Gespräch über die Medien im «Cheesmeyer»
Soziologe Ueli Mäder hat erneut zur Gesprächsrunde im Sissacher «Cheesmeyer» eingeladen. Thema waren die Medien. Drei Medienschaffende sprachen über die Entwicklung in der Branche und über die sich wandelnde Arbeit der ...
Gespräch über die Medien im «Cheesmeyer»
Soziologe Ueli Mäder hat erneut zur Gesprächsrunde im Sissacher «Cheesmeyer» eingeladen. Thema waren die Medien. Drei Medienschaffende sprachen über die Entwicklung in der Branche und über die sich wandelnde Arbeit der Journalisten.
Janis Erne
Der ehemalige «Zyschtigsclub»-Moderator Ueli Heiniger (78) brachte die Gemütslage vieler Gäste im «Cheesmeyer» auf den Punkt: Es sei «nicht leicht, auf dieser Welt die Übersicht zu behalten». Das gilt nicht zuletzt für die mediale Debatte zu den mutmasslichen Corona-Leaks aus dem Departement Berset. Mit ihr gewann die neuste Ausgabe der Ueli-Mäder-Gesprächsreihe unerwartet an Brisanz. Offensichtlich beschäftigt das Verhältnis Politik-Medien die Menschen: Das Parterre des Kulturhauses Cheesmeyer war mit knapp 100 Gästen «pumpevoll».
Soziologe Mäder hatte zum Gespräch «Wie Medien ihren Einfluss wahrnehmen» Experten aus der Praxis eingeladen: Ueli Heiniger, Esther Girsberger (62, SRG-Ombudsfrau und frühere Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers») sowie «Volksstimme»-Export Philipp Loser (42), der heute als Journalist für den «Tages-Anzeiger» arbeitet.
Das Gespräch nahm schnell Fahrt auf. Die Entwicklung der Medien beschäftigt die Teilnehmenden, wie schon in ihren Eingangsstatements zu hören war. Besonders problematisch sei die sinkende Medienvielfalt – «bei den Leitmedien», wie Girsberger präzisierte. Die grossen Zeitungstitel würden immer weniger, so die SRG-Ombudsfrau. «Es ist paradox: Zwar gibt es mehr Medien denn je, doch es fehlt die Einordnung und Relevanz der Inhalte.» Sie sprach die Sozialen Medien an, auf denen jede und jeder ungefiltert Nachrichten verbreiten kann.
Mit dem Aufkommen der Sozialen Medien nehme die Nachfrage nach klassischen Medien (Zeitungen, Fernsehen oder Radio) stetig ab, so der Tenor auf dem Podium. Das führe zu Sparmassnahmen und Stellenabbau. «Weil es immer weniger Journalisten gibt, ist der einzelne wichtiger denn je», meinte Heiniger. Er müsse glaubwürdig, unabhängig und gewissenhaft sein. Loser sagte dazu, dass seine «Tages-Anzeiger»- Kollegen im Bundeshaus «akribisch» arbeiten und recherchieren würden. Die im Zuge des Falls Berset aufgekommene Kritik, die Medien würden mit der Politik «klüngeln», sei nicht angebracht.
Das Berufsethos wurde auf dem Podium verteidigt, ohne dabei aber negative Entwicklungen in der Branche abzustreiten. Etwa Journalisten als «Schreibtischtäter», die nicht mehr ausserhalb ihres Büros recherchierten. Oder die Tendenz zum Abschreiben untereinander – «aus Zeitgründen, aber auch Bequemlichkeit», wie Loser sagte. Die frühere «Tages-Anzeiger»- Chefin Girsberger sorgte für Schmunzeln, als sie erzählte, dass sie von ihren Mitarbeitenden jeweils eine hohe Spesenrechnung verlangt habe: «Journalisten sollen mit ihren Quellen persönlich sprechen und für die Recherche hinausgehen.»
«Quotenjagerei»
Die Medienlandschaft wandle sich wegen der Digitalisierung und der Flut an Informationen grundlegend, so Heiniger. Girsberger konkretisierte: «Um Klicks zu bekommen, braucht es heute Zuspitzung.» Unter der «Quotenjagerei» leide in der Berichterstattung die Relevanz. Die SRG-Ombudsfrau nahm ihren Arbeitgeber nicht aus der Kritik. Sie verstehe nicht, weshalb SRF zweimal hintereinander eine «Arena»-Sendung zum Fall Berset ausstrahlt und sich dabei auf Nebenschauplätze und nicht auf das Kernproblem, die Auswirkungen der Indiskretionen auf den Politbetrieb, fokussiert.
Den Abschluss des Gesprächs machten schliesslich Fragen aus dem Publikum. Teilweise war dabei eine gewisse Medienskepsis («Sie fahren Kampagnen.») auszumachen. Und es wurden verschiedene Punkte angesprochen: Beispielsweise die künstliche Intelligenz mit ihren Schreibprogrammen, die angeblich unzureichende Berichterstattung über Kunst und Kultur oder die Übervertretung von PR- und Kommunikationsprofis gegenüber Journalisten. Die vielen an diesem Abend diskutierten Entwicklungen zeigen (frei nach Ueli Heiniger): Auch in der Medienwelt ist es zuweilen nicht leicht, den Überblick zu behalten.