Wenn die Hungerwolke kommt
20.10.2022 ZiefenMilena Tebiri veröffentlicht Buch über «Binge Eating»-Störung
Die Ziefner Autorin Milena Tebiri sensibilisiert mit «Die Hungerwolke» rund um die Essstörung BED. Sowohl Kinder als auch Erwachsene sollen durch die Geschichte erreicht werden und wissen, ...
Milena Tebiri veröffentlicht Buch über «Binge Eating»-Störung
Die Ziefner Autorin Milena Tebiri sensibilisiert mit «Die Hungerwolke» rund um die Essstörung BED. Sowohl Kinder als auch Erwachsene sollen durch die Geschichte erreicht werden und wissen, wie mit der Krankheit umgegangen werden kann.
Lisa Zumbrunn
Die siebenjährige Mona hat es nicht einfach. Sie vermisst ihren Vater, der nicht mehr zu Hause wohnt. Die Mutter und die ältere Schwester sind im Gegensatz zu ihr gross, schlank und haben schöne blonde Haare. Diese geben ihr das Gefühl, mit ihrem Aussehen nicht zu genügen. Auch die Kinder in der Schule werten sie und lassen Mona nicht mitspielen. Dies ist die Ausgangslage des neu erschienenen Buches «Die Hungerwolke» der Ziefnerin Milena Tebiri. Die 46-jährige Autorin spricht mit der Geschichte die Krankheit der «Binge Eating Disorder» an, die sich durch regelmässige Essanfälle äussert.
Die kleine Mona in der Geschichte unterdrückt ihre negativen Gefühle nämlich, indem sie Süssigkeiten und weitere Lebensmittel innert kurzer Zeit heimlich in sich hineinstopft. Sie stellt sich dabei eine «Hungerwolke» vor, die durch ihre schlechten Gedanken aufzieht. Durch das Überessen vergisst Mona diese kurzzeitig, danach ist sie jeweils umso verzweifelter. Ihr Leid prasselt dann wie kalter Regen aus der Hungerwolke auf sie herunter.
Mit dem Buch thematisiert Tebiri eine weniger bekannte Ausprägung unter den Essstörungen. Anders als bei Bulimie (Essbrechsucht) oder Anorexie (Magersucht) sind ausbleibende Mahlzeiten oder Erbrechen keine typischen Merkmale. Vielmehr können die Essattacken zu Übergewicht führen. Obwohl die «Binge Eating»- Störung, kurz BED, in der Gesellschaft weniger bekannt ist, tritt sie als häufigste Essstörung auf. Die Aufklärung durch das Buch ist Tebiri ein besonderes Anliegen. Sie selbst litt über Jahre hinweg unter BED.
«Als Kind wäre ich froh gewesen»
«Als Kind wäre ich froh gewesen, hätte ich ein solches Hilfsmittel zur Verfügung gehabt», sagt Tebiri. Die Idee für das Buch kam ihr nach einem Aufruf von Paula Kuitunen, der Initiatorin von «mindcolors». Das Projekt setzt sich für die Entstigmatisierung von Personen mit psychischen Krankheiten ein und suchte dafür Autorinnen und Autoren. Mittels Facebook hat Milena Tebiri von Kuitunen und «mindcolor» erfahren. Die Ziefnerin machte sich sofort an die Arbeit und schrieb «Die Hungerwolke». Auch die Künstlerin Anna-Charlotte Lörzer leistete vollen Einsatz. «Innert kurzer Zeit hat sie die gesamten Illustrationen durchgebrettert», sagt Tebiri mit einem Lachen.
So ist das beim Mabuse-Verlag erschienene Gesamtwerk nach gut einem Jahr Entstehungszeit seit Ende September im Verkauf erhältlich. Neben der illustrierten Geschichte besteht dieses aus einem umfangreichen Informationsteil über BED, der von Fachpersonen verfasst wurde. Für wen ist das Buch denn nun geeignet? Tebiri erklärt: «Offiziell gilt es als Kinderbuch, es eignet sich aber auch klar für Erwachsene.» Die Geschichte soll besonders Kindern aufzeigen, dass sie nicht allein oder falsch sind und es Lösungen für die Krankheit gibt. Für Bezugspersonen soll das Buch besonders mit seinem Fachteil das Gefühl der Hilflosigkeit nehmen, welches häufig entsteht. «Ich möchte Menschen mit ‹Die Hungerwolke› Hoffnung geben», so Tebiri.
Persönliche Geschichte
Für die zweifache Mutter ist die Publikation der Geschichte ein mutiger Schritt. Milena Tebiri selbst litt lange Jahre unter Essanfällen und lernte erst Ende 20, damit umzugehen. Bis jetzt sei sie mit ihrer eigenen Geschichte nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Bis auf ihr näheres Umfeld wusste niemand davon. «Dies ist in gewissem Masse schon ein Outing.» Natürlich würde es sie selbst als Leserin auch interessieren, wie die Autorin zur Geschichte steht. Deshalb hat sich Tebiri für den offenen Umgang bezüglich persönlicher Erfahrungen mit BED entschieden.
Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung hat die 46-Jährige schon einige Rückmeldungen erhalten. «Es ist schon erschreckend, wie viele sich durch das Buch angesprochen fühlen», erzählt sie. Auch von Erwachsenen seien Nachrichten eingegangen, die tief berührt von der Geschichte waren. «Eine Person schrieb mir, sie sei nach dem Lesen in Tränen aufgelöst gewesen.» Dies zeigt: Ein Ziel hat Milena Tebiri bereits erreicht. «Die Hungerwolke» löst Reaktionen aus und enttabuisiert die «Binge Eating»- Störung. Gerade auch für Schulen sieht sie das Potenzial, BED mittels ihrer Publikation frühzeitig zu erkennen und zu sensibilisieren. So sagt sie: «Ich bin gespannt, wo dies alles hinführt.»
Zur Person
zli. Die Autorin Milena Tebiri lebt mit ihrer Familie in Ziefen. Neben ihrem Bürojob in Basel schreibt sie seit einigen Jahren Geschichten. «Die Hungerwolke» ist Tebiris erstes fremdveröffentlichtes Buch. Bereits im Self Publishing erschien vor gut einem Jahr «Das Vogelnest». Öffentlich hören kann man die Autorin an ihrer Buchvernissage am morgen Freitag, 21. Oktober, um 18.30 Uhr, im «Chesi»-Café in Ziefen.