Mit gutem Beispiel voran
09.12.2022 Parteien, Politik, SissachGemeindeversammlung ist offen für das Initiativrecht
Das Initiativrecht auf Gemeindeebene nimmt in Sissach die erste Hürde locker. Jetzt ist der Gemeinderat am Zug. Über die Bücher muss die Exekutive bei den Finanzen, will das ansonsten mit Gewinnen verwöhnte Dorf in Zukunft nicht ...
Gemeindeversammlung ist offen für das Initiativrecht
Das Initiativrecht auf Gemeindeebene nimmt in Sissach die erste Hürde locker. Jetzt ist der Gemeinderat am Zug. Über die Bücher muss die Exekutive bei den Finanzen, will das ansonsten mit Gewinnen verwöhnte Dorf in Zukunft nicht dauerhaft rote Zahlen schreiben.
Christian Horisberger
Mit grossem Mehr hat die Gemeindeversammlung am Mittwoch den Antrag von Laura Grazioli (Stechpalme) für das Initiativrecht auf Gemeindeebene für erheblich erklärt und damit den Gemeinderat beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten. Für die Einführung braucht es ein weiteres Ja durch die Gemeindeversammlung sowie einen Volksentscheid an der Urne.
Mit dem Initiativrecht kann ein formuliertes oder nicht formuliertes Anliegen mit ausreichend Unterschriften von Stimmberechtigten direkt an die Urne gebracht werden (die «Volksstimme» berichtete). Damit würden die Volksrechte gestärkt und die Gemeindeversammlung nicht geschwächt, versicherte Grazioli den Anwesenden. Das Antragsrecht bleibe unangetastet. Mit 10 Prozent der Stimmberechtigten, was in Sissach fast 500 Personen bedeute, sei die Hürde für das Zustandekommen einer Initiative hoch, was auch einen Schutz der Gemeindeversammlung bedeute. Deswegen sei auch keine Initiativflut zu erwarten. Und sollten sich die Bedenken des Gemeinderats bestätigen, dass die Möglichkeit kaum oder gar nicht genutzt wird, sei nichts verloren, doch sei Sissach wenigstens mit gutem Beispiel vorangegangen, so Grazioli.
Verluste werden zur Regel
Am intensivsten beschäftigte sich die Budget-Gemeindeversammlung mit dem Traktandum, über das gar kein Beschluss gefällt wird, sondern das der Versammlung lediglich zur Kenntnisnahme unterbreitet wird: der Finanzplan. Finanzchef Lars Mazzucchelli zeigte auf, wie sich die Rechnungsergebnisse und die Verschuldung bis zum Ende der Planungsperiode (2027) entwickeln werden, sofern der aktuelle Kurs beibehalten wird. Selbst mit einer zweiprozentigen Steuererhöhung per 2024 ist in den kommenden Jahren mit einer Ausnahme mit Rechnungsdefiziten zu rechnen; für 2026 und 2027 sind im Finanzplan jeweils 700 000 Franken Verlust eingesetzt. Gleichzeitig wächst die Verschuldung aufgrund namhafter Investitionen vor allem im Schulwesen bis 2027 auf knapp 31 Millionen Franken an. Treiber dieser Entwicklung sind gemäss Mazzucchelli neben den Investitionen die Teuerung und Steuersenkungsprogramme von Bund und Kanton. Mazzucchelli wies auf das hohe Eigenkapital hin, das am Ende der Planperiode noch immer 53 Millionen Franken betrage, eine im Vergleich mit vielen anderen Gemeinden komfortable Situation.
Hubertus Ludwig, den Präsidenten der Rechnungsprüfungskommission, vermochte dies nicht zu beruhigen. «Wir machen uns Sorgen um die Entwicklung der Finanzen», sagte er. Es werde ohne Rücksicht auf die Finanzierung investiert. Die Kosten für den Bau der Dreifach-Sporthalle, der durch eine Einsprache blockiert ist, dürften sich aufgrund der Bauteuerung von 7,3 Prozent um eine Million Franken erhöhen. Ungeachtet dessen habe die Gemeindeversammlung im Oktober von einem Kostendach für den Um- und Ausbau der Primarschule Dorf nichts wissen wollen. «Eine Korrektur muss erfolgen», forderte Ludwig.
«Auslegeordnung» vorgesehen
«Der Gemeinderat ist über die Situation auch nicht glücklich», entgegnete Mazzucchelli. Man nehme die Situation ernst und werde eine Auslegeordnung machen. «Stellschrauben» seien die Kosten, Steuern oder Investitionen, die man hinausschieben oder redimensionieren könne, so der Finanzchef.
Angelo Tomaselli erkundigte sich, ob es bei der Gemeinde Überlegungen gebe, Gewerbebetriebe und damit neue Steuerzahler zu gewinnen. An Gewerbe fehle es an sich nicht, doch werde dieses immer weniger zur Kasse gebeten, sagte Mazzucchelli. Gemeindepräsident Buser fügte an, dass hier die Standortförderung des Kantons federführend sei: «Die kennen unsere Gewerbeflächen.» Doch sei die Konkurrenz unter den Gemeinden gross, «hochwertiges Gewerbe» bei sich anzusiedeln, wie sich bei «Salina Raurica» zeige.
Das Budget 2023 mit einem Minus von 180 000 Franken bei Ausgaben von 31,6 Millionen Franken warf längst nicht so hohe Wellen wie der Finanzplan. Im Vergleich zum Voranschlag 2022 wird im kommenden Jahr mit um 600 000 Franken geringeren Steuererträgen, ferner um 610 000 Franken höheren Löhnen und um 317 000 Franken höheren Beiträgen an Pflegeheime gerechnet. Auf der anderen Seite werden eine Entlastung beim Finanzausgleich um 540 000 Franken erwartet und höhere Erträge der Deponie Strickrain aufgrund höherer Gebühren. Die sehr hohen Vermögen der Wasserkasse und der Abwasserkasse weisen im Budget ein Minus von 215 000 beziehungsweise 316 000 Franken aus. Das Defizit der Abfallkasse wird 259 000 Franken betragen. Der Vermögensabbau in den Regiekassen ist gewollt.
Der Steuerfuss von 57 Prozent der Staatssteuer für natürliche Personen bleibt unangetastet, jener für juristische wird bei 55 Prozent angesetzt. Die von 122 Stimmberechtigten besuchte Versammlung genehmigte die Steuern und Gebühren und das Budget mit zwei Gegenstimmen.
Schulergänzende Tagesstrukturen
Mit dem neuen Reglement für schulergänzende Tagesstrukturen vertrat Gemeinderätin Carol Zumbrunnen, die seit Juli im Amt ist, ihr erstes Geschäft an einer Gemeindeversammlung. Eine Erhebung habe gezeigt, dass die Nachfrage das heutige Angebot an ausserschulischer Betreuung übersteigt, daher müsse die Gemeinde handeln.
Vorgesehen ist folgendes ergänztes Angebot: Von Montag bis Freitag, von 12 bis 18.30 Uhr, wird eine Betreuung mit 25 Plätzen pro Tag angeboten. Kinder vom Kindergartenalter bis zur 6. Klasse können hier Zmittag essen, Hausaufgaben machen (mit Hilfe) und spielen. Zunächst gilt das Angebot nicht während der Schulferien. Als Standort ist die ehemalige Kochschule der Primarschule Dorf vorgesehen.
Losgehen soll es Anfang 2024. Für die Vorbereitung fallen bereits 2023 Kosten im Umfang von gegen 50 000 Franken an. Die Betriebskosten ab 2024 bezifferte Zumbrunnen auf rund 320 000 Franken jährlich, mehrheitlich fürs Fachpersonal. Davon würden 175 000 Franken in Form von Elternbeiträgen zurückfliessen. Der Preis für eine Betreuungsstunde beträgt Grössenordnung 10 Franken pro Kind, wobei die Gebühr je nach Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern reduziert werden kann.
Zumbrunnen sieht im ergänzten Angebot auch eine Aufwertung der Standortattraktivität Sissachs. Schulrat Sascha Irmann erkennt darin ein Mittel für mehr Chancengerechtigkeit und eine bessere Integration. Zudem entlaste die Hausaufgabenhilfe die Eltern. Die Argumente griffen: Die Verordnung wurde einstimmig gutgeheissen.