Jahresrückblick
10.01.2023 BaselbietAbfahrt und Abfuhr für die Region Basel
November und Dezember | Das «Waldenburgerli» kommt in die Spur und Eva Herzog wird nicht Bundesrätin
Fassungslosigkeit und Enttäuschung in der Region: Die als Favoritin für die ...
Abfahrt und Abfuhr für die Region Basel
November und Dezember | Das «Waldenburgerli» kommt in die Spur und Eva Herzog wird nicht Bundesrätin
Fassungslosigkeit und Enttäuschung in der Region: Die als Favoritin für die Nachfolge von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga gehandelte Basler Ständerätin Eva Herzog verpasst die Wahl in die Landesregierung. Die Bundesversammlung schenkt stattdessen der jurassischen Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider das Vertrauen und wählt sie im dritten Wahlgang. Bereits im ersten Wahlgang schafft der Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti den Sprung in den Bundesrat, wo er Ueli Maurer ersetzen wird.
Dieser hilft der Baselbieter SVP, in Pratteln den Wahlkampf-Zug für die Landrats- und Regierungsratswahlen im Februar in Gang zu setzen. Auch die anderen Parteien und deren Exponenten machen mit augenscheinlich erhöhter Präsenz in der Öffentlichkeit von sich reden. Nicht in jedem Fall ist diese jedoch beabsichtigt und willkommen.
So hätte SVP-Landrat Peter Riebli wohl auf die Medienberichte verzichten können, die sein Aussetzer in einer Parlamentssitzung nach sich zog: Landratspräsidentin Lucia Mikeler Knaack entzog ihm das Wort, als Riebli sie persönlich kritisierte, darauf stürmte Riebli aus dem Saal. Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollten gesehen haben wollen, wie der Buckter der Landratspräsidentin den Stinkefinger gezeigt hat, er aber versichert, er habe nichts dergleichen getan, sondern nur die Hände «verrührt».
Dazu hat Urs Dünner auch guten Grund: Er muss schon zum zweiten Mal in einem Duell um einen Sitz im Gelterkinder Gemeinderat eine klare Niederlage einstecken. Der frei werdende Posten wird von Christoph Belser, der wie einst sein Vater und Ex-Regierungsrat Eduard für die SP politisiert, besetzt. In Kilchberg würde man sich nach einem willigen und kompetenten Gemeinderatskandidaten wie Urs Dünner die Finger lecken.
Doch dort wird Tatsache, was lange Zeit befürchtet worden war: Der dreiköpfige Gemeinderat lässt sich auch im vierten Anlauf nicht vollständig besetzen. Der Regierungsrat muss eingreifen und setzt als Statthalterin die frühere Gelterkinder Gemeindepräsidentin Christine Mangold ein. Sie unterstützt als einfache Gemeinderätin die gewählten Mitglieder des Gremiums und soll Überlegungen dazu anstellen, wie es mit Kilchberg weitergehen soll. Dabei dürften auch Gespräche für eine Fusion ein Thema werden, wie sie Arisdorf und Hersberg vollziehen möchten.
Dort jedoch regt sich Widerstand. Manchen geht der Prozess zu schnell, viele Hersberger wollen sogar, dass die Übung abgebrochen wird. Eine entsprechende Forderung an die Gemeinderäte wird von 87 der 260 Stimmberechtigten unterzeichnet. Sie würden nach dem Zusammenschluss untergehen, lautet eine der Befürchtungen.
Dies soll der Verna AG trotz der Übernahme durch die Ziegler AG nicht passieren: Zwar verkauft Vinzenco Verna altershalber die von ihm gegründete und zur Blüte gebrachte Sissacher Hochbaufirma an das Strassenbauunternehmen mit Sitz in Liestal. Die Ziegler AG weiss aber um den guten Ruf der Verna AG und wird sie mit deren bisherigen Namen und Belegschaft weiterführen.
Dagegen verschwindet die Thürner Destillerie und Weinhandlung Strüby AG endgültig von der Bildfläche. Das Familienunternehmen konnte dem Online-Handel und dem Preisdruck durch die Discounter nicht genug entgegensetzen, und nach weiteren massiven Umsatzeinbrüchen durch Corona wird das Familienunternehmen von der dritten Generation Ende Jahr zu Grabe getragen.
In den letzten beiden Monaten des Jahres geht es oft ums Geld. Das Stimmvolk gewährt sich mit 62,2 Prozent Ja-Stimmen tiefere Vermögenssteuern – verbunden mit der Hoffnung, dass der Kanton für reiche Steuerzahler als Wohnort attraktiver wird. Über das andere Ende der Wohlstandsskala gibt das Baselbieter Armutsmonitoring Aufschluss: 16 000 Baselbieterinnen und Baselbieter gelten aufgrund ihres Einkommens als arm und noch einmal so viele befinden sich an der Grenze zur Armut. Die stark steigenden Krankenkassenprämien könnten die Armut weiter verstärken. Ob es ein Zufall ist, dass der emeritierte Soziologieprofessor Ueli Mäder in seinem gut besuchten ersten Talk im «Cheesmeyer» mit seinen Gästen über das Streben des Menschen nach materiellen Werten diskutiert?
Anders als sonst ist die Fussball-WM in Katar bei uns kein gesellschaftliches Grossereignis. Kaum «Public Viewings», keine Autocorsos, keine Jubelschreie, die aus offenen Balkontüren und Fenstern auf die Strasse dringen, keine Party-Stimmung.
Tristesse herrscht auch an der Gelterkinder Gemeindeversammlung, der erneut ein Budget mit einem Minus von mehr als einer Million Franken vorgesetzt wird. Vor einem Scherbenhaufen stehen Nusshof und Wintersingen. Die Nusshöfer lehnen den neuen Kreisschulvertrag mit dem Nachbarn ab und kündigen den alten. Im Gegensatz dazu haben Ramlinsburg und Wittinsburger Grund zum Feiern. Sie senken ihren Steuerfuss jeweils um zwei Prozentpunkte. Auch die Bürgergemeinden von Ziefen und Sissach können die Korken knallen lassen, denn beide erwerben eine Beiz, die zum Verkauf steht: das «Rössli» in Ziefen und das «Stöpli» in Sissach. Derweil dürfen sich die besorgten Mamis und Papis von Bubendorf auf Tempo 30 auf Gemeindestrassen freuen und die Stimmberechtigten von Rünenberg auf mehr Volksrechte: Die Gemeindeversammlung sagt Ja zum Initiativrecht auf Gemeindeebene. Damit ist Rünenberg einen Schritt weiter als Sissach, wo die «Gmäini» erst ihre Zustimmung zur Ausarbeitung einer Vorlage gegeben hat. Das letzte Wort hat bei der Einführung des Initiativrechts das Stimmvolk an der Urne.
Bestürzung, Fassungslosigkeit und Trauer erfasst das Oberbaselbiet Anfang Dezember, als ein 17-Jähriger auf dem Lidl-Parkplatz in Böckten einen um ein Jahr älteren Bekannten im Streit mit einem Messerstich in die Brust tötet. Die beiden lebten zusammen in einer betreuten Wohnform im Oberbaselbiet. Eine Betreuungsperson befindet sich während der Tat ebenfalls auf dem Parkplatz. Ein Tötungsdelikt, das vor 16 Jahren für Schlagzeilen gesorgt hatte, wird von der Baselbieter Staatsanwaltschaft und Polizei wieder aufgerollt. Im Allschwiler Wald war die Leiche einer damals 31-jährigen Prostituierten aufgefunden worden. Die Ermittler werten die Spuren von damals mit neuen Methoden aus und bringen die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Sendung «Aktenzeichen XY ungelöst».
Einige knifflige Aufgaben haben die Verantwortlichen der Waldenburgerbahn zu lösen. Denn die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs nach mehr als anderthalbjährigem Unterbruch beginnt gleich mit einigen Pannen und Wartezeiten von Fahrgästen in bitterer Kälte. Der Fehlstart hat auch etwas Positives: Es kann nur besser werden.
Christian Horisberger