Ein Leben für den Wein
28.04.2023 Bezirk LiestalThomas Engel herrscht über den Keller der «Siebe Dupf»-AG
Seit gut zehn Jahren ist Thomas Engel (47) verantwortlich für die Kelterung der Baselbieter Weine des Traditionsweinhauses an der Liestaler Kasernenstrasse. An Herausforderungen hat es ihm in dieser Zeit nicht ...
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Seit gut zehn Jahren ist Thomas Engel (47) verantwortlich für die Kelterung der Baselbieter Weine des Traditionsweinhauses an der Liestaler Kasernenstrasse. An Herausforderungen hat es ihm in dieser Zeit nicht gefehlt. Der Frühjahrsfrost ist ebenso zur ständigen Bedrohung geworden wie die Kirschessigfliege.
Thomas Gubler
Fragt man den Kellermeister der «Siebe Dupf»-Kellerei AG nach einer Bilanz seiner inzwischen gut zehnjährigen Tätigkeit beim Liestaler Traditionsunternehmen, dann erklärt er: «Ich staune, dass es schon zehn Jahre sind.» Der Weinjahrgang 2013 war der erste, den er für «Siebe Dupf» in eigener Regie gekeltert hat. Und es wurde, wie er nachträglich erklärt, ein ganz «anständiger Wein», obschon die Bedingungen alles andere als optimal waren; denn 2013 war ein kaltes und nasses Jahr.
Richtig zurücklehnen konnte sich Engel aber auch in den folgenden Jahren nie – auch dann nicht, wenn das Wetter besser war. 2014 tauchte erstmals die Kirschessigfliege (KEF) auf, die seither die Rebleute jedes Jahr in Atem hält, obschon man mittlerweile das eine oder andere Mittel gegen den Schädling gefunden hat. 2017 vernichtete ein katastrophaler Frühjahrsfrost Ende April etwa 80 Prozent der Traubenernte in der Region, womit sich für Thomas Engel und die «Siebe Dupf»- AG die Frage stellte, womit sie in diesem Jahr eigentlich ihre Keller füllen sollten. Ein Teil der Lösung bestand darin, dass man in den Kantonen Neuenburg und Jura Trauben einkaufte und sie auf Baselbieter Art kelterte. Auch das wurden gute Weine. Zudem nutzte Engel im März 2018 die frei gewordene Zeit zu einem einmonatigen Praktikum in Neuseeland und holte sich dort neue Inspirationen.
Im Jahr 2020 war dann der Corona-Lockdown die nächste Überraschung. Der Weinabsatz in der Gastronomie brach zusammen. Ein Aufschwung im Geschäft mit Privatkunden machte indessen einiges wett. Und rückblickend kann Thomas Engel der damaligen Situation sogar etwas Positives abgewinnen. «Ohne Covid hätten wir heute noch weniger Wein, um die Nachfrage zu befriedigen.» Denn auch das ist eine neue Entwicklung: Dank strikten Qualitätsmanagements durch Mengenreduktion ist das Angebot an Baselbieter Weinen nämlich nicht mehr wie früher eher zu gross, sondern mittlerweile zu klein – «auch weil der Nachholbedarf der Gastronomie enorm ist», so Engel. Und als ob dies alles nicht schon mehr als genug wäre, kämpft er gegenwärtig auch noch mit Schwierigkeiten bei der Glas- und Verschlussbeschaffung aufgrund der aktuellen Weltpolitik.
Winzerlehre statt Hotelfachschule
Zum Wein gekommen ist Thomas Engel nicht von heute auf morgen, sondern Schritt für Schritt. Erst absolvierte er in der Sissacher «Sonne» eine Kochlehre. Auf diese folgte eine Service-Lehre auf der «Farnsburg», wo dann der Funke übergesprungen und bei ihm die Leidenschaft für Wein entfacht worden sei. Statt, wie ursprünglich geplant, im Jahr 2000 die Hotelfachschule zu beginnen, entschied er sich dann für eine dritte Berufslehre – als Winzer. Auf ein erstes Jahr im Wallis folgte ein zweites im Tessin, wo er eigentlich auch ganz gerne geblieben wäre. Doch ohne eigenen Rebberg in der Südschweiz sah er dort keine berufliche Perspektive.
Also kehrte Engel in die Heimat zurück und setzte da das Gelernte um – erst auf dem Klushof in Aesch, dann auf dem Weingut Jauslin in Muttenz und seit 2012 bei der Weinkellerei Siebe Dupf AG in Liestal, wo er schnell aus dem Schatten seines Vorgängers Martin Brumec, der nach 30 Jahren als «Siebe Dupf»-Kellermeister in Pension gegangen war, heraustrat.
Wie sehr der Name Thomas Engel inzwischen in der Weinproduktion der Nordwestschweiz zum Begriff geworden ist, zeigt neben einer Fülle anderer Auszeichnungen für die «Siebe Dupf»-Weine die jährliche Kür der Staatsweine des Kantons Baselland und mittlerweile beider Basel. Seit 2016, als die Wahl zum ersten Mal stattfand, kam Thomas Engel sechs Mal mit einem «Siebe Dupf»-Wein zu Staatsweinehren – und zu einem Titel «Baselbieter Wein des Jahres», als im Covid-Jahr 2020 keine Staatswein-Labels vergeben wurden.
300 000 Flaschen Wein im Jahr
Rund 260 Tonnen Trauben von etwa 90 Produzenten verarbeitet Engel mit seinen Mitarbeitern pro Jahr. Daraus machen sie – teilweise auch als Lohnkelterer – gegen 300 000 Flaschen Wein. Kapazitätsmässig besteht kaum mehr Luft nach oben, weil das Weinhaus an seinem Standort platzmässig am Anschlag ist und eine neue Lösung derzeit noch nicht spruchreif ist.
Und wie macht ein guter Kellermeister auch dann einen anständigen Wein, wenn das Traubengut wetterbedingt einmal nicht so optimal ist? Thomas Engel lässt keinen Zweifel daran, dass aus schlechten Trauben kein guter Wein mehr wird. Dass es anderseits aber durchaus möglich ist, aus guten Trauben einen nicht so tollen Wein zu keltern. Dann nämlich, wenn man ihm nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkt. «Wein ist ein bisschen wie ein Baby, nur dass es nicht schreit, wenn es etwas braucht.» Deswegen müsse der Kellermeister den Wein in der entscheidenden Phase – bei der Gärung, wenn er, so Engel, «gemacht wird» – beinahe 24 Stunden am Tag begleiten. In dieser Zeit dürfe man nichts verpassen und müsse stets merken, welche Massnahmen und Schritte angezeigt sind. «Freizeit gibt es da keine», sagt Engel.
Ein Kellermeister müsse daher schon etwas angefressen sein, meint er. Und noch etwas sollte er auch sein: offen für Neues. Manchmal müsse man bisher scheinbar Bewährtes zugunsten von neuen Methoden aufgeben. Denn weder sei eine Situation ein für allemal gegeben, noch sei ein Kellermeister irgendwann «komplett». «Ich werde daher nie an etwas festhalten, nur weil ich es in den vergangenen zehn Jahren immer so gemacht habe.»
Von heute Freitag, 28., bis Sonntag, 30. April, führt die «Siebe Dupf»-Kellerei AG in Liestal ihr Weinfestival durch mit freier Degustation am Freitag von 15.00 bis 20.30 Uhr, am Samstag von 11.00 bis 18.00 Uhr und am Sonntag von 11.00 bis 17.00 Uhr.
Thomas Gubler ist langjähriger Redaktor der Basler Zeitung und freier Mitarbeiter von «Onlinereports».