Widerstand gegen Asylwohnheim
14.03.2023 Baselbiet, Gemeinden, Lausen, Bezirk Liestal, GesellschaftUnterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geplant
Im Dorfkern von Lausen sollen unbegleitete, minderjährige Asylsuchende untergebracht werden. Der Gemeinderat ist besorgt über diese Absicht des Zentrums Erlenhof, weil er den Standort als ungeeignet betrachtet. Im Dorf ...
Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geplant
Im Dorfkern von Lausen sollen unbegleitete, minderjährige Asylsuchende untergebracht werden. Der Gemeinderat ist besorgt über diese Absicht des Zentrums Erlenhof, weil er den Standort als ungeeignet betrachtet. Im Dorf formiert sich Widerstand.
Sander van Riemsdijk
Das Reinacher Sozialdienstleistungszentrum Erlenhof plant in Lausen den Betrieb einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA). Geplant sind ein Heim für Kinder und Jugendliche mit zwölf Plätzen an der Unterdorfstrasse 22 sowie zwei Wohnungen mit weiteren sechs Plätzen im angrenzenden Gebäude für die selbstständigere Form des Betreuten Wohnens. Der «Erlenhof» hat beim Baselbieter Amt für Kind, Jugend, Behindertenangebote (AKJB) ein Betriebsgesuch eingereicht und möchte am 1. Juni dieses Jahres starten. Das Amt hat die Gemeinde Lausen im Januar über das Gesuch zur Anhörung in Kenntnis gesetzt. Momentan wird die Liegenschaft an der Unterdorfstrasse umgebaut und eingerichtet, damit sie am geplanten Eröffnungstag bezugsbereit ist.
Der Gemeinderat ist über die Einrichtung der beiden Wohngruppen nicht sonderlich erfreut. Einerseits werde die Gemeinde mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt, wie Gemeindepräsident Peter Aerni findet. Andererseits ist er der Meinung, dass der Standort der Wohngruppen mit einem grossen Umschwung am geplanten Standort absolut ungeeignet sei: «Er ist mitten im Dorf, gegenüber der Schule und dazu in der Nähe des Wohnheims ‹Räbhof› für geistig Behinderte.» Der Gemeinderat befürchte, dass ein fehlendes Verständnis zwischen den beiden Gruppen – Behinderte und Asylbewerber – zu Schwierigkeiten führen könnte. «Wir wollen niemanden diskriminieren», betont Aerni, «aber unsere Haltung zum geplanten Wohnheim ist eine mit gemischten Gefühlen.»
Situation «nicht optimal»
Seit der Mitteilung im Gemeindeblatt vom 24. Februar wird Präsident Aerni mit Fragen, Ängsten, Sorgen von Anwohnerinnen und Anwohnern des Asylwohnheims konfrontiert. Der Gemeinderat habe gegenüber dem Kanton seine Bedenken zum Vorhaben geäussert und erklärt, dass er die Situation für «nicht optimal» halte.
Das Zentrum Erlenhof in Reinach führt in unterschiedlichen Gemeinden bereits drei Wohngruppen mit jeweils zwölf UMA beiderlei Geschlechts ab zwölf Jahren. Die Führung und Finanzierung wird in einer Leistungsvereinbarung mit dem Kanton geregelt. Gemäss Fabienne Romanens, Sprecherin der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion, sind neben Lausen zwei weitere Wohngruppen in Vorbereitung.
Die betreute Wohngruppe in Lausen ist für einen längeren Aufenthalt konzipiert, wie Pascal Brenner, Geschäftsführer des «Erlenhofs», erläutert. «Wir gehen davon aus, dass diese Jugendlichen, die über unterschiedliche Hintergründe verfügen, nicht in ihr Herkunftsland zurückgehen und langfristig bei uns bleiben werden.» Die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner sind zwischen 12 und 17 Jahre alt und kommen aus mehreren Ländern, darunter der Türkei, Eritrea und zu 90 Prozent aus Afghanistan und Syrien.
Die Ängste und Sorgen der Lausner Bevölkerung, die durch alarmierende Medienberichte über Asylzentren aufgeschreckt worden ist, nimmt Brenner ernst. «Grundsätzlich sind diese Jugendlichen nicht problematisch. Es fehlt ihnen lediglich an der Begleitung erwachsener Bezugspersonen», gibt er zu verstehen. «Dabei ist die Betreuung nach bewährtem Konzept das ganze Jahr durch 24 Stunden durchgehend vor Ort gewährleistet.»
Widerstand formiert sich
Die jugendlichen Flüchtlinge bereiten sich mit Unterstützung der Betreuenden auf ein eigenständiges Leben in der Schweiz vor. Die unter 16-jährigen UMA besuchen Fremdsprachenklassen. Die über 16-jährigen nutzen Brückenangebote des Kantons oder absolvieren im Anschluss oder bereits jetzt eine Berufslehre – mehrheitlich ein eidgenössisches Berufsattest, erklärt Brenner. Um allfälligen Vorurteilen oder Sorgen der Lausnerinnen und Lausner im Zusammenhang mit der Eröffnung der Wohngruppen entgegenzuwirken, erklärt er sich bereit, an einer öffentlichen Veranstaltung über die UMA und den Betrieb der Wohngruppen teilzunehmen. Ausserdem werde er das Gespräch mit dem Gemeinderat suchen, wie er sagt.
Dieser sei momentan in einer abwartenden Position, so Gemeindepräsident Aerni. «Wie es jetzt weitergeht, wissen wir noch nicht», sagt er, «aber bei der Anwohnerschaft formiert sich Widerstand.»