Der Taucher von Liverpool
Ist von Liverpool die Rede, dann führt kein Weg an den «Beatles» vorbei. Sie sind auch 50 Jahre nach der Trennung in der Stadt am Mersey omnipräsent. Ebenso bekannt wie die Pilzköpfe sind auch ihre Lieder. Eines davon: «Yellow Submarine». ...
Der Taucher von Liverpool
Ist von Liverpool die Rede, dann führt kein Weg an den «Beatles» vorbei. Sie sind auch 50 Jahre nach der Trennung in der Stadt am Mersey omnipräsent. Ebenso bekannt wie die Pilzköpfe sind auch ihre Lieder. Eines davon: «Yellow Submarine». Einen ähnlichen Tauchgang wie das gelbe U-Boot erlebten in der vergangenen Woche in jener englischen Metropole unsere Kunstturner.
Mit grossen Erwartungen sind wir als Delegation an die Kunstturn-WM gereist. Gross war am Ende die Ernüchterung. Während ich mich mit meiner Kamera unmittelbar neben dem Reck, dem Startgerät der Schweizer, in der M&S-Arena positioniert hatte, machten sich unsere Jungs bereit für ihren Einsatz. Dieser begann nicht ideal. Mehrere Stürze liessen für den weiteren Verlauf nichts Gutes erahnen. Während es für die Turner danach hiess, sich aufs nächste Gerät zu fokussieren, fühlte ich mich an den Wettkampf der Kunstturn-EM vom August in München zurückversetzt. Damals erlebten unsere Kunstturnerinnen einen ähnlich Fehlstart am Schwebebalken. Auch sie gingen damals gleich mehrfach vom Gerät.
Ob als Fotograf in Liverpool oder als Journalist in München – die Ernüchterung war jeweils gross. Dass unseren Jungs dieses Missgeschick kurz danach ebenfalls unterlaufen würde, davon war nicht auszugehen. In München brillierte das Team mit einem vierten Rang im Teamwettkampf. Und nun der Taucher auf WM-Rang 20. Auch wenn ich nun die Fütterung des Phrasenschweins riskiere, dachte ich für mich innerlich nach dem Tag in Liverpool: «So ist nun mal der Sport.» Unberechenbar, unvorhersehbar und unplanbar. Entsprechend gedrückt war fortan die Stimmung in unserer Delegation.
Andererseits sagte ich mir: Vielleicht ist es eben auch diese Ungewissheit, wer am Ende jubelnd zuoberst steht oder niedergeschlagen nach einer Enttäuschung nach dem Wieso und Warum sucht, welche die Faszination am Sport ausmacht. Als die Athleten und Trainer nach dem Wettkampf in der Mixed-Zone auftauchten, suchten alle nach Gründen und Worten. Die Leere unmittelbar nach dem Wettkampf war spürund sichtbar. Sport kann bei Erfolg so schön sein und bei einer Niederlage so weh tun.
Nimmt man das Beispiel des Beatles-U-Boots, so folgt nach jedem Tiefgang auch wieder der Aufstieg. Das nächste Hoch kommt bestimmt. Glücklicherweise bietet sich Ende Monat bereits die nächste Möglichkeit. Am Swiss Cup Zürich können die Schweizer ihr Können erneut zeigen. Getragen vom Heimpublikum sind die Chancen gross, dass ein weiterer Taucher ausbleiben wird und man sich bald beim Wort Liverpool wieder nur an das «Yellow Submarine» der Beatles zurückerinnern wird.
Thomas Ditzler arbeitet beim Schweizerischen Turnverband und ist ehemaliger «Volksstimme»-Sportredaktor.