Langer Kampf gegen Abschiebung
31.01.2023 Bezirk Sissach, WenslingenSolidaritätsanlass für tschetschenische Flüchtlingsfamilie
Seit sechseinhalb Jahren wehrt sich eine tschetschenische Flüchtlingsfamilie erfolgreich gegen die Ausschaffung, nachdem ihr Asylgesuch abgelehnt worden ist. Langsam gehen ihr die Instanzen aus.
Christian ...
Solidaritätsanlass für tschetschenische Flüchtlingsfamilie
Seit sechseinhalb Jahren wehrt sich eine tschetschenische Flüchtlingsfamilie erfolgreich gegen die Ausschaffung, nachdem ihr Asylgesuch abgelehnt worden ist. Langsam gehen ihr die Instanzen aus.
Christian Horisberger
Ginge es nach dem Staatssekretariat für Migration (SEM), wäre die Familie C. (Name der Redaktion bekannt) längst in ihre tschetschenische Heimat ausgeschafft worden, nachdem ihr Asylgesuch wegen politischer Verfolgung abgelehnt worden ist. Doch mit der Unterstützung des «Solidaritätsnetzes Bern», das sich für Rechte von in Not geratenen Menschen ohne geregelten Aufenthalt einsetzt, konnte die Familie ihre Abschiebung bisher abwenden.
So leben die Eltern mit ihren drei Kindern von 6, 7 und 8 Jahren seit sechseinhalb Jahren in Wenslingen. Da Vater und Mutter aufgrund des abgewiesenen Asylgesuchs keine Arbeitsbewilligung haben, ist die Familie von der staatlichen Nothilfe und der Unterstützung von Caritas und dem Roten Kreuz abhängig.
Die Kinder besuchen in Wenslingen den Kindergarten oder die Primarschule und sind daran, Deutsch zu lernen. Mutter und Vater sprechen kein Deutsch. Die Familie sei im Dorf kaum integriert, sagt Anna Basler. Die 38-jährige Wenslingerin steht mit der Flüchtlingsfamilie seit einem halben Jahr in engerem Kontakt und sehe «dahinter», wie sie sagt. Die unsichere Aufenthaltssituation sei für die Familie C. extrem belastend und verursache ihr Stress. Jedoch nicht so grossen, wie der Gedanke an eine Rückkehr in die Heimat.
Der Grund für die Flucht hört sich an wie ein Krimi. Basler erzählt die Geschichte des Familienvaters nach: Auf der Suche nach einem entlaufenen Rind sei der gut situierter Bauer unfreiwillig Zeuge einer Hinrichtung geworden, die aufs Konto Angehöriger des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow gegangen sei. Zunächst habe er sich bei Bekannten versteckt, dann flüchtete er mit Frau und damals zwei Kindern via Moskau und Polen, wo die Familie als Flüchtlinge registriert wurden. Mit Schleppern gelangte die Familie illegal nach Basel und stellte Asylantrag. Als die Schweizer Migrationsbehörden sie gemäss Dublin-Abkommen nach Polen zurückschieben wollte, legten die Flüchtlinge ihren ersten Rekurs ein.
Solidaritätsanlass
Anna Basler möchte der Familie C. helfen, doch noch eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Nachdem ein Wiedererwägungsgesuch fürs Asylverfahren diesen Monat abgelehnt worden ist, veranstaltet sie mit der Unterstützung zweier Helfenden am 11. Februar in Wenslingen einen Solidaritätsanlass. Dort werden die Flüchtlinge von ihrer Situation in Tschetschenien und in der Schweiz berichten und sich den Fragen der Anwesenden stellen. Ausserdem hat Basler online eine Petition gegen die Ausschaffung der Familie zuhanden des SEM lanciert. Mehr als 300 Personen haben schon unterschrieben.
Neben der Solidarität für die Flüchtlingsfamilie hofft Basler auf ein weiteres juristisches Mittel gegen die Abschiebung: Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz und der Anwalt Guido Ehrler träfen Abklärungen betreffend eines Härtefallantrags, sagt sie. Für die Anwaltskosten werde an der Solidaritätsveranstaltung im Gemeindesaal ein Spendentopf aufgestellt.
Als allerletzte Beschwerdeinstanz bliebe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.