Mr. Blues blickt auf sein Lebenswerk
16.02.2023 Bezirk Sissach, SissachLouis van der Haegen wohnt in der Altersresidenz des Hotels Sonne
Mit Preisen und Ehrungen dekoriert und reich an Erfahrungen, geniesst der Initiant und langjährige Präsident des Blues Festivals Basel seinen Lebensabend in Sissach. Die «Volksstimme» hat ihn besucht.
Robert ...
Louis van der Haegen wohnt in der Altersresidenz des Hotels Sonne
Mit Preisen und Ehrungen dekoriert und reich an Erfahrungen, geniesst der Initiant und langjährige Präsident des Blues Festivals Basel seinen Lebensabend in Sissach. Die «Volksstimme» hat ihn besucht.
Robert Bösiger
Wenn Sie auf Sissachs Strassen gelegentlich einem älteren Herrn begegnen, der auf seinem Haupt stolz eine schwarze Baseballmütze trägt mit der Aufschrift «Blues Festival Basel», so ist es wahrscheinlich, dass Sie einen der bekanntesten Blues-Kenner und -Förderer des Landes vor sich sehen: Louis van der Haegen.
Vor ziemlich genau einem Jahr hat van der Haegen seinen Alterssitz in die Altersresidenz des Hotels Sonne verlegt. Er sei dem Ruf seiner Familie gefolgt, sagt er zur «Volksstimme». Denn sowohl seine Tochter Astrid (60) als auch sein Grosssohn Alain Goepfert haben ihren Lebensmittelpunkt in der Oberbaselbieter Metropole.
Urner Bub mit Hang zum Jazz
Wer ist dieser Louis van der Haegen (der uns sofort spontan das Du anträgt)? Geboren im Mai 1934 im Urnerland als Sohn eines Bahnangestellten, besucht Louis zunächst in Gurtnellen die Schule, danach in Erstfeld die Eisenbahnerschule, bevor er in Luzern Heizungszeichner lernt und abschliesst. Er bildet sich weiter und erwirbt so den Fachausweis Ingenieur SWKI Gebäudetechnik mit Schwerpunkt Energie. Hier, bei der Energie, liegt in beruflicher Hinsicht seine Leidenschaft: Er befasst sich schwergewichtig mit Sonnenenergie und gehört bald schweizweit zu den Ersten, die Solaranlagen propagieren und installieren.
Während seiner Lehrzeit in Luzern lernt er den gleichaltrigen Paul Nussbaumer (1934–1990) kennen. Dieser, ein angehender Künstler, habe ihn ermuntert, Jazz und Blues zu hören. Sagt Louis van der Haegen und ergänzt: «Damals bin ich richtiggehend zum Fan geworden.» An seinem Wohnort Gurtnellen gründet er als Reformierter zusammen mit dem katholischen Pfarrer den Verein Kino. Eine Zeit lang versucht sich Louis selber auf der Bassgeige bei einer örtlichen Dixieland-Combo. Doch wenig später verkauft er sein Instrument, «um einen Kinderwagen zu kaufen».
In Luzern veranstaltet er schon bald sein erstes Konzert: Als erst 22-Jähriger holt er unter anderem den amerikanischen Jazzposaunisten Kid Ory (1886–1973) und den bekannten Saxofonisten Sidney Bechet in die Schweiz. Auch nach seiner Heirat mit einer Berlinerin und dem Umzug der jungen Familie in die Region Basel zu Beginn der 1960er-Jahre behält er das Organisieren von Konzerten als Hobby bei. Er gründet zusammen mit Gleichgesinnten den Jazzclub Aesch/ Pfeffingen und betätigt sich als Musikchef beim Jazz-Weekend in Reinach.
Durchstarten als Pensionär
Doch so richtig durchstarten kann Louis van der Haegen erst beim Übergang in seinen «Unruhestand»: Im Jahr 2000 gründet er das Blues Festival Basel, übernimmt den Job als Präsident des gleichnamigen Vereins. Auch beim Festival Summerblues Basel hilft er tatkräftig mit. Denn mittlerweile gehört sein Herz neben dem Jazz in erster Linie dem Blues. Die anderen Stilrichtungen, so von der Haegen, habe er erst später entdeckt. «Ich habe zunächst nur wenig Verständnis dafür gehabt», räumt er ein. «Aber mittlerweile gefallen mir Country- und Rockmusik recht gut, wenn sie anständig gespielt wird.»
Die Liste jener internationalen (und nationalen) Musikgrössen, die der Bluesman Louis auf Schweizer Bühnen gebracht hat, ist ellenlang und illuster. Die Liste ist so lang, dass er nur noch meint, etwa 1000 Konzerte in seinem Leben organisiert zu haben. Und dann erinnert er sich noch an den legendären Duke Ellington, der seinen Mitmusikern offenbar Vitamintabletten verteilt haben soll.
Ohne den in Chicago lebenden Basler Jazz- und Blues-Saxofonisten Sam Burckhardt (65) hätte er nicht so viele spannende Musikerinnen und Musiker hierherbringen können, gesteht uns Louis van der Haegen. «Er hat für mich vermittelt – auch, weil ich leider nie richtig habe Englisch sprechen können.» Mit Burckhardt verbindet van der Haegen unter anderem, dass sie beide Träger des «Swiss Blues Award» sind.
Apropos Ehrungen: Anno 2002 wurde Louis van der Haegen mit der «Goldenen JAP-Note» des Jazzclubs Aesch/Pfeffingen und vor sieben Jahren mit dem «Swiss Blues Lifetime Achievement Award» geehrt, was so etwas ist wie eine Adelig-Sprechung.
Zum Lebensabend nach Sissach
Irgendwie überrascht es uns nicht, von Louis zu hören, dass er 1984 bis 1992 im Gemeinderat von Pfeffingen mitgearbeitet hat und auch Gründungsmitglied der FDP-Sektion Pfeffingen war. Mit den damaligen Gemeinderatsmitgliedern pflege er weiterhin einen guten Kontakt, sagt er. Angesprochen auf die Frage, welche Spuren er dereinst nach seinem Tod hinterlassen wolle, nennt er zwei Stichworte: Wegbereiter der Solarenergie und Förderer der Bluesmusik.
Doch vorerst möchte Louis van der Haegen sein Leben hier in Sissach nach Kräften geniessen. Sissach, sagt er, «ist das beste Dorf für meinen Lebensabend – hier hat es alles: Läden, Restaurants, Ärzte, Apotheken, einfach alles.» Er fühle sich ausgesprochen wohl hier. Seine gleichaltrige Partnerin, die in Basel wohnt, besucht er regelmässig. «Deshalb habe ich ein U-Abonnement.»
Louis und Othella
rob. Von Beginn seines Wirkens am Rheinknie an pflegte Louis van der Haegen einen intensiven und guten Kontakt zu Othella Dallas (1925–2020).
Die – wie sie sich gern selber bezeichnete – «Grand Old Lady des Jazz» war ein veritabler Weltstar mit Wohnsitz in Binningen. Und van der Haegen war jahrelang mit dem Management betraut. Die USamerikanische Tänzerin und Jazzsängerin trat mehrfach am Blues Festival Basel auf, so auch im Rahmen des Schlussabends zur (zwanzigsten) Jubiläumsausgabe im Jahr 2019.
Am selben Anlass traten auch die kongeniale Marla Glen mit ihrer rauchigen Stimme und der Schweizer Bluesmusiker Philippe Fankhauser auf. Und Louis van der Haegen selber hat nach 20 Jahren im Dienst die Leitung des Festivals an seinen Nachfolger Edo Löw, seines Zeichens Mitglied der Basler Rockabilly-Band Flagstaff, übergeben. Van der Haegen ist seither Ehrenpräsident.