Esaf - Pratteln findet in Wicki seinen König
30.08.2022 Baselbiet, SportSebastian Wirz
«Ziel erreicht», dürfte sich Thomas Weber am Sonntagnachmittag gesagt haben. «Es war von Anfang an unser Ziel, in Pratten einen würdigen König zu küren», gab der OK-Präsident des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes (Esaf) an der ...
Sebastian Wirz
«Ziel erreicht», dürfte sich Thomas Weber am Sonntagnachmittag gesagt haben. «Es war von Anfang an unser Ziel, in Pratten einen würdigen König zu küren», gab der OK-Präsident des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes (Esaf) an der Pressekonferenz mit Joel Wicki zu Protokoll, der nun für drei Jahre das Gesicht der Schweizer Traditionssportart sein wird. Hätte er im Schlussgang gegen Matthias Aeschbacher nicht obsiegt und den Gang gestellt, hätte eine Situation gedroht, die Weber um keinen Preis bei «seinem» Fest sehen wollte: Mehrere Schwinger wären auf Rang 1 gleichauf gewesen – ob der Eidgenössische Schwingerverband einen König bestimmt hätte, musste gar dessen Technischer Leiter Stefan Strebel offenlassen.
Der Schlussgang, nach dem Weber als erster hinter Strebel und dem Obmann des Schwingerverbands König Wicki vor der Kameralinse gratulierte, war der Höhepunkt eines Festes, dessen Ausmasse nur schwer zu fassen sind. Jahrelange Vorbereitung, mehr als 40 Millionen Franken Ausgaben, gegen 400 000 Besucher auf dem Festgelände – wie auch immer man zum Schwingen steht, so etwas wird nicht so bald wieder ins Baselbiet kommen. Das Esaf findet alle 15 Jahre in der Nordwestschweiz statt, alle 45 Jahre in einem der beiden Basel. Und einen anderen Anlass zu finden, der solche Ausmasse annimmt, ist schwierig.
Beim Resultat stechen aus Nordwestschweizer Optik die sieben Kränze für Schwinger aus dem gastgebenden Teilverband hervor – ein historischer Erfolg, wie auch Matthias Graber, der Technische Leiter der Baselbieter Schwinger, festhält (siehe Interview auf dieser Seite). Und es waren eben nicht nur die in den vergangenen Jahren so starken Aargauer, die um die begehrten Ehren mitschwangen: Der Liesberger Adrian Odermatt führte die Rangliste nach dem ersten Tag an und erreichte am Sonntag gegen starke Widersacher noch den 3. Rang. Lars Voggensperger aus Schönenbuch hielt dem Druck trotz eines schwierigen Notenblatts stand und sicherte sich einen zweiten Baselbieter Kranz. Das ist mehr, als sich der Kantonalverband wünschen konnte. Es sind die ersten Kranzgewinne seit dem Buckter Damian Zurfluh 2007.
Oberbaselbieter allenthalben
Akteure aus dem Oberbaselbiet bekamen die unzähligen hiesigen Festbesucher in den Schwingerhosen nicht zu Gesicht. Andrj Gerber, der als Ersatzmann des NWS-Kaders nicht zum Einsatz kam, war als Zuschauer mit gemischten Gefühlen vor Ort: «Ich trauere der Chance, am Heim-Esaf schwingen zu können, schon etwas nach, aber ich freue mich primär über die guten Resultate meiner Kollegen», sagte der Rothenflüher am Sonntagabend, als er der Krönung in der noch gut gefüllten Arena beiwohnte. Seine Ellbogenverletzung habe ihn noch bis in den Mai beschäftigt; die Kranzfeste seien für Top-Resultate einfach zu früh gekommen. Das Erlebnis Esaf motiviere ihn, kommende Saison wieder anzugreifen.
Oberbaselbieter Beteiligung gab es an diesem Fest der Superlative dennoch allenthalben. Am Festumzug vom Freitag waren einige Oberbaselbieter Formationen vertreten, unter den zahlreichen rot gekleideten Helfern gab es viele bekannte Gesichter zu sehen und im Oganisationskomitee engagierten sich unter Präsident Weber und Vize Thomas Beugger in jedem Ressort Menschen aus dem Oberbaselbiet für den Grossanlass.
Näher am Schlussgang als alle anderen, gar als der gratulierende OK-Präsident, war Harald De Vries. Der Hölsteiner, seines Zeichens Kassier im Kantonalverband, amtete beim wichtigsten Gang von drei Jahren Schwingsport als Kampfrichter, als sich Joel Wicki der Angriffe Aeschbachers erwehrte und den grössten Sieg seiner Karriere feierte. Es war der erste Königstitel für die ansonsten so erfolgreichen Innerschweizer seit 1986. Wicki polierte damit das sonst eher enttäuschende Resultat der mit 85 Athleten deutlich grössten Esaf-Delegation auf, die 7 Kränze gewann – also gleich viele wie die schwingerisch «kleine» Nordwestschweiz.
Die Tracht sitzt auch am Sonntagabend noch
Durch die verlangsamten Fernsehbilder kamen nach dem Fest in den Medien Diskussionen auf, ob der Schlussgang falsch gewertet worden sei, weil Joel Wicki kurz vor dem Ende des entscheidenden Schwungs nicht mehr an der Hose seines Kontrahenten gegriffen habe. Trotz dieser Thematik stand Thomas Weber an diesem Wochenende mehr im Fokus als Kampfrichter De Vries. Stets in der Baselbieter Festtagstracht gab er von Freitag bis Sonntag immer Auskunft und war bei fast jedem Programmpunkt anzutreffen.
Im Vorfeld war das Thema Sicherheit breit diskutiert worden. Weber, das Organisationskomitee und die Polizei sprachen zum Schluss von einem ruhigen Fest, das «Crowd-Management» habe funktioniert und die Verantwortlichen hätten Einfluss genommen und Probleme schnell gelöst, wenn es denn solche gegeben habe – etwa zahlreiche Wildpinkler, die das Warten in der Schlange vor den WCs nicht auf sich nehmen wollten. Auf Probleme bei der Absperrung der Gleise während der Partynacht angesprochen, bestätigte Weber, dass es nachts einen Versuch gegeben habe, die Gleise zu überqueren: «Das wäre das schlimmste gewesen, wenn wir hier einen Todesfall gehabt hätten», sagte Weber. Die zuständigen Personen hätten aber schnell reagiert, punktuell zusätzliche Absperrungen installiert und die Situation damit entschärft.
Und so blickte Weber nach einem langen Wochenende zufrieden drein in seiner Tracht. Auch nach drei Tagen durchgehenden Tragens bleibe seine positive Sicht auf die Kleidung. Die Hose sei schön leicht und luftdurchlässig – und zur heissesten Zeit am Samstag hätte er Tenüerleichterung beschlossen.