AUSGEFRAGT | FLORENCE BRENZIKOFER, NATIONALRÄTIN GRÜNE
09.09.2022 Gesellschaft, PolitikMelina Mundschin
Frau Brenzikofer, was fordert die Gletscherinitiative?
Florence Brenzikofer: Mit der Gletscherinitiative soll die Abkehr von Erdgas, Erdöl und Kohle bis spätestens 2050 beschlossen werden. Somit müssten die Treibhausgasemissionen ...
Melina Mundschin
Frau Brenzikofer, was fordert die Gletscherinitiative?
Florence Brenzikofer: Mit der Gletscherinitiative soll die Abkehr von Erdgas, Erdöl und Kohle bis spätestens 2050 beschlossen werden. Somit müssten die Treibhausgasemissionen auf «netto null» gesenkt werden. Das beinhaltet auch, dass wir von fossiler Energie wegkommen.
Der Nationalrat sagte im Juni Ja zum indirekten Gegenvorschlag. Was erwarten Sie nun vom Ständerat?
Ich hoffe, dass der Ständerat das Gleiche wie der Nationalrat beschliesst. Würde der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative dann auch so in die Schlussabstimmung kommen, ist dies eine wegweisende Entscheidung für mehr Klimaschutz in der Schweiz.
Die Umweltkommission des Ständerats schwächte den indirekten Gegenvorschlag jedoch ab und halbierte die finanzielle Förderung für den Ersatz von Heizungen auf 100 Millionen Franken pro Jahr.
Die 200 Millionen Franken, die es für Heizungen gibt, sind ein wichtiger Punkt im Gegenvorschlag des Nationalrats. Es kommt nun auf die ständerätliche Debatte an, aber die Initianten wären bereit, die Gletscherinitiative zurückzuziehen, wenn die 200 Millionen drinbleiben.
Wie sieht das weitere Vorgehen aus?
Folgt der Ständerat dem Vorschlag des Nationalrats und kommt dieser dann auch durch die Schlussabstimmung, kann das Gesetz ziemlich schnell in Kraft treten. Vorausgesetzt, das Referendum wird nicht ergriffen. Sonst rechnen wir mit einer Volksabstimmung im kommenden Jahr.
Eine gewagte Hoffnung. Vergangenes Jahr sagten die Schweizer Stimmbürger Nein zu mehr Klimaschutz. Was unterscheidet die Gletscherinitiative vom abgelehnten CO2-Gesetz?
Die Gletscherinitiative ist nach dem Nein zum CO2-Gesetz der wichtigste Hebel, den wir in der laufenden Legislaturperiode für mehr Klimaschutz haben. Die Gletscherinitiative wurde anfänglich von einigen als radikal bezeichnet. Zweieinhalb Jahre später zeigt sich, dass der indirekte Gegenvorschlag gute Chancen hat, eine Mehrheit im Parlament zu erlangen. Das ist sehr erfreulich.
Warum unterstützen Sie die Initiative?
Der Druck der Klimabewegung und der Klimajugend hat Einfluss auf die Politik genommen. Wir stecken in einer Klima- und Energiekrise. Dass sich Bürgerinnen und Bürger aktiv für die Gletscherinitiative engagieren, setzt ein wichtiges und richtiges Zeichen.
Und was erhoffen Sie sich von der Initiative?
Dass fossile Energieträger möglichst bald durch erneuerbare ersetzt werden. Die Solaroffensive ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende und schafft Unabhängigkeit. Aktuell sind wird bei den Gaslieferungen abhängig von autokratischen Regimes.
Im Initiativtitel ist von Gletschern die Rede. Weshalb?
Das ist auf den Trägerverein zurückzuführen, der am Fuss eines Steingletschers ins Leben gerufen wurde. Nach der Vereinsgründung wurden innerhalb von nur fünf Monaten genüngend Unterschriften gesammelt, um die Initiative einzureichen. Das ging alles wahnsinnig schnell. Nun hoffen wir auf den letzten entscheidenden Schritt in der Herbstsession.
Am Wochenende finden in der ganzen sogenannte Gletscherwanderungen statt. Was soll damit bezweckt werden?
Das Ziel hinter den «Gletscherwanderungen» ist es, auf die wichtige Beratung des indirekten Gegenvorschlags aufmerksam zu machen und Druck auf den Ständerat auszuüben.
Wer hat die Wanderungen geplant?
Sie sind vom Trägerverein der Gletscherinitiative organisiert worden. Im Baselbiet gibt es diesen Sonntag insgesamt vier «Gletscherwanderungen». Die Route zum Wisenberg werde ich selbst durchführen. Der Wisenberg liegt streng genommen zwar nicht auf Baselbieter Boden, ist mit 1002 Metern aber einer der höchsten Gipfel der Region und ein wunderbarer Aussichtspunkt. Bis jetzt haben sich 18 Teilnehmende für diese Route angemeldet, was sehr erfreulich ist. Die Wanderung zum Wisenberg ist somit eine der meistbesuchten in der Schweiz. Das freut mich sehr.
Was erwartet Teilnehmende auf den Wanderungen?
Die Wanderungen dauern etwa vier Stunden. Zwischendrin gibt es Erläuterungen zur aktuellen politischen Debatte und ich möchte auf die schöne Gegend rund um den Erlebnispfad «wisenbergwärts» vom Verein Erlebnisraum Tafeljura aufmerksam machen.
Zur Person
mm. Florence Brenzikofer sitzt für die Grünen seit 2019 im Nationalrat. Die Oltingerin setzt sich für die Gletscherinitiative ein und leitet am Sonntag eine «Gletscherwanderung» vom Bahnhof Sommerau hinauf zum Wisenberg. Schweizweit sind 60 solcher Wanderungen geplant. Bisher gibt es rund 500 Teilnehmende aus der ganzen Schweiz. Damit soll Druck auf den Ständerat erzeugt werden, den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative nicht weiter abzuschwächen.