140 Jahre «Volksstimme» - Aus Erinnerungen Kunst schaffen
06.09.2022 BaselbietMelina Mundschin
Worte, Satzzeichen, Buchstaben und Farbe springen der Leserin oder dem Leser beim Anblick einer Zeitung entgegen. Sind doch genau Buchstaben, Worte und Sätze die Essenz jeder Zeitung. Das hat sich die Liestaler Künstlerin Brigitta Glatt überlegt beim ...
Melina Mundschin
Worte, Satzzeichen, Buchstaben und Farbe springen der Leserin oder dem Leser beim Anblick einer Zeitung entgegen. Sind doch genau Buchstaben, Worte und Sätze die Essenz jeder Zeitung. Das hat sich die Liestaler Künstlerin Brigitta Glatt überlegt beim Kreieren ihres Zeitungskopfs. Eine buchstäbliche «Insel aus Worten» präsentiert sich den Lesenden.
Etwa eine Woche hat die Künstlerin aus Liestal an ihrem Zeitungskopf für die «Volksstimme» getüftelt. Von einer bestimmen Idee sei sie jedoch nicht ausgegangen. «Mir ist es wichtig, dass ich beim Erstellen des Zeitungskopfs genau so gearbeitet habe, wie ich es normalerweise auch sonst mache.» Für Glatt bedeutet das, intuitiv und häufig mit einer Mischung aus Bildteil und Zeitungsausschnitten zu arbeiten, die collagenmässig angeordnet werden. Einen vorgängigen Plan hat sie selten.
Die Kunst ist ihr Leben
Die Künstlerin hat im Laufe ihrer Kunstkarriere immer wieder im Oberbaselbiet ausgestellt. Deshalb fühlt sie sich der «Volksstimme» auch verbunden. Als freischaffende Künstlerin arbeitet die Liestalerin schon seit ihrem 31. Lebensjahr. Schon mehr als ihr halbes Leben widmet sie voll und ganz der Kunst.
In ihrem Atelier kann sich die Liestalerin so richtig entfalten. An den Wänden hängen teilweise ältere Kunstwerke neben neuen, noch unfertigen Arbeiten. Alles sieht anders aus, und doch lassen sich gewisse Ähnlichkeiten ausmachen. «Ich arbeite gerne und viel mit Worten», erklärt Glatt. Als junges Mädchen wollte sie Schriftstellerin werden, am liebsten in der Lyrik. Noch heute beschäftigt sie sich in ihrer Kunst viel mit Worten. Manchmal, wenn sie gerade in ihrer «Wortsuchphase» steckt, fokussiert sie sich nicht auf den Inhalt einer Zeitung, sondern sucht mit den Augen nach seltenen Wortkombinationen, schönen Ausdrücken oder seltsamen Begriffen.
Neben den unzähligen Papierfetzen und Zeitungsausschnitten finden sich auch etliche gebrauchte, beinahe antike Objekte in den Regalen des Ateliers. «Ich habe unglaublich gerne alte Sachen mit Gebrauchsspuren aus der Brockenstube», erzählt die Künstlerin mit leuchtenden Augen. Ab und zu nehme sie auch ganze Bücher auseinander, schneidet einzelne Worte oder gleich ganze Sätze aus, kombiniert sie mit alten Notenblättern und zeichnet von Hand noch die letzten Details darauf.
Für Brigitta Glatt ist es spannend, mit unterschiedlichen Objekten zu arbeiten. Sie lässt sich gerne vom Material leiten und macht es sich zum Ziel, Sachen zusammenzubringen, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemeinsam haben. «Genau das ist das Interessante dabei», sagt sie, «ich muss mich immer auch wieder selbst überraschen können.» Die Liestalerin besitzt kein Skizzenheft oder etwas Derartiges. Bei ihr gibt es auch nie Entwürfe für eine Arbeit. «Ich arbeite intuitiv und wie es mir gerade passt. Das lässt sich dann manchmal schwer in Worte fassen. Denn jede und jeder hat einen anderen Zugang zu den Kunstwerken», meint sie.
Ein wichtiges und wiederkehrendes Element für Glatt sind Erinnerungen. Alte Erinnerungen, zum Beispiel in Form von Fotos ihrer Vorfahren, verwandelt die Liestalerin in Kunstwerke. Auch Erinnerungsstücke, die nicht ihre eigenen sind, wie alte Postkarten oder Ausschnitte von Theatertexten, faszinieren die Künstlerin. «Ich liebe es, aus Erinnerungen zu schöpfen und sie zu transformieren», sagt Glatt. Indem sie Erinnerungen eine Form gibt, lässt sie die Betrachtenden ein Stück weit in ihre eigene Welt eintreten. Die Menschen machen sich jeweils ihr eigenes Bild, deshalb könne ein Kunstwerk für jeden etwas anderes bedeuten und eine andere Realität symbolisieren, sagt die Künstlerin.
«Bin immer Künstlerin»
Glatt hat Kurse an der Schule für Gestaltung in Basel sowie an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich besucht. Sie bezeichnet sich selbst aber vor allem als Autodidaktin. Während der vergangenen Jahre ist die erfahrene Künstlerin an einigen Ausstellungen vertreten gewesen. Die Ausstellung «Aussichten» auf der Sissacher Fluh war für sie bedeutend. «Memento mori» hiess die Installation, die im Mai 2015 während eines Jahres auf der Sissacher Fluh zu sehen war. Vor zwei Jahren hat Glatt zusammen mit dem Künstler Daniel Göttin in der Psychiatrie Baselland ausgestellt. Mit ihren Serien «verschachtelt» und «verstrickt» hat sich die Liestaler Künstlerin mit finnischem Papiergarn, Faden, Papier, Schachteln und Farben auseinandergesetzt.
Für Brigitta Glatt ist die Kunst ihr Leben. «Ich bin immer Künstlerin, auch wenn ich gerade Fenster putze oder staubsauge», stellt sie fest.
Zur Person
Brigitta Glatt, Künstlerin
Biografisches: Die 65-Jährige ist in Liestal geboren und wohnt und arbeitet noch immer im Kantonshauptort.
Wichtigste Ausstellungen: Von 2015 bis 2016 präsentierte die Künstlerin auf der Sissacher Fluh im Rahmen der Ausstellung «Aussichten» ihre Installation «Memento mori». Auch die Doppelausstellung vor 2 Jahren mit Daniel Göttin in der Psychiatrie Baselland zu ihrer Serie «verschachtelt» und «verstrickt» gehört zu ihren wichtigsten Ausstellungen.
Ausbildung: Glatt hat diverse Kurse an der Schule für Gestaltung in Basel und an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich besucht. Auch in der poetischen Werkstatt von Birgit Kempker in Basel konnte sie sich weiteres Wissen aneignen.
Nächste Projekte: Aktuell hat sie keine Projekte geplant.
Unsere 14 kreativen (Zeitungs-)Köpfe
vs. Im September 1882 kam die erste Ausgabe der «Volksstimme» aus der Druckerpresse. Zum 140. Geburtstag unserer Zeitung haben wir 14 Künstlerinnen und Künstler aus unserer Region eingeladen, den Zeitungskopf jeweils einer unserer September-Ausgaben zu gestalten. Alle bisher erschienenen Kunstwerke finden Sie unter www.volksstimme.ch.
GALERIE
Kreativ sein in verschiedenen Formen
Ziemlich abstrakt, aber doch voller Worte sind die Kunstwerke der Liestalerin. Ob Farbe, Worte, Papier oder Bleistiftstriche: Die unterschiedlichsten Elemente finden sich in Brigitta Glatts Arbeiten wieder. Vor allem gebrauchte Gegenstände findet sie faszinierend, denn diese erzählen Geschichten und tragen Erinnerungen mit und in sich.