Tierschützer schauen Jägern auf die Finger
24.11.2022 Lausen, NaturTreibjagd wegen Überraschungsgästen abgebrochen
Die Treibjagd der Lausner Jagdgesellschaft vom 14. November wurde vorzeitig abgebrochen, weil sich die Jäger von Tierschutzaktivisten gestört sahen. Aktionen wie diese sind fürs Baselbiet neu. In Zukunft muss häufiger damit gerechnet ...
Treibjagd wegen Überraschungsgästen abgebrochen
Die Treibjagd der Lausner Jagdgesellschaft vom 14. November wurde vorzeitig abgebrochen, weil sich die Jäger von Tierschutzaktivisten gestört sahen. Aktionen wie diese sind fürs Baselbiet neu. In Zukunft muss häufiger damit gerechnet werden.
Christian Horisberger
Jäger in Deutschland kennen Störmanöver von Tierschützern schon seit längerer Zeit, für die Region ist sie neu: Tierschutzaktivisten in auffälligen Warnwesten begleiten Treibjagden, machen Fotos und Videos und stellen das Bildmaterial und ihre Kommentare anschliessend ins Internet.
Am 14. November traten Aktivisten der Gruppe «Basel Animal Save» (siehe Kasten) bei einer Treibjagd in Lausen in Erscheinung. Die von der Präsenz der Tierschützer überrumpelten Jägerinnen und Jäger riefen die Polizei. Diese nahm die Personalien von drei Personen auf und verwies sie des Waldes. Die Jagdgesellschaft brach die Jagd nach dem ersten von zwei geplanten Trieben vorzeitig ab. «Basel Animal Save» beziehungsweise deren Untergruppe «Hunt Watch – Stop Hunting» dokumentiert ihren Einsatz in Lausen auf ihrem Facebook-Profil triumphierend: «Tiere töten ist feige: Lausner Treibjagd wegen unserer Jagdbeobachtung abgebrochen!»
Olivier Bieli, Gründer und Kampagnenleiter der Gruppe «Hunt Watch», wirkte bei der Aktion Lausen mit. Er begrüsse den Jagdabbruch, weil dadurch keine weiteren Tiere getötet werden konnten, sagt er auf Anfrage der «Volksstimme». Doch sei der Abbruch nicht das eigentliche Ziel solcher Aktionen: «Von Störungen und Blockaden distanzieren wir uns deutlich: Wir betreten während einer Jagd lediglich freigegebene Wege.» Stattdessen würden die Aktivisten von «Hunt Watch» beobachten und dokumentieren. Bisher, so Bieli, hätten Jägerinnen und Jäger im Wissen, unbeobachtet zu sein, im Wald tun und lassen können, was sie wollten. «Nun sind wir da und schauen genau hin. Ein Ziel dabei ist es, aufzuzeigen, wie rücksichtslos die Jagd gegenüber der Natur ist und dass es sich um legalisierte Tierquälerei und einen Blutsport handelt», so Bieli.
Aussage gegen Aussage
Den «Beweis» dafür tritt «Hunt Watch» mit der Schilderung folgender Beobachtung auf Facebook an: «Während der heutigen Treibjagd mit Hunden in Lausen wurde ein Reh schwer verletzt. Als ein anwesender Jäger das noch lebende Tier entdeckte, brach er diesem vor unseren Augen das Genick.» Ein solches Vorgehen widerspräche den Regeln der Jagd. Demnach müsste ein angeschossenes Tier mit einem Fangschuss oder einem Messerstich ins Herz «erlöst» werden. Letzterer kommt laut Jagdfachleuten äusserst selten zur Anwendung.
«Das ist eine Fehlinformation. Diese Aussage entbehrt jeglicher Grundlage»: Adrian Leuenberger, Präsident der Jagdgesellschaft Lausen und Jagdleiter am 14. November, ist fassungslos, wie jemand eine solche Behauptung in den Raum stellen kann. Einerseits sei das Reh, auf das sich der Eintrag von «Hunt Watch» bezieht, mit einem einzigen Schuss getötet worden. Andererseits widerspräche ein solches Vorgehen jeglicher Jagd-Ausbildung und Ethik: «Wir sind alle erfahrene Jäger. Keiner von uns würde auf die Idee kommen, so etwas zu tun.» Auch Martin Thommen, Präsident von Jagd Baselland, hat keine Hinweise auf einen Verstoss gegen das Tierschutzoder Jagdgesetz in Lausen erhalten. An jeder Treibjagd sei mindestens ein Jagdaufseher beteiligt, mit dem Auftrag, Unregelmässigkeiten zu melden. Dies sei nicht der Fall gewesen, daher bestehe für ihn kein Anlass, der Sache weiter nachzugehen.
Der Jagdgesellschaft Lausen windet Thommen für ihr «vorbildliches» Verhalten ein Kränzchen: Der «Besuch» der Tierschützerinnen und -schützer sei für die Verantwortlichen der Treibjagd völlig unvorbereitet gekommen. Dennoch hätten sie alles richtig gemacht: ihre Waffen entladen, die Polizei aufgeboten, Konfrontationen vermieden und die Jagd abgebrochen.
Aktionen von Tierrechtsaktivisten wie die in Lausen sind bislang weder bei der Baselbieter Polizei noch bei der kantonalen Jagdverwaltung oder bei Jagd Baselland aktenkundig. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass es zu weiteren Aktivitäten dieser oder ähnlicher Organisationen kommen wird. Tatsächlich kündigt Olivier Bieli an, die «Beobachtungen» von Treibjagden fortzusetzen – auch im nahen Ausland, wo ebenfalls viele Schweizer jagen würden: «Wir werden jede Möglichkeit nutzen, die sich ergibt.»
Handlungsempfehlung
Jagd Baselland hat aufgrund des Ereignisses in Lausen bereits eine Handlungsempfehlung herausgegeben: Bei direkten Begegnungen mit Aktivisten sei als Erstes die Waffe zu entladen. «Sicherheit ist an oberster Stelle», sagt dazu Jäger-Präsident Thommen. Ferner gelte es, Ruhe zu bewahren, sich nicht provozieren zu lassen, nicht zu provozieren und sich nicht auf Diskussionen einzulassen, die ohnehin zu nichts führten: «Dafür sind die Positionen viel zu weit voneinander entfernt.» Sollte es in Richtung Eskalation gehen, so eine weitere Empfehlung, sei die Polizei zu rufen und die Jagd abzubrechen.
Die Ratschläge haben ein erstes Mal offenbar gegriffen. Vor wenigen Tagen markierte Bielis Gruppe an einer Treibjagd in Arlesheim Präsenz. Die Tierschützer hätten den Jagdbetrieb nicht behindert und – anders als in Lausen – wurden die Teilnehmenden der Jagd nicht überrumpelt, sagt Jäger-Präsident Thommen. Der Jagdtag sei planmässig über die Bühne gegangen. Dies «bestätigt» der Eintrag auf der Facebook-Seite von «Hunt Watch» zur Arlesheimer Treibjagd. In einem Video erklärt Olivier Bieli, wo man sich befindet und wofür seine Organisation steht. Im Gegensatz zum «Protokoll» von Lausen wird aus Arlesheim nicht über angebliche Unregelmässigkeiten berichtet. Einen handfesten Beweis für die Behauptung, das Tier in Lausen sei durch Genickbruch zu Tode gekommen, bleibt «Hunt Watch» auf Facebook übrigens schuldig. Die Tat sei «vor unseren Augen» passiert, heisst es. Fotos und ein inzwischen gelöschtes Video zeigen lediglich Jagdteilnehmende, die eine Stange tragen, an der das tote Tier kopfüber hängt. Auf unsere Erkundigung nach einem Beleg für den Vorwurf der Tierquälerei erklärt Bieli, dass der Genickbruch zu schnell gegangen sei, um diesen zu filmen. Es existiere nur ein unscharfes Foto aus der Ferne.
Gegen Ausbeutung von Tieren
ch. Die Organisation «Basel Animal Save» existiert seit fünf Jahren. Ihre Kampagnen richten sich gegen sämtliche Industrien, «die darauf ausgelegt sind, Tiere auszubeuten»: Zoos, Zirkusse, die Jagd, die tierverarbeitende Lebensmittel- und Modeindustrie, Tierversuche, Kleintierzüchter, Qualzuchten, Wildtierhandel, Exotenbörsen sowie Traditionen wie Fasnachtspferde, Sechseläuten oder Gansabhauet. Am Eidgenössischen Schwingfest in Pratteln hatte «Basel Animal Save» gegen das Ausstellen und Vergeben von lebenden Tieren als Preise demonstriert. Der Basler Gruppe gehören gemäss Oliver Bieli rund 50 Aktive an.
Auch bei Jagd kein Betretungsverbot
ch. Laut Gesetz gibt es für den Wald – auch in Privatbesitz – kein Betretungsverbot. Selbst wenn mit Signalisationen vor einer laufenden Treibjagd gewarnt wird, ist der Zutritt grundsätzlich erlaubt – und laut Jagd-Baselland-Präsident Martin Thommen ungefährlich, solange man sich auf den Waldwegen bewege: Sicherheit habe für die Jägerinnen und Jäger höchste Priorität, das werde ihnen in der Ausbildung eingeimpft. Verboten ist laut eidgenössischem Jagdgesetz hingegen die vorsätzliche Störung oder Behinderung des Jagdbetriebs unter Androhung einer Busse von bis zu 20 000 Franken. Dies, damit es der Jägerschaft möglich ist, die im Jagdgesetz geforderte Regulierung des Wildbestands umzusetzen, wie der Baselbieter Jagd- und Fischereiverwalter Holger Stockhaus ausführt. Der blosse Aufenthalt auf Waldwegen – auch im Gebiet, in dem gerade ein Trieb stattfindet, ist somit rechtmässig. Wenn auch nicht unbedingt zu empfehlen …