Kalte Füsse

Ich habe kalte Füsse bekommen. Nicht im übertragenen Sinn, nein, ganz wörtlich. Ich habe kalte Füsse bekommen und bin deswegen aufgewacht. Es ist kurz nach vier Uhr morgens und ich liege wach im Bett und friere. Bereits die dritte Nacht in Folge ist es, dass ich nicht schlafen kann, weil sich meine Füsse in Eisklumpen Grösse 39 verwandelt haben. Das nervt.

Frieren an sich ist nichts Ungewohntes für mich – ich bin allgemein ein «Gfröörli». Eine angenehme Zimmertemperatur beginnt für mich bei 25 Grad, warme Finger habe ich zwischen Oktober und Mai grundsätzlich nie, ausser ich setze mich direkt vor einen Heizkörper. Ohne einen dicken Schal gehe ich nirgendwo hin und ohne bunten Nagellack würde auffallen, dass meine Fingernägel ab und zu sogar zart veilchenblau anlaufen, weil sie so schlecht durchblutet sind. Aber dass ich sogar nachts kalt habe und davon wach werde, ist neu und darf auf keinen Fall zur Gewohnheit werden. Ich gehöre nämlich nicht zu dem Typ Mensch, der gut mit wenig Schlaf zurechtkommt.

Also überlege ich, was ich tun könnte: Noch eine Decke? Das wäre zwar die dritte, aber was solls. Nur müsste ich mich zuerst auf die Suche nach einer machen und dafür bin ich zu müde und zu faul. Ich könnte auch noch was anziehen, allerdings liege ich schon in Vollmontur, mit zwei Pullovern, den wärmsten Hosen, die ich finden konnte, und dicken Socken unter meinen zwei Decken. Und ob es sich mit Handschuhen, Kappe und Schal bequem schlafen lässt? Oder ich könnte mir einen Tee machen. Dass der aber gegen meine kalten Füsse hilft, bezweifle ich. Ich könnte mir auch ein oder zwei Katzen holen, das sind sowieso die besten mobilen Heizöfen. Nur tun die selten, was man will, und liegen auch lieber irgendwo, wo es schon schön warm ist, und nicht auf meinen tiefgefrorenen Flossen.

Mittlerweile ist es kurz vor halb fünf und mir fehlt noch immer die zündende Idee zur Erwärmung meiner Füsse. Ich bräuchte etwas, das wärmt wie eine Katze, aber nicht wegläuft. Und da fällt es mir ein: eine Wärmflasche! Dass mir das nicht schon früher in den Sinn gekommen ist! Schliesslich gabs früher immer eine Bettflasche, wenn ich bei meiner Grossmutter übernachtet habe, gefroren habe ich da sicher nie. Und ich weiss sogar genau, in welchem Schrank ich eine Bettflasche samt zugehörigem Überzug mit weihnächtlichem Schneeflockenmuster finde.

Es ist kurz vor sechs und ich muss schon bald aufstehen. Aber das spielt keine Rolle. Ich liege im Bett und schlafe schon fast wieder. Endlich warme Füsse – Wärmflasche sei Dank!

Michèle Degen, Redaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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