Die Kavallerie bringt sich in Position
23.09.2022 Baselbiet, Region
Otto Graf
Vor 50 Jahren wurde die Kavallerie als Truppengattung aus der Armee ausgemustert. Der Entscheid des Bundes warf damals hohe Wellen, die in einer Petition an Bundesrat und Parlament gipfelten und von 750 000 Personen unterschrieben wurde. Gefruchtet ...
Otto Graf
Vor 50 Jahren wurde die Kavallerie als Truppengattung aus der Armee ausgemustert. Der Entscheid des Bundes warf damals hohe Wellen, die in einer Petition an Bundesrat und Parlament gipfelten und von 750 000 Personen unterschrieben wurde. Gefruchtet hat es nichts. Die Kavallerie als Bestandteil der Armee ist Geschichte. Geblieben sind bis zum heutigen Tag jedoch das Pflegen und Bewahren der Kavallerietradition. So wurden alle zehn Jahre auf dem Aarauer Schachen eintägige Gedenkanlässe durchgeführt. Und heuer erinnern die Schweizer Kavallerie-Schwadron 1972 und die Berner Dragoner 1779 mit einem zehntägigen Gedenkritt über total 225 Kilometer an den Entscheid vor 50 Jahren.
Vor einer Woche rückten 75 ehemalige Dragoner mit ihren Pferden auf den Artilleriewaffenplatz Bière ein und übernahmen die Schwadronsstandarte. In acht Tagesetappen zwischen 30 und 40 Kilometern verschob und verschiebt sich der Verband durch den Jura auf den letzten Kavalleriewaffenplatz der Armee nach Aarau. Dort endet übermorgen Sonntag der Jubiläumsanlass in der Kaserne mit der Abgabe der Standarte, wie der Website zum Anlass zu entnehmen ist.
Die Veranstaltung wurde von der Schweizer Armee bewilligt und wird im Rahmen der ausserdienstlichen Tätigkeiten grosszügig unterstützt. Zum Übernachten stellt die Armee Kasernen und Truppenunterkünfte zur Verfügung. In der kommenden Nacht gastiert die Schwadron im General-Wille-Haus in Hauenstein-Ifenthal und disloziert morgen dann über Hauenstein nach Aarau. Zweimal übernachtet die Formation in privaten Liegenschaften. Auf dem Weg zum heutigen Nachtlager streift der Gedenkritt in Langenbruck das Baselbiet.
Der Gedenkritt, an dem auch zehn Berittene aus Deutschland teilnehmen, wird nach militärischem Dienstbetrieb mit Tagesbefehl und nach Kavalleriemanier abgewickelt. Er bezweckt, den Geist der Kavallerie im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bewahren. Deshalb sind entlang der Strecke, namentlich in den Feldlagern an den Etappenorten, verschiedene Anlässe mit der Bevölkerung vorgesehen.
75 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, alle beritten und in Uniformen der Eidgenössischen Ordonnanz ab 1852, stellen ein eindrückliches Ereignis dar, das sich wohl nicht so schnell wiederholen wird. So mischen sich morgen Samstag, um einen Zwischenhalt herauszugreifen, Ross und Reiter zwischen halb zehn und elf Uhr auf dem Hof von Pius Studer am Bachweg 2 in Hauenstein zu einem Apéro unter das Fussvolk. Danach nehmen die ehemaligen Dragoner den letzten Teil ihrer Verschiebung nach Aarau unter die Füsse beziehungsweise unter die Hufe.
Umfangreiche Vorbereitungen
Dem Jubiläumsanlass gingen umfangreiche Vorbereitungsarbeiten voraus. Das persönliche Material der Berittenen in den Sattelkisten, eine Kiste pro Teilnehmer, wird verstaut und per Lastwagen der Armee transportiert. Auch der Transport des Korpsmaterials, etwa Pelerinen für die Mannschaft und Blachen zum Schutz der Pferde im Biwak bei schlechter Witterung, Tränkebecken und Falteimer oder das Futter für die Pferde, erfolgt motorisiert. Jedes Pferd erhält täglich 8 Kilogramm Heu und 4 Kilogramm Kurzfutter. Zudem dürfen sich die Tiere unterwegs bei jeder Gelegenheit an den Brunnen und Gewässern bedienen und werden in allen Biwaks ausreichend getränkt. Ein Küchenchef und vier Küchengehilfen sorgen für das leibliche Wohl der Truppe. Gekocht wird in den Truppenunterkünften und in den Biwaks.
Die Teilnehmenden, mindestens 18 Jahre alt, entrichten eine Gebühr von 660 Franken. Diese umfasst alle Mahlzeiten und die alkoholfreien Getränke, die Unterkunft, die Fourage für die Pferde und sämtliche Transporte. Der Anlass lockte bis jetzt überall viele Leute an den Strassenrand. Kein Wunder: Wo sonst bekommt man noch 75 Pferde und ebenso viele Dragoner in historischen Uniformen zu Gesicht?