«Vier von fünf Abgängern treten in die Feuerwehr ein»

Morgen lädt die Feuerwehr Sissach ein zum Familientag. Dabei wird die Nachwuchsabteilung, die dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert, in einer Einsatzübung zu sehen sein. Die Jugendfeuerwehr ist das Lebenselixier der Stützpunktfeuerwehr.

Christian Horisberger

Frau Thommen, haben Sie einst das Löschen und Knoten machen auch als Kind gelernt?
Judith Thommen: Tatsächlich. Ich bin mit zwölf Jahren in die damals neu gegründete Jugendfeuerwehr eingetreten. Wir Kinder erhielten damals die kleinsten Stiefel, die im Magazin verfügbar waren, ebenso Kombis, die von unseren Müttern umgenäht wurden.

Wie ist der Nachwuchs, den Sie betreuen, heute ausgerüstet?
Bis auf die Socken und Unterwäsche stellen wir unseren Jugendfeuerwehrleuten alles Material samt Helm, «Gstältli» und Handschuhen in der passenden Grösse zur Verfügung. Finanziert wird die Ausrüstung der Jungen wie auch die der Erwachsenen von der Gebäudeversicherung.

Dann wird in der Jugendfeuerwehr wohl nicht nur zum Spass herumgespritzt und hin und wieder eine Leiter hochgeklettert …
Selbstverständlich kommen Spiel und Spass nicht zu kurz. Wo dies möglich ist, lehren wir das Feuerwehr-Handwerk auf spielerische Art und Weise. Aber im Vordergrund stehen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und das Vermitteln des Grundwissens im Hinblick auf einen möglichen Übertritt in die Feuerwehr. Die Mitglieder in der Jugendfeuerwehr erwerben 80 Prozent des Feuerwehrwissens eines Erwachsenen: Sie kennen beispielsweise auch sämtliches Material und wo es sich auf den Fahrzeugen befindet.

Was lernen sie nicht?
Den Atemschutz klammern wir in der Jugendfeuerwehr aus. Kindern unter 15 Jahren ist es untersagt, mit diesen Geräten zu arbeiten und für die älteren bräuchte es ein Attest.

Die Nähe zu Feuer oder das Besteigen von Leitern ist mit Risiken verbunden. In der Feuerwehr machen Kinder ab elf Jahren mit. Ist die Gefahr nicht gross, dass etwas passiert?
Nein. Sicherheit wird bei allem, was wir tun, ganz gross geschrieben und wird den Kindern von Anfang an eingetrichtert. Das funktioniert: Wer beispielsweise mit einem Schlauch unter Druck hantiert, zieht automatisch selbstständig Helm und Handschuhe an, weil wir immer wieder darauf hinweisen.

Wie viele Kinder gehören aktuell der Jugendfeuerwehr an?
Zur Zeit sind es 23 Kinder von 11 bis 17 Jahren. Zu einem Drittel sind es Mädchen.

Lassen Sie mich raten: Die meisten haben einen Elternteil, einen Götti oder eine Gotte, der oder die in der Feuerwehr mitwirkt.
Für viele trifft das zu. Andere haben einen Schulkameraden oder eine Schulkameradin, die zu uns kommen, und schliessen sich uns deshalb an.

Die Altersspanne ist sehr gross. Wie schaffen Sie es, dass die Jüngsten nicht über- und die Ältesten nicht unterfordert sind?
Wir haben ein Götti-System, bei dem die Älteren zu den Jüngeren schauen und auch ein Gruppenleiter-System. Damit lernen die Kinder auch bereits Verantwortung zu übernehmen.

Zehn Übungen finden für den Nachwuchs jährlich statt, vier bis sechs Betreuende engagieren sich für die Jugendabteilung. Lohnt sich der Aufwand?
Absolut: Die Jugendfeuerwehr ist für den Bestand der Stützpunktfeuerwehr sehr wichtig. Im Durchschnitt treten vier von fünf Abgängern mit 18 Jahren zu den Erwachsenen über. Aktuell sind 20 Prozent des Bestands der Stützpunktfeuerwehr einmal bei der Jugendfeuerwehr gewesen. Ohne Wegzüge aus dem Einzugsgebiet der Ortsfeuerwehr (Sissach, Zunzgen, Itingen und Nusshof) wäre der Anteil höher.

Wie sieht es mit den Übertritten aktuell aus?
10 Jugendfeuerwehrleute wurden oder werden dieses Jahr 18 Jahre alt und sie alle treten über. Bei der obligatorischen Rekrutierung für alle Feuerwehrpflichtigen im November dürften erfahrungsgemäss zwei bis drei neue Leute hängen bleiben.

Die Jugendfeuerwehr lässt also ziemlich Federn. Wie steht es um deren Nachwuchs?
Es war absehbar, dass es einige Austritte aus der Jugendabteilung geben wird – so viele wie noch nie. Daher haben wir unsere Aktiven aufgefordert, in ihrem Umfeld Werbung für die Jugendfeuerwehr zu machen. Mit Erfolg: Neu in die Jugendfeuerwehr eingetreten sind dieses Jahr sieben Kinder. Ansonsten treten wir zu Werbezwecken gemeinsam mit der Stützpunktfeuerwehr auf, wenn sich diese der Bevölkerung präsentiert, beispielsweise an der Sissacher Gewerbeausstellung, an der Hauptübung – oder morgen am Familientag der Stützpunktfeuerwehr.

Es ist der erste Familientag der Stützpunktfeuerwehr. Wie kam es dazu?
Als wir 2019 das 20-jährige Bestehen der Stützpunktfeuerwehr feierten, waren wir vom Interesse überwältigt. Wir möchten der Bevölkerung – selbstverständlich auch Kindern – deshalb erneut die Gelegenheit bieten, in ungezwungenem Rahmen bei uns hereinzuschauen, damit wir ihnen unser Handwerk und unser Handwerkszeug zeigen können.

Was qualifiziert Sie für die Arbeit mit den jungen Feuerwehrleuten?
Ich habe den Hauptleiterkurs absolviert, den der nationale Verband Swissfire für Betreuerinnen und Betreuer von Jugendfeuerwehren anbietet. Zudem organisiert der Feuerwehrverband beider Basel einen regelmässigen Austausch der Leitenden. Er engagiert sich generell sehr stark für die heute weit verbreiteten Nachwuchsabteilungen. So ist er auch massgeblich an der Organisation des jährlichen Jugendfeuerwehrtags beider Basel beteiligt, der dieses Jahr mit rund 250 Teilnehmenden aus 14 Jugendfeuerwehren am 10. September in Lausen stattfinden wird.

www.fwsissach.ch

Familientag bei der Feuerwehr

vs. Morgen Samstag lädt die Stützpunktfeuerwehr Sissach ein zu ihrem ersten Familientag. Kinder und Erwachsene sind eingeladen, sich ein Bild von der Arbeit der Feuerwehr zu machen, aber auch, sie an zehn Posten teils spielerisch zu erleben. Unter anderem zeigt die Jugendfeuerwehr eine Einsatzübung und als Partnerorganisation präsentiert sich die Baselbieter Polizei. Von 11 bis 16 Uhr sind die Türen des Feuerwehrmagazins und die Festwirtschaft offen.

Zur Person

vs. Judith Thommen ist die Leiterin der Jugendfeuerwehr des Feuerwehrstützpunkts Sissach. Die 32-Jährige trat mit 12 Jahren in die Jugendfeuerwehr ein und wechselte mit 18 Jahren nahtlos zur Stützpunktfeuerwehr über. Die Sissacherin hat den Dienstgrad Wachtmeisterin. Beruflich ist sie als Marketing-Managerin tätig.

AUSGEFRAGT: JUDITH THOMMEN, LEITERIN JUGENDFEUERWEHR SISSACH

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