140 Jahre «Volksstimme»
13.09.2022 BaselbietIn seinem ersten Entwurf, sagt Fotograf Christian Roth, habe er den «Volksstimme»- Zeitungskopf in der Optik eines Stempels dargestellt: «Stempel haben etwas Wahres, Abgeschlossenes und Gültiges.» Und etwas Vertrauensvolles. So komme ihm diese Zeitung vor: «Sie betreibt in guter Weise ...
In seinem ersten Entwurf, sagt Fotograf Christian Roth, habe er den «Volksstimme»- Zeitungskopf in der Optik eines Stempels dargestellt: «Stempel haben etwas Wahres, Abgeschlossenes und Gültiges.» Und etwas Vertrauensvolles. So komme ihm diese Zeitung vor: «Sie betreibt in guter Weise ‹Old School›- Journalismus. Da werden keine kurzlebigen Wegwerfnachrichten produziert. Um ein abgenutztes Wort zu verwenden: Die ‹Volksstimme› ist im besten Sinne ein nachhaltiges Produkt.»
Den Stempel hat ihm seine Ehefrau Franca, die seine Arbeiten stets kritisch beäugt, aber ausgeredet. Das sei zu statisch, befand sie. Und überhaupt: Ein Fotograf solle fotografieren und das Kreieren von Stempeln den amtlichen Stellen überlassen …
«Licht war mein zweiter Gedanke», sagt Roth und setzte kurzerhand den Autor dieses Textes mit Glühbirne in Szene – und sozusagen unter Strom. Beleuchten und ausleuchten, das seien die Stärken der «Volksstimme». Themen und Personen würden einerseits vorurteilslos in einem neutralen Licht dargestellt. Andererseits würden stets auch dezidierte Meinungen abgebildet und zugelassen. «Erst, wenn man ein Thema von allen Seiten her angeschaut hat, kann man sich als Leser eine solide Meinung bilden», sagt Roth. Überdies gefalle ihm, dass die Zeitung stets den Respekt wahre: «Da wird nicht geschludert und niemand wird hoppla-hopp in die Pfanne gehauen …» Es komme eine Nähe und Verbundenheit zur Region und zur Leserschaft zum Ausdruck, wie man dies selten bei einer Zeitung finde: «Man nimmt sich Zeit, um genau und fair zu sein.»
Roth darf sich dieses Urteil erlauben, da er die «Volksstimme» von innen kennt: Der 57-Jährige hat vor einem Jahr ein dreimonatiges Praktikum auf unserer Redaktion absolviert, um sich neue Impulse zu holen und sich auch schreiberisch und in digitaler Hinsicht weiterzuentwickeln. Mitgespielt haben mag, dass er mit seiner Firma etwas an einem toten Punkt angelangt war: «Bei mir muss alle zehn Jahre etwas Neues passieren, sonst verliere ich die Motivation.»
Reportage- und dann Werbefotograf
Der in Allschwil aufgewachsene Roth absolvierte parallel mit der Lehre zum Fotografen die Fachklasse für Fotografie an der Kunstgewerbeschule in Basel. Nach erfolgreicher Ausbildung liess er sich von der «Basellandschaftlichen Zeitung» einstellen. Er fotografierte über alle Ressorts hinweg, später baute er die Fotoredaktion als eigenes Ressort der Zeitung auf und leitete dieses. Die bz brachte es in fotografischer Hinsicht auf ein beachtliches Niveau, wobei vor allem Roths Porträtbilder herausstachen. Als er Mitte der 1990er-Jahre den Fotoband «Momente» mit 55 Reportagebildern aus seinem journalistischen Alltag herausgab, schrieb die «Volksstimme» fast schon ehrfurchtsvoll, dass Roth «weit über die Region hinaus ohne Zweifel zu den Besten seines Genres zählt».
Nach 12 Jahren lokalem Fotojournalismus hatte es Roth aber «gesehen», wie er sagt. Er zog drei Monate Überzeit ein und reiste um die Welt. Unter anderem fotografierte er viel in Brasilien, dort vorzugsweise in den Favelas. Danach gründete er mit dem Sissacher Fotografen Claude Vuille die Firma «Ideenfabrik», die Foto- und Werbeaufträge ausführte. Die Kundschaft war namhaft: Novartis, Roche, BLKB und viele andere mehr. Der Werbefranken sass locker, es waren goldene Zeiten. Sein Partner Vuille habe sich dann mehr in Richtung Video entwickelt, worauf er seine eigene Werbe- und Fotofirma «Bildfabrik» gründete, die er heute noch betreibt.
Roths Spezialität blieb aber stets das Fotografieren von Menschen: «Innerhalb von Sekunden spüre ich eine Person und sauge Stimmungen auf wie ein Schwamm», sagt er, der ein gewinnendes Wesen und fast immer gute Laune hat. Es gelinge ihm meist, sofort einen Draht zu den Menschen zu finden, was eine entspannte Atmosphäre schaffe. Weil er rasch Vertrauen aufbauen könne, liessen sich die zu Porträtierenden auch in ungewohnten Posen von ihm ablichten: «Ich versuche stets, das Charakteristische herauszuschälen.» Und zwar ohne, dass sich die Porträtierten danach karikiert vorkämen. «Bei meinen Bildern behält der Mensch immer seine Würde.»
Roth war immer auch künstlerisch tätig und seine Bilder waren an mehreren Ausstellungen zu sehen. Das vielleicht spektakulärste Projekt: Roth stellte seine Kamera bei Dunkelheit im Hardwald aufs Stativ, nahm die Taschenlampe zur Hand und «malte» die charakteristischen Teile von Bäumen mit Licht an. Nur was während der langen Belichtungszeit angeleuchtet wurde, erschien hell auf dem Bild. «Der Wald ist eine Metapher für die Menschheit. Die Bäume sind wie Personen – es gibt dicke, dünne, gebeugte, perfekte, extravagante, kranke, inländische, ausländische …»
Wieder zum Licht gefunden hat er nun auch bei seiner Gestaltung für den «Volksstimme»-Zeitungskopf. Fotografieren heisse ja sowieso nichts anderes als «Malen mit Licht», sagt Lichtmaler Roth.
Zur Person
Christian Roth, Fotograf
Biografisches: Christian Roth (57) ist verheiratet und lebt in Basel.
Wichtigste Ausstellungen: 2018: Buchveröffentlichung «Alles bleibt anders», Fotografien über und mit der Künstlerin, Schauspielerin und Jodlerin Christine Lauterburg. 2016: Künstlerische Raumgestaltung der «Brain Box» für das Radisson Blu Hotel Basel. 2014: Ausstellung für die Basler Bürgergemeinde «Basler Persönlichkeiten»; 2013: Einzelausstellung in der Galerie Ficher Rohr, Basel, «Voir ce que vous voulez voir»; 2014: Gestaltung der Eingangshalle und Lobby Hotel Radisson Blu, Basel; 2013: Ausstellung für die Basler Bürgergemeinde «Vor lauter Wald die Bäume sehen»; 2000: Liestal, Sonderausstellung im Museum BL «3xtäglich à la carte» und Buchveröffentlichung zur Ausstellung; 1995: Buchveröffentlichung «Momente».
Nächste Projekte: Nach einer plötzlichen, dramatischen Erkrankung Ende 2021 war Roth für längere Zeit ausser Gefecht. Seine Firma nimmt nun langsam wieder Fahrt auf. Mehrere Kunstprojekte befinden sich im Ideenstadium.
www. bildfabrik.ch
14 kreative Köpfe
vs. Im September 1882 kam die erste Ausgabe der «Volksstimme» aus der Druckpresse. Zum 140. Geburtstag unserer Zeitung haben wir 14 Künstlerinnen und Künstler aus unserer Region eingeladen, den Zeitungskopf jeweils einer unserer September-Ausgaben zu gestalten. Alle bisher erschienenen Kunstwerke finden Sie unter www.volksstimme.ch.
GALERIE
Wenn Adolf Ogi mit Christine Lauterburg näselt …
Beispiele des Schaffens von Christian Roth: Er bringt die Menschen dazu, sich auch in aussergewöhnlichen Posen ablichten zu lassen – hier Adolf Ogi und Christine Lauterburg für das Buch «Alles bleibt anders». Kunstbilder: Ein mit Licht «bemalter» Baum und gespiegelte Strukturen. Roth hat auch schon eine Plakatkampagne für die «Volksstimme» realisiert.