«Wir werden das flicken»
09.09.2022 Bezirk Sissach, KilchbergJürg Gohl
Herr Straumann, es heisst, Sie hätten selber Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher Ihre Hilfe in der aktuellen Situation angeboten. Stimmt das?
Erich Straumann: Natürlich. In der «Volksstimme» habe ich von der Notsituation gelesen. Dabei ...
Jürg Gohl
Herr Straumann, es heisst, Sie hätten selber Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher Ihre Hilfe in der aktuellen Situation angeboten. Stimmt das?
Erich Straumann: Natürlich. In der «Volksstimme» habe ich von der Notsituation gelesen. Dabei wurde sogar mein Name erwähnt. So dachte ich mir, dass ich mit meiner Erfahrung, die ich in Hersberg gesammelt habe, hier helfen könne – ehrenamtlich, versteht sich. Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher nahm mein Angebot jedenfalls dankend an. Ich engagiere mich gerne für dieses kleine, schöne Dorf. Im Gegensatz zu Hersberg damals besteht kein offizielles Mandat. Zumindest offiziell weiss die Regierung nichts von meinem Engagement.
Am Mittwoch trafen Sie sich bereits mit dem Gemeinderat. Wie fielen Ihre ersten Eindrücke aus?
Wichtig war mir, möglichst viele Informationen einzuholen und vor allem zuzuhören. Ich gewann den Eindruck, dass in Kilchberg atmosphärisch alles in Ordnung ist. Das ist schon mal eine wichtige Ausgangslage. Kurz: Ich bin zuversichtlich. Es wird zwar eine intensive Arbeit mit vielen Gesprächen nötig sein, aber wir werden das flicken. Vielleicht reicht es nicht gleich bis zum 25. September, dem Datum, das der Kanton als Frist gesetzt hat.
Der Gemeindepräsident sagte, dass in Kilchberg allen die Situation bewusst sei und alle denkbaren Kandidaten und Kandidatinnen bereits erfolglos angesprochen worden seien. Woher nehmen Sie ihre Zuversicht?
Am kommenden Dienstag findet eine Informationsveranstaltung statt. 20 bis 30 Interessierte kommen sicher. Davon werden doch noch zwei zu gewinnen sein, selbst wenn die Namen noch nicht am gleichen Abend feststehen. Es geht ums Motivieren. Dazu gehört auch der Hinweis, dass ein Statthalter für die Gemeinde auch Kosten auslöst. Zudem glaube ich, dass eine Stimme von ausserhalb der Gemeinde mehr Gewicht hat, zumal ich bereits einmal einer Gemeinde geholfen habe, aus einer ähnlichen Lage herauszufinden.
Lieber Rat oder Rätin?
Hauptsache, die Vakanzen sind besetzt. Wenn ich wünschen könnte, dann muss eine Frau, noch lieber zwei, dabei sein. Ich entwickle mich offensichtlich zum Frauenförderer.
Wie motivieren Sie als langjähriger Gemeindepräsident von Wintersingen jemanden, sich im Gemeinderat zu engagieren?
Zuerst geht es darum, Neuen die Angst vor der Verantwortung und vor allem vor der Kritik aus der Öffentlichkeit zu nehmen. Ich werde neuen Gemeinderatsmitgliedern auch eine Art Werkzeugkasten auf den Weg mitgeben, damit sie sich in ihrem Amt schnell zurechtfinden. Wir wollen aufzeigen, dass ein Gemeinderatsmandat sehr erfüllend und bereichernd sein kann, weil man in einem kleinen Team wie kaum anderswo in der Politik eigene Ideen umsetzen kann und dabei viel Gestaltungsraum hat. Das geht nur in der Exekutive.
In Waldenburg buhlen aktuell zwar vier Personen um zwei vakante Sitze im Gemeinderat. Doch in der Regel herrscht immer häufiger Personalnot. Wo müssen wir ansetzen, damit sich solche Übungen wie in Kilchberg und damals in Hersberg nicht häufen? Muss der Kanton Profi-Gemeinderäte als Aushilfe zur Verfügung stellen?
Der Kanton und die Gemeinden müssen sich ernsthafte Gedanken zu Fusionen machen. Denkbar ist auch, dass benachbarte Gemeinden ihre Verwaltungen zusammenlegen und so den Gemeinderat erheblich entlasten können. Es ist wohl kein Zufall, dass Hersberg mit Arisdorf und Kilchberg mit Rünenberg und Zeglingen die Verwaltungen längst zusammengelegt haben. Beide denken auch schon laut über eine Fusion nach.
Erfolgreicher Helfer
jg. Als die Baselbieter Regierung vor 14 Jahren erstmals in ihrer damals 175 Jahre umfassenden Geschichte einen Statthalter bestimmen musste, weil die Gemeinde Hersberg nicht mehr die Mindestzahl an Gemeinderäten stellen konnte, war die Wahl schnell getroffen: Die Regierung delegierte ihr früheres Mitglied, den SVP-Regierungsrat Erich Straumann, um die Gemeinde wieder in die Spur zu bringen. Dieses Vorgehen wird vom Gemeindegesetz vorgeschrieben, und ihm war Erfolg beschieden.
Aktuell steht Kilchberg vor dem gleichen Problem wie damals Hersberg (siehe «Volksstimme» vom 30. August). Dort sind zwei Mitglieder im dreiköpfigen Gemeinderat zu ersetzen. Interessierte sind nicht in Sicht, und «Liestal» erwartet bis zum 25. September eine Lösung. Doch nun hat sich aus eigenem Antrieb ein Helfer eingeschaltet: Der 77-jährige Erich Straumann aus Gelterkinden.
Informationsanlass
jg. Auf den kommenden Dienstag (19 Uhr im Gemeindesaal) lädt der aktuelle Gemeinderat alle Einwohnerinnen und Einwohner von Kilchberg zu einem Informationsanlass ein. Er will dabei über «die interessante Arbeit und den zeitlichen Aufwand» im Gemeinderat orientieren. Erich Straumann, der frühere SVP-Regierungsrat, wird dabei auch über seine Erfahrungen in der Gemeinde Hersberg berichten, die sich 2008 in einer ähnlichen Lage befunden hat.