Eine Teamplayerin, keine Regentin
23.12.2022 Ormalingen, PorträtVerena Schürmann, die erste Gemeindepräsidentin des Dorfes, tritt ab
Anderthalb Jahrzehnte, wovon ein Dutzend Jahre als Präsidentin, prägte Verena Schürmann die Geschicke von Ormalingen mit. Bevor sie Ende Jahr die kommunalpolitische Bühne verlässt, erzählt sie, wie sie diese ...
Verena Schürmann, die erste Gemeindepräsidentin des Dorfes, tritt ab
Anderthalb Jahrzehnte, wovon ein Dutzend Jahre als Präsidentin, prägte Verena Schürmann die Geschicke von Ormalingen mit. Bevor sie Ende Jahr die kommunalpolitische Bühne verlässt, erzählt sie, wie sie diese intensive Lebensphase erlebt hat.
Otto Graf
Vor wenigen Monaten ging Felix Beyeler, der langjährige Gemeindeverwalter von Ormalingen, in Pension. Und nun tritt Ende Jahr auch Gemeindepräsidentin Verena Schürmann zurück. Was, oberflächlich betrachtet, etwas eilfertig aussieht, ist das Resultat einer wohldurchdachten Strategie. Denn schon zu Beginn der laufenden Legislatur, berichtet die Präsidentin, habe der Gemeinderat gewusst, dass der Verwalter in den Ruhestand treten und sie ihr Amt ebenfalls vorzeitig zur Verfügung stellen würde. Inzwischen ist die Verwaltung personell wiederum gut besetzt und verfügt ausserdem über einen Bauverwalter, der auch andere Gemeinden betreut.
Folglich kann Schürmann guten Gewissens ihren Dienst quittieren, frei jeglicher Baustellen. Und wörtlich meint sie: «Ganz besonders freut es mich, dass alle Mitglieder der Behörde, die meine Absicht kannten, während Jahren alles für sich behielten und kein Wort nach aussen verlauten liessen.» Sie kann somit ihrer Nachfolgerin oder ihrem Nachfolger einen aufgeräumten Schreibtisch übergeben. Wer das ist, werden die Stimmberechtigten von Ormalingen am 12. Februar 2023 an der Urne entscheiden. Bis das Gemeindeoberhaupt im Amt ist, wird Vizepräsidentin Käthy Zimmermann auf dem Chefsessel Platz nehmen.
Verena Schürmann, geborene Itin, wuchs in Ormalingen auf. Nach der Matura am Gymnasium Liestal liess sie sich am Lehrerseminar zur Primarlehrerin ausbilden und unterrichtete zunächst in Kaiseraugst Kinder von der 1. bis zur 5. Klasse. Später lebte sie mit ihrem Mann Markus, den sie 1984 heiratete, in Meinisberg im Seeland. Dort war sie während 20 Jahren in verschiedenen KMU im kaufmännischen Bereich tätig.
Nach der Rückkehr nach Ormalingen im Jahr 2003 nahm sie im Verein Tagesfamilien Oberes Baselbiet (VTOB), dem 53 Trägergemeinden angehören, Einsitz und brachte dort namentlich ihre Erfahrungen im sozialen Bereich des Schulalltags und der Kinderbetreuung ein.
«Die andern wollten nicht»
Eigentlich stamme sie nicht aus einer politischen Familie, sagt Verena Schürmann, erwähnt aber doch ihren Grossvater mütterlicherseits, Hans Thommen, der zwischen 1950 und 1967 dem Landrat angehörte. Sie selbst sass seinerzeit in Meinisberg während acht Jahren im Schulrat. 2008 wurde sie in den Gemeinderat von Ormalingen berufen und ist seither für das Sozialwesen zuständig. Sie stand zwei Jahre später, nach dem Tod des amtierenden Präsidenten Walter Baumann, bereits an der Spitze der Gemeinde und übernahm von ihrem Vorgänger das Schlüsseldepartement Finanzen. «Die andern Ratsmitglieder wollten nicht», kommentiert sie ihre Wahl vor zwölf Jahren.
Ihre erste bedeutende Amtshandlung war die Leitung der Gemeindeversammlung im Wahljahr, als das damalige Vormundschaftswesen professionalisiert und an die Kesb übertragen wurde. In der Folge realisierte die Gemeinde mehrere grosse Projekte und konnte dabei sogar noch den Steuerfuss von 61 Prozent auf 59 Prozent senken. Erst kürzlich segnete die Gemeindeversammlung das Projekt eines neuen Kindergartens, Kostenpunkt 4 Millionen Franken, ab.
Schritt nie bereut
Auf die Frage, ob sie den Schritt an die Spitze der Gemeinde je bereut habe, kommt ein klares Nein. «Wir haben im Rat immer ein offenes, von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Verhältnis zueinander gehabt», begründet sie ihre Aussage. Auch mit der Verwaltung sowie mit der Rechnungsund Geschäftsprüfungskommission habe man stets gut und einvernehmlich kooperiert. «Ich habe mich immer als Teamplayerin gefühlt und keineswegs als Regentin, die über den andern steht», sagt sie.
In der Tat lieferten die Behörden in Ormalingen nie negative Schlagzeilen. Was das Verhältnis zum Volk betrifft, so findet die Präsidentin, dass die Leute gleichgültiger geworden sind, was möglicherweise mit der heutigen Informationsflut auf allen möglichen Kanälen zu tun habe. Namentlich die junge Generation zeige wegen anderer Angebote nur wenig Interesse am kommunalpolitischen Geschehen. Im Gegensatz zu früher reagiere man oft nur, wenn man direkt betroffen ist und dann dafür umso heftiger.
Schürmann berichtet in diesem Zusammenhang über ihre Erfahrungen beim Thema Ruhe und Ordnung, als dies noch Aufgabe des Gemeindepräsidiums war und die Polizei eingegangene Meldungen jeweils an sie weiterleitete. Die Präsidentin hatte dann die undankbare Aufgabe, mitten in der Nacht für Ordnung zu sorgen. Oft habe sich der nächtliche Gang, auf dem sie jeweils von Ehemann Markus begleitet wurde, als Leerlauf erwiesen, weil es gewissen Anwohnern nicht in den Kram passte, dass Jugendliche, ohne jemanden zu stören, draussen Musik hörten. Das Problem existiert nicht mehr. Denn die Aufgabe des Einhaltens von Ruhe und Ordnung hat der Gemeinderat schon vor geraumer Zeit an die Polizei delegiert.
«Weltfremdes wollten wir nicht anstreben»
Was war das persönliche Highlight in Ihrer Amtszeit?
Verena Schürmann: Mit dem Bau der Turnhallen und der Sportanlagen, Kostenpunkt 12 Millionen Franken, hat Ormalingen das bisher grösste Projekt in seiner Geschichte realisiert. Am 9. Juni 2015 bewilligten die 140 an der Gemeindeversammlung anwesenden Stimmberechtigten das Projekt und den Kredit ohne Gegenstimme. Zuvor scheiterten zwei Vorgängerprojekte am Referendum.
Welches Ziel haben Sie nicht erreicht?
Eigentlich habe ich alle angestrebten Ziele erreicht, wobei alle realisierten Vorhaben einem breiten Bedürfnis der Öffentlichkeit gerecht werden. Weltfremdes oder Luxuriöses wollten wir nicht anstreben.
Welche Vision schwebt Ihnen noch vor?
Ich könnte mir vorstellen und würde mir wünschen, dass eines Tages in der ganzen Schweiz ein liberales Bildungsangebot gilt mit einer Tagesbetreuung ab etwa 7 Uhr morgens bis zum frühen Abend, wenn die Kinder nach Hause gehen oder abgeholt werden. Vergleichbare Modelle gibt es bereits in den nordischen Ländern.
Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger mit?
Ratschläge zum Tagesgeschäft werde ich sicherlich nicht erteilen. Hingegen kann ich nur empfehlen, was sich bisher bewährt hat: Auf das Volk hören und auf dem Boden bleiben. An künftigen Gemeindeversammlungen werde ich, wie andere Einwohnerinnen und Einwohner, aktiv teilnehmen, wenn ich zugegen bin.
Wie wird die nächste Generation Ormalingen bis 2050 verändert haben?
Die Tagesschule, wie oben beschrieben, ist längst eingeführt und erweist sich zum Vorteil aller Beteiligten landesweit als Erfolgsmodell.
VERENA SCHÜRMANN
og. Ende 2022 legt Verena Schürmann, 65 Jahre alt, verheiratet mit Markus, die eine Tochter und zwei Grosskinder hat, ihr Amt als Gemeindepräsidentin von Ormalingen nieder. Sie ist Bürgerin von Egerkingen und war früher als Primarlehrerin tätig. Die Bilanz ihrer zwölfjährigen Präsidialzeit fällt positiv aus. In der Freizeit spielt sie in der Frauenriege Volleyball und hütet gerne ihre Grosskinder. Und sie freut sich darauf, mehr Zeit für Spontanes zu haben.