Eine Vielzahl von Indizien
21.03.2023 Baselbiet, Polizei, ZiefenBundesgericht ermöglicht im Falle der Brandstiftungen von Ziefen Einblick
Im Zusammenhang mit der Brandserie von Ziefen ist im Juli 2022 ein Mann festgenommen worden. Er wehrte sich kürzlich bis vor Bundesgericht gegen eine Verlängerung der Untersuchungshaft. «Lausanne» wies die ...
Bundesgericht ermöglicht im Falle der Brandstiftungen von Ziefen Einblick
Im Zusammenhang mit der Brandserie von Ziefen ist im Juli 2022 ein Mann festgenommen worden. Er wehrte sich kürzlich bis vor Bundesgericht gegen eine Verlängerung der Untersuchungshaft. «Lausanne» wies die Beschwerde jedoch ab, da viele Indizien für seine Täterschaft sprächen.
David Thommen
Im Kanton Baselland gab es in der Vergangenheit eine Reihe gravierender Kriminalfälle: Tötungsdelikt in Lampenberg, Tötungsdelikt sowie eine Serie von Brandstiftungen in Ziefen, Tötungsdelikte in Böckten und Sissach oder zuletzt eine spektakuläre Verfolgungsjagd auf der A2 bei Sissach, bei der es zu einem Unfall kam und die Flüchtenden kurzerhand ein Baustellenfahrzeug behändigten und die Flucht fortsetzten. Allen Fällen ist gemeinsam, dass Polizei und Staatsanwaltschaft Nachfragen der Presse – gestützt auf Gesetze – nur höchst einsilbig beantworten. Im Fall der Brandserie von Ziefen lehnte es die Staatsanwaltschaft noch am 6. März ab, gegenüber der «Volksstimme» irgendwelche Punkte aus dem Verfahren preiszugeben. Bestätigt wurde lediglich, dass sich nach wie vor eine Person in Untersuchungshaft befindet – und keine weitere Verhaftung in diesem Zusammenhang erfolgt sei.
Nun ist die «Schweiz am Wochenende» (bz) auf ein Bundesgerichtsurteil vom 27. Februar gestossen, das tiefere Einblicke in die Ermittlungen zur Ziefner Brandserie erlaubt. Und zwar hatte der am 25. Juli 2022 inhaftierte Verdächtigte Beschwerde gegen die Anfang Dezember vom Baselbieter Zwangsmassnahmengericht angeordnete und vom Kantonsgericht bestätigte Verlängerung der Untersuchungshaft eingereicht, da er das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts bestreitet. Das Bundesgericht beurteilte dies anders und geht in seiner öffentlich zugänglichen Begründung ausführlich auf den Fall ein. Weder Name noch Wohnort des Beschuldigten werden im siebenseitigen Urteil zwar genannt, die angegebenen Daten der Brände zeigen jedoch unzweifelhaft, dass es sich, wie von der «Schweiz am Sonntag» öffentlich gemacht, um die Ziefner Brandserie handeln muss («20 Minunten» zog online am Sonntag nach). Für den Verdächtigen gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Videoaufnahme zeigt Rauch
Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts in Sachen Untersuchungshaft liegen zwar keine direkten Beweise gegen den 47-jährigen Festgenommenen vor, die Indizienlast scheint aufgrund der Ausführungen der Baselbieter Behörden aber erdrückend zu sein. Vorgeworfen wird dem Mann, 2021 und 2022 mehrere Brände in unmittelbarer Nähe seiner Wohnadresse gelegt zu haben. So gingen neben seinem Wohnhaus eine Scheune und später ein Gartenhaus in Flammen auf, in der Nähe brannten auch mehrfach Autos.
Der letzte Brand dieser Serie brach im Keller des Mehrfamilienhauses gleich unterhalb der Mietwohnung des Beschuldigten aus, dies am 23. Juli 2022. Die Polizei hatte zuvor auf dem Gelände im Rahmen einer «fortgesetzten Observation» eine oder mehrere Videokameras angebracht. Eine der Filmaufnahmen zeigt laut den Ausführungen im Bundesgerichtsurteil, wie der Beschuldigte kurz nach dem Ausbruch des Brandes im Keller in den Garten schritt, dort einen runden Grillrost behändigte und damit zurück in seine Wohnung ging. Weiter von Belang wäre dieser Vorgang nicht, wären auf dem Video nicht bereits erste Rauchschwaden zu sehen, die aus dem Keller drangen. Der Mann, der durch den Rauch geschritten sei, habe darauf aber nicht reagiert; weder habe er die Feuerwehr alarmiert noch die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner des Hauses vor dem Feuer gewarnt.
Bei der Auswertung der Aktivitätsdaten des Mobiltelefons stellte die Polizei später fest, dass der Verdächtige wenige Minuten vor dem Brandausbruch das Stockwerk gewechselt hatte – sich laut Untersuchungsbehörden also in den Keller begeben habe.
Der Beschuldigte bestreitet dies, wie im Bundesgerichtsurteil nachzulesen ist. Er stelle sich auf den Standpunkt, dass die App auf dem Smartphone «fehlerbehaftet sein muss». Ebenfalls bestreitet der Mann laut dem Urteil, dass er beim Hineintragen des Grillrostes den Rauch hätte bemerken müssen. Einerseits habe er ohnehin einen anderen Eingang genommen, als von den Behörden behauptet, andererseits sei er unter dem Einfluss von Alkohol – gemessen wurden später 1,26 Promille – und Kokain gestanden und sei überdies in Gedanken versunken gewesen. Um viel Rauch könne es sich keinesfalls gehandelt haben.
Weitere Brände
Das Bundesgericht liess diese Argumentation nicht gelten. Die Indizien reichten aus, um den Mann weiter in Untersuchungshaft zu behalten, zumal es eine ganze Anzahl weiterer Hinweise gebe. So sei der Mann zuvor im Kanton Uri wohnhaft gewesen und auch dort unter Verdacht geraten, zwei Mal Feuer gelegt zu haben, wie es im Urteil der Vorinstanz heisst. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt. Zudem habe der Mann nach einem der vorangegangenen Brände in Ziefen für eine gewisse Zeit aus seiner Wohnung ausziehen müssen und habe in einer anderen Ortschaft Unterschlupf gefunden. Laut den Baselbieter Behörden sind in der Folge auch dort Brände ausgebrochen. Zu viel des Zufalls, wie das Kantonsgericht in seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesgericht festhielt: Eine derartige Häufung von Brandfällen in der unmittelbaren persönlichen Umgebung des Beschwerdeführers sei «schlechterdings nicht erklärbar».
Zudem ist laut der Baselbieter Vorinstanz «bemerkenswert», dass der Beschuldigte «aufgrund seines Berufs als Brandschutzmonteur in Bezug auf die Entstehung von Bränden zweifellos überdurchschnittliche Kenntnisse» habe und es «gerichtsnotorisch» sei, «dass Brandstifter häufig einen beruflichen oder privaten Konnex zu Bränden aufweisen» würden («z.B. als Mitglied der Feuerwehr»). Auf diese These geht das Bundesgericht in seinem Urteil allerdings nicht näher ein.
«Lausanne» bestätigt die Annahme der Baselbieter Behörden, dass Wiederholungsgefahr bestehe und die Fortdauer der Untersuchungshaft daher gerechtfertigt sei: Angesichts der im Zeitraum von rund 18 Monaten erfolgten sechs Brände in unmittelbarer Nähe zum Wohnort des Verdächtigen könnten ansonsten ernsthaft weitere Brandstiftungen drohen. Auch eine elektronische Fussfessel statt der U-Haft sei daher ungeeignet. Insbesondere falle ins Gewicht, dass beim letzten Brand erstmals mehrere Personen konkret gefährdet worden seien. Festzustellen sei eine «zunehmende Intensität und gesteigerte Verrohung der deliktischen Handlungen».
In einem anderen Punkt gibt das Bundesgericht dem beschwerdeführenden Inhaftierten allerdings ein Stück weit recht: Die nun seit längerer Zeit geführten Ermittlungen hätten zuletzt kaum noch neue Erkenntnisse zutage gebracht, heisst es im Urteil. Die Staatsanwaltschaft müsse daher im Zusammenhang mit allfälligen weiteren Haftverlängerungen darlegen, welche Untersuchungshandlungen sie noch vornehmen werde, und welchen Erkenntnisgewinn man sich daraus verspreche. Die Untersuchung sei möglichst zeitnah zum Abschluss zu bringen, damit im Falle einer Anklage das Strafgericht bald eine abschliessende Würdigung der Indizienbeweise vornehmen könne.