Im Gemeinderatstrio fehlen zwei Mitglieder
30.08.2022 Bezirk Sissach, Kilchberg, PolitikBis zum 25. September müssen Interessenten gefunden werden
Nicht zum ersten Mal sucht Kilchberg erbittert zwei neue Gemeinderatsmitglieder. Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher gibt die Hoffnung auf eine ähnliche Wende wie 2018 auf, als er sich selber im letzten Moment zur Verfügung ...
Bis zum 25. September müssen Interessenten gefunden werden
Nicht zum ersten Mal sucht Kilchberg erbittert zwei neue Gemeinderatsmitglieder. Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher gibt die Hoffnung auf eine ähnliche Wende wie 2018 auf, als er sich selber im letzten Moment zur Verfügung stellte.
Jürg Gohl
In Kilchberg ist es eine Krux mit der Politik. Keine andere Gemeinde im Oberbaselbiet erzielt höhere Wahlbeteiligungen an der Urne. 2019, im letzten grossen Wahljahr, gingen jeweils 69 Prozent der Wahlberechtigten wählen, als es den Land- und danach den Nationalrat neu zu bestellen galt. Der Kantonsdurchschnitt lag bei 42 Prozent. Auch die Einwohnergemeindeversammlungen werden von ähnlich vielen Personen besucht wie bei den Nachbardörfern – mit dem Unterschied, dass es sich bei Kilchberg mit seinen aktuell 171 Einwohnerinnen und Einwohnern um die zweitkleinste Gemeinde des Kantons handelt.
Doch wenn es darum geht, sich selber in der Gemeinde politisch zu engagieren, blickt Kilchberg auf einen dornenreichen Weg zurück. Schon zwei Gemeindepräsidenten, Ernst Grieder und Andy Imhof, liessen sich nach ihrem Rücktritt später erneut in den Gemeinderat wählen, um ihrem Dorf aus der Bredouille, nämlich der Zwangsverwaltung durch den Kanton, zu helfen.
Mit Andreas Buser gibt es in Niederdorf aktuell einen ähnlichen Fall. Dort wurde der langjährige Gemeindepräsident in stiller Wahl in die Exekutive zurückberufen (die «Volksstimme» berichtete). Allerdings zählt diese sieben Mitglieder, Kilchberg hingegen gehört zu den wenigen Oberbaselbieter Gemeinden mit einer dreiköpfigen Dorfexekutive.
Die aktuelle Notlage in Kilchberg begann damit, dass Gemeinderätin Viviane Liebherr auf Mitte 2021 zurücktrat, ohne dass für sie ein Ersatz gefunden werden konnte. Bei einer Nachwahl am 15. Mai dieses Jahres erzielte zwar «Nicht-Kandidat» Andreas Glauser die meisten Stimmen, nahm die Wahl aber nicht an. Obschon das Gemeindegesetz vorschreibt, dass ein Gemeinderat aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss, gewährte der Kanton Kilchberg eine Ausnahmeregelung, die am 25. September, dem nächsten Wahl- und Abstimmungssonntag, abläuft.
Die Situation hat sich an der letzten Rechnungsgemeindeversammlung zugespitzt, als noch ein zweiter Gemeinderat, Peter Zehnter, seinen Rücktritt per 31. Oktober bekannt gab. Das heisst: Wenn sich bis zum 25. September nicht noch zwei neue Personen für ein Gemeinderatsmandat finden lassen, steht Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher ab dem 1. November allein da. Der Regierungsrat müsste aufsichtsrechtliche Massnahmen erwägen. «Gemeinderat – dringend zwei neue Mitglieder gesucht», ist deshalb ein Aufruf in den Kilchberger Gemeindenachrichten übertitelt. Der 66-jährige Marcel Aeschbacher bleibt aber Realist: «Deshalb werden sich jetzt nicht plötzlich Leute melden. Bei uns wissen inzwischen längst alle Bescheid über die Situation, auch die Neuzugezogenen.»
Bereits 2018 stand Kilchberg vor dem gleichen, sogar noch krasseren Problem, als gleich alle drei Gemeinderäte zurücktraten. Ein Informationsabend brachte damals überraschend die Wende zum Guten, denn es liessen sich tatsächlich drei interessierte Personen finden. Zu ihnen zählte auch Aeschbacher, der vier Jahre zuvor von Rünenberg nach Kilchberg umgezogen war.
Wie einst Hersberg
Allzu grosse Hoffnungen auf eine wundersame Wende macht sich der Gemeindepräsident deshalb aber nicht. Sein Wunschszenario für den Gemeinderat: Die Zurverfügungstellung einer jungen Familienfrau, die sich gleich auch der gemeinsamen Kreisschule mit Rünenberg und Zeglingen annehmen kann, die von allen drei Gemeinden bereits beschlossen ist, aber noch an der Urne bestätigt werden muss. Doch nach zahlreichen Gesprächen gab er auf. Zudem dürfe es aus demokratischen Gründen eigentlich auch nicht die Aufgabe des Gemeindepräsidenten sein, neue Mitglieder zu suchen, so Aeschbacher.
Auch wenn ihm eine Lösung «aus eigenem Boden» lieber sei, betrachtet es Aeschbacher nicht als Katastrophe, wenn der Kanton Kilchberg beim Regieren unterstützen würde. Mit Miriam Bucher, die beim Kanton seit drei Jahren die Stabsstelle Gemeinden leitet, hat er sich bereits ausführlich über die Situation unterhalten. Auch kennt er den berühmten Präzedenzfall von 2008, als die Baselbieter Regierung ihr früheres Mitglied Erich Straumann beauftragte, die Gemeinde Hersberg aus einer ähnlichen Notlage zu führen.