AUSGEFRAGT | CHRISTINE BÜRGIN, BAUVERWALTERIN, HÖLSTEIN
26.08.2022 Bezirk Waldenburg, GesellschaftElmar Gächter
Frau Bürgin, was macht den Job der Bauverwalterin von Hölstein besonders reizvoll?
Christine Bürgin: Sicher einmal die Kontakte mit den verschiedenen Anspruchsgruppen – von den Einwohnenden über die politischen Behörden bis zu den ...
Elmar Gächter
Frau Bürgin, was macht den Job der Bauverwalterin von Hölstein besonders reizvoll?
Christine Bürgin: Sicher einmal die Kontakte mit den verschiedenen Anspruchsgruppen – von den Einwohnenden über die politischen Behörden bis zu den Planungsbüros und Fachstellen des Kantons. Dann aber auch die grosse Vielfalt der Aufgaben, von der Auskunftserteilung bis zur breit gefächerten administrativen Arbeit. Wichtig ist mir als ausgebildete Baufachfrau auch die Bauleitung von kleineren Projekten. Ich könnte mir schlichtweg keinen abwechslungsreicheren Job vorstellen.
Dies klingt sehr positiv. Gibt es nicht auch weniger erfreuliche Situationen?
Nicht im Kontakt mit den Einwohnern, die es schätzen und dankbar sind, wenn ich ihnen bei Anfragen weiterhelfen kann. Weniger befriedigend sind die vielen «Feuerwehrübungen» in den vergangenen Jahren, auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der Waldenburgerbahn. Es musste vieles sehr kurzfristig geplant und umgesetzt werden, sodass die nötige Vorlaufzeit fehlte, um möglichst alles in der notwendigen Tiefe vorzubereiten. Aber frustriert bin ich deswegen nicht, sonst würde ich diese Funktion wohl nicht mehr ausüben.
Bei grösseren Projekten wie der Ribigasse oder dem Stutzweg ergaben sich massive Mehrkosten, der Gemeinderat wurde an den «Gmäinis» stark kritisiert. Macht das Ihnen persönlich zu schaffen?
Selbstverständlich mache ich mir, wie auch der Gemeinderat und das ganze Verwaltungsteam, Gedanken zu den vorgebrachten Vorwürfen. Es wäre nicht gut, würde mich dies unberührt lassen. Aber schlafen kann ich trotzdem gut, denn speziell im Baubereich muss man mit solchen Situationen umgehen können. Ich darf jedoch festhalten, dass wir auch viele positive Beispiele vorweisen können, so zuletzt das Umbauprojekt des Kindergartens Neumatt, das wir projektgemäss und erfolgreich abschliessen konnten.
Welche Konsequenzen wurden aus der Kritik an den Mehrkosten gezogen?
Es waren Sanierungsprojekte mit ganz viel Unwägbarkeiten, wie schlechter Bausubstanz, schlechtem Untergrund, belastetem Material und anderem. Dieses Unbekannte ist bei der Sanierung von alten Bausubstanzen eine der grössten Herausforderungen. Aber auch hier spielten die Kurzfristigkeit und der Zeitdruck eine grosse Rolle. Dies machte es nicht einfach, alles vertieft zu prüfen. Manchmal ist man gezwungen, zu beginnen und zu schauen, was einen erwartet. Wir ziehen unsere Lehren für künftige ähnliche Projekte, indem wir die Kommunikation verbessern und uns mehr Zeit für die Vorbereitung geben. Ob die beiden Projekte dadurch finanziell günstiger gekommen wären, bezweifle ich allerdings, vor allem wenn ich die momentane hohe Bauteuerung in Betracht ziehe.
Es gibt den Vorwurf, Hölstein lasse Projekte stets vom gleichen «Hausingenieur» erstellen.
Dieser Aussenwahrnehmung von Einzelnen steht die Tatsache gegenüber, dass wir zurzeit mit zehn verschiedenen Planungsbüros zusammenarbeiten. Schon allein das Beschaffungsgesetz setzt uns enge Grenzen bei der freihändigen Vergabe. So wurden auch die Projekte Ribigasse und Stutzweg nach Submissionsgesetz an den günstigsten Anbieter vergeben.
Sie stehen als Bauverwalterin fast allein in einer Männerwelt. Was bedeutet dies für Sie?
Nachteile habe ich deswegen nie gespürt. Ich bin ja schon seit vielen Jahren in einer männerdominierten Berufswelt. Für mich spielt das absolut keine Rolle, auch habe ich nie erlebt, dass man mich in meinem Amt speziell kritisiert hätte, weil ich eine Frau bin. Es freut mich allerdings, dass in den Planungsbüros immer mehr junge Frauen Freude an Bauleitungen finden.
Sie wohnen selbst nicht in Hölstein. Sehen Sie des als Vor- oder Nachteil?
Ich betrachte die örtliche Trennung zwischen beruflichem Umfeld und der Freizeit als sehr angenehm. Arbeitet und wohnt man am gleichen Ort, wird man bei Anlässen ganz automatisch auf Projekte angesprochen.
Wie stehen Sie zum Zusammenschluss von Bauverwaltungen?
Schon in meiner Zeit als Gemeinderätin von Känerkinden war ich stets offen für eine engere Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinaus. Eine zentrale Bauverwalterstelle finde ich allerdings extrem herausfordernd, schon allein wegen den unterschiedlichen kommunalen Gesetzgebungen und politischen Kulturen. Ein Zusammenschluss müsste sehr gut durchdacht sein.
Sie sind Mitglied der kantonalen Baurekurskommission und seit ein paar Jahren deren Präsidentin. Was reizt Sie an diesem Amt?
Es bietet die einmalige Möglichkeit, Bau- und Planungsfragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dabei kommen mir meine Erfahrungen als Bauverwalterin wie auch als langjährige Gemeinderätin sehr entgegen. Die Leitung der Kommission habe ich nicht gesucht, aber ich traue mir diese Aufgabe zu.
Wie lässt sich Ihr Amt mit jenem als Bauverwalterin vereinbaren?
Diese Tätigkeit kommt meinem Job in keiner Art und Weise in die Quere, im Gegenteil dienen mir die Diskussionen zur Entscheidfindung bei den Rekursfällen im meinem Job sehr. Und selbstverständlich trete ich jeweils in den Ausstand, wenn ein Fall direkt mit Hölstein zu tun hat oder eine Person involviert ist, die ich näher kenne.
Zurück zu Ihrer Stelle als Bauverwalterin. Würden Sie diesen Job aus heutiger Sicht wieder annehmen und wenn ja, weshalb?
Ja, ohne Wenn und Aber. Ich kann Baufachleuten nur zur Ausbildung als Bauverwalterin oder -verwalter raten. Es wird in den nächsten Jahren altersbedingt einen Aderlass bei diesen Stellen geben. Das Bauwesen ist etwas vom Spannendsten, was man sich vorstellen kann.
Zur Person
emg. Christine Bürgin-Tschudin ist in Gelterkinden als Bauerntochter aufgewachsen und hat die Lehre als Bauzeichnerin absolviert. Nach einer Anstellung in einem Architekturbüro war sie als Hausfrau und Mutter freiberuflich tätig, bildete sich berufsbegleitend als Bauverwalterin weiter und übernahm vor rund 12 Jahren die Funktion in Hölstein. Diese übt sie zusammen mit der Stellvertretung des Gemeindeverwalters in einem Stellenpensum von 80 Prozent aus. Christine Bürgin war während 20 Jahren Gemeinderätin in ihrer Wohngemeinde Känerkinden und in ihrer Freizeit während vier Jahren Präsidentin des EHC Zunzgen-Sissach. Sie ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und ebenso viele Grosskinder. Sie wandert und schwimmt sehr gerne und wenn immer möglich nimmt sie ein Buch zur Hand. «Ich lese querbeet von Krimis über Romane bis zur Biografien», sagt sie über eines ihrer liebsten Hobbys.