«Fusion ist schlechteste Lösung»
15.09.2022 Bezirk Sissach, KilchbergChristian Horisberger
Erich Straumann konnte seine Enttäuschung nach getaner Arbeit nicht verhehlen. Nur acht Teilnehmende waren am Dienstag zum Informationsabend übers Gemeinderatsamt in Kilchberg erschienen, an dem der frühere Zwangsverwalter von Hersberg ...
Christian Horisberger
Erich Straumann konnte seine Enttäuschung nach getaner Arbeit nicht verhehlen. Nur acht Teilnehmende waren am Dienstag zum Informationsabend übers Gemeinderatsamt in Kilchberg erschienen, an dem der frühere Zwangsverwalter von Hersberg mitwirkte.
Der langjährige Wintersinger Gemeinderat und alt Regierungsrat möchte den Kilchbergern aus der Patsche helfen: Seit Januar ist ein Sitz im dreiköpfigen Gemeinderat verwaist, im Dezember wird mit dem Rücktritt von Peter Zehntner ein weiterer Sitz frei (die «Volksstimme» berichtete).
«Wir müssen die Kuh vom Eis bringen», appellierte Straumann an die Anwesenden. «Ziel des heutigen Abends ist, dass alle im Saal bleiben, bis wir zwei Gemeinderäte haben. So lange bleiben die Türen verschlossen», scherzte er zunächst. Der 77-Jährige erzählte dann von der Situation, die er damals in Hersberg angetroffen habe. Anders als in Kilchberg habe dort ein vergiftetes, von Misstrauen geprägtes Klima geherrscht und die Verwaltung funktionierte nicht gut. «Bei euch aber ist alles im grünen Bereich», so Straumann. Er verstehe daher nicht, weshalb die Kilchberger nicht im Gemeinderat mitgestalten wollten. Das «Wir-Gefühl» im Dorf müsse gestärkt werden, folgerte er.
Er betonte ferner, wie wertvoll Frauen in der Politik seien. In seiner Laufbahn habe er sie stets als grosse Bereicherung empfunden. Es gebe fraglos viel zu lernen, um das Gemeinderatsamt ausüben zu können, aber das sei zu schaffen. Auch «vor die Leute zu stehen», was sich viele Frauen nicht zutrauen würden, sei lernbar. Neue Gemeinderätinnen und -räte müssten beim Start unterstützt werden. In Hersberg habe er für diese beispielsweise ein Drehbuch für die «Gmäini» geschrieben.
Keine Braut für Fusion
Erich Straumann zeigte auf, was geschieht, falls sich keine neuen Gemeinderäte finden sollten: Zunächst käme es zu einer auf ein Jahr befristeten Zwangsverwaltung durch den Kanton mit dem Ziel, den Gemeinderat voll zu besetzen. Scheitert die Mission, wäre eine Fusion mit einer anderen Gemeinde anzustreben.
Dazu brauche es jedoch eine bereitwillige Braut. Das ist gemäss Gemeinderat Peter Zehntner nicht der Fall: Der Gemeinderat habe in Nachbargemeinden angeklopft und lauter Körbe erhalten – den letzten erst kürzlich. Falls sich doch eine Fusionspartnerin fände, würde es laut Straumann vier bis zehn Jahre dauern, bis der Zusammenschluss vollzogen ist. Diese würde einen Identitätsverlust und weniger Selbstbestimmung bedeuten und für die «Hochzeit» müssten 200 000 Franken und mehr hingeblättert werden. Nicht zu vergessen: Auch für den Fusionsprozess bräuchte es einen funktionierenden Gemeinderat. Straumann machte keinen Hehl daraus, was er von einer Fusion hält: «Das wäre die schlechteste aller Lösungen für euer Dorf.» Die Kilchberger – so macht es den Anschein – sind einer Fusion gegenüber offener eingestellt als Straumann. Präsident Marcel Eschbacher jedenfalls outete sich als Befürworter.
Ein Kandidat in Startlöchern
Als das Wort frei gegeben wurde, widersprach die frühere Gemeindepräsidentin Myriam Wyprächtiger der Aussage Erich Straumanns in einem Interview in der «Volksstimme», wonach Gemeinderätinnen und -räte eigene Ideen umsetzen könnten und Gestaltungsfreiraum hätten. Der Kanton gebe das meiste vor, die knappen Finanzen der Gemeinde engten den Spielraum zusätzlich ein. Daher verstehe sie die Zurückhaltung für ein Mitwirken im Gemeinderat. Eine andere Teilnehmerin des Info-Abends erkundigte sich nach der Mitsprache der Kilchberger nach einer allfälligen Gemeindefusion.
Nur ein Teilnehmer, ein jüngerer Mann, erkundigte sich nach konkreten Aufgaben und Abläufen im Amt und dem Vorgehen bei der Ressortverteilung. Wie von Peter Zehntner zu erfahren war, habe er den Mann im Vorfeld des Informationsabends für das Gemeinderatsamt interessieren können und er erwarte für die Ersatzwahl am 25. September dessen Kandidatur.
Straumans «Drohung», die Türen erst bei zwei Kandidaturen wieder zu öffnen, wurde nicht wahr gemacht. Dafür gab es eine Hausaufgabe: Präsident Aeschbacher forderte die Anwesenden auf, die Informationen des Abends unters Volk zu bringen.