Peter Hemmig setzt sich für die Erhaltung historischer Bausubstanz ein
Das Müllerhaus in Zunzgen war für den Abbruch schon freigegeben. Doch dann wurde eine gotische Decke im Erdgeschoss entdeckt. Dies ist die Geschichte einer Rettung in letzter Minute.
Paul Aenishänslin
Peter Hemmig hat schon mit der Erhaltung anderer Häuser aus früherer Zeit Erfahrungen gesammelt, die ohne sein Engagement vor einer ungewissen Zukunft gestanden hätten. Ein Beispiel ist die «Laubsägelivilla» in Gelterkinden, die einst vom bekannten Baselbieter Kunstmaler Fritz Pümpin bewohnt worden war. Hemmigs jüngstes Projekt ist die Renovation des Müllerhauses in Zunzgen an der Mühlegasse 9. Werfen wir zuerst einen Blick in die Baugeschichte dieses Hauses aus dem Spätmittelalter.
Dass die Liegenschaft noch steht, ist eigentlich ein kleines Wunder. Im Quartierplan war nämlich vorgesehen, Mühle und Müllerwohnhaus abzubrechen und an deren Stelle einen sogenannten Ersatzneubau hochzuziehen. Die Abbruchbewilligung war rechtskräftig. Vor dem Vollzug des Abbruchs sollte durch die Archäologie Baselland einzig noch eine Bauuntersuchung durchgeführt werden.
Diese brachte eine grosse Überraschung ans Licht: Im Erdgeschoss befand sich, gut versteckt unter neueren Verschalungen, eine integral erhaltene gotische Holzdecke, wie sie in der Nordwestschweiz nur noch sehr selten vorhanden ist. Die Jahrringanalyse zur Bestimmung des Alters des Holzes ergab das Jahr 1555. Der Wert dieses Fundes wurde durch die Kantonale Denkmalpflege sofort erkannt. Mit der Bauherrschaft konnte vereinbart werden, auf einen Abbruch vorläufig zu verzichten, währenddessen versucht werden sollte, eine Käuferschaft zu finden.
Ein Versehen des Baggerführers …
Im Lauf dieser Suche, im Januar 2016, waren die Abbrucharbeiten am angebauten Mühlegebäude fortgesetzt worden. Wohl aus einem Versehen heraus hatte der Baggerführer aber auch das Wohnhaus ins Visier genommen. Innert Stunden wurden die Brandmauer zum Mühlegebäude und Teile des Dachstocks zerstört. All dies blieb jedoch nicht unbemerkt. Das zuständige Bauunternehmen hatte eine Webcam installiert, um den Baufortschritt für Kaufinteressenten zu dokumentieren. So konnte die Denkmalpflege live mitverfolgen, was sich auf dem Bauplatz abspielte. Die Telefonleitungen liefen heiss und – oh Wunder – der Bagger zog ab. Das Wohnhaus blieb im Wesentlichen stehen.
2018 konnte Peter Hemmig das Müllerhaus an der Mühlegasse 9 in Zunzgen erwerben. Seither laufen die Arbeiten zu dessen Renovation. Das Dachgeschoss sowie das erste Obergeschoss sind fertiggestellt. Nun laufen die Arbeiten im Erdgeschoss mit der historisch wertvollen gotischen Decke an. Im «Nachgefragt» äussert sich Peter Hemmig zu einzelnen Aspekten einer derartigen Renovation. Sein Leitmotiv: die Erhaltung historischer Bausubstanz.
Zur Baugeschichte
pae. In der späten Gotik, im 16. Jahrhundert, wies das Erdgeschoss des Hauses an der Mühlegasse 9 in Zunzgen mit der komfortablen Raumhöhe, dem breiten Korridor und der aufwendigen Decke sowie durch die Gestaltung der Fenster auf die hohe gesellschaftliche Stellung der Besitzer hin. Nicht zu vergessen sei auch der Weinkeller mit den soliden eichenen Deckenbalken.
Aus dem 17. Jahrhundert stammt die Jahrzahl 1630 neben der hinteren Rundbogentüre, über dem Eingang zum Mühlengebäude. Von hervorragender Ausstattung zeugt ein Paar Türbänder an einer Tür im Obergeschoss.
Im 18. Jahrhundert genügten die Raumhöhe und die Belichtung im Obergeschoss den Ansprüchen der Bewohner nicht mehr: Die Decke wurde angehoben und ein neuer Dachstuhl errichtet, der mit seiner enormen Stabilität darauf ausgelegt war, mit Korn schwer belastet zu werden. Die Räume zur Platzseite hin erhielten grosse, schlichte Fensteröffnungen mit Gewänden aus einheimischem Gisibergerstein. Die hohen, lichten Zimmer konnten ihre barocken Türen bewahren.
Aus der Zeit des Biedermeier, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verkündet eine ausnehmend breite, üppig dekorierte und geschnitzte Haustür mit zweifachem Müllerzeichen den Stolz des Hausherrn. Ihm verdankt das Haus im Obergeschoss einen klassizistischen Wandschrank und schlichte Stuckdecken. Die hochwertigen eichenen Fensterflügel sind zwar in allerneuster Zeit verschwunden, aber wieder originalgetreu nachgebaut worden.
Seit dem späten 19. Jahrhundert stand das markante Haus still, um dann im Lauf des 20. Jahrhunderts allmählich «herunterzukommen». In den vergangenen Jahrzehnten schlecht und recht unterhalten, wurde es trotz seiner eigentlich guten Substanz und seines klaren, grosszügigen Grundrisses als Abbruchobjekt taxiert.
Bei den dendrochronologischen Holzaltersbestimmungen ist vonseiten der Archäologie festgestellt worden, dass der Balkenstumpf im Giebel aus dem Jahr 1463, die Deckenbalken im Erdgeschoss aus dem Jahr 1555 und die Bauhölzer des Dachwerks aus dem Jahr 1765 stammen.
Quellen: Archäologie Baselland, Jahresbericht 2015, Dokumentation und Funde. Jakob Steinmann, «Das Wohnhaus der Mühle Zunzgen», «Die spätgotische Decke im Erdgeschoss».