockhaus nur so viel sagen: «Wir haben kaum Daten darüber. Wir wollen uns künftig aber vermehrt den Kleinsäugern im Kanton widmen, das steht auf unserer Pendenzenliste.»