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29.07.2022 GesellschaftLasst uns Bäume pflanzen
Unser viertes Kind war ein Hund namens Figaro (nicht Beethoven). Mit ihm hiess es, regelmässig spazieren zu gehen. So entstand unser spätabendliches «Friedhofs-Ründeli». Vielleicht sind wir uns schon begegnet?
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Lasst uns Bäume pflanzen
Unser viertes Kind war ein Hund namens Figaro (nicht Beethoven). Mit ihm hiess es, regelmässig spazieren zu gehen. So entstand unser spätabendliches «Friedhofs-Ründeli». Vielleicht sind wir uns schon begegnet?
Die Söhne längst ausgeflogen, der Hund lebt lange nicht mehr. Aber das «Ründeli» gibt es noch. Es ist ja nicht so, dass ich als Pfarrer nachts auf dem Friedhof zum Rechten schauen will oder muss, das wäre eine arge «déformation professionelle» – unser «Dippel» ist einfach eine coole Runde. Grad in den unterschiedlichen Jahreszeiten!
Auf dem «Dippel» erleben wir historischen Dorfkern, modernes Agglo-Mehrfamilienhaus-Quartier, Niemandsland, Industriezone, Bachlandschaft und OeW-Areale. Zur Jahresmitte sind wir meist erst so 22 Uhr unterwegs. Vorher ist es zu heiss. Was krass auffällt, sind nach Sonnenuntergang die Temperaturunterschiede – zwischen den versiegelten, glühend heissen Böden drüben in der Industriezone, die abends herrlich still ist – und dem grünen, baumreichen alten Dorf. Das sind gefühlte 5 bis 15 Grad Unterschied.
Mitte Juni hat der Landrat unsere Regierung aufgefordert, die Pflanzung von Alleen zwecks Unterbrechung sich erhitzender Teerflächen zu prüfen – also Klima und Lebensqualität im Kanton zu stärken. Klar. Da muss man vorwärtsmachen.
Ich erlebe als Anwohner, was schon nur ein einziger Baum bringt: Direkt vor unserm Haus und meinem Studierzimmer steht ein mächtiger, alter Lindenbaum: der ist Gold wert – ohne ihn wäre das Leben im Sommer an diesem grossen Teerplatz zwischen hohen Hausfronten ein Graus. Auch hier am Arbeitsplatz. Unsern Werkhofmännern sei bei dieser Gelegenheit gedankt für ihre Unterhaltsarbeit!
Liebe Gemeinde. Liebe Mit-Eidgenossinnen und Miteidgenossen. Lasset uns träumen! Wenn schweizweit für jeden Einwohnenden ein Alleebaum gepflanzt würde, nicht im Wald, sondern im Lebensraum der Menschen – 8 Millionen Bäume für bessere Luft und Lebensqualität?
Als liberal gesinnter Mensch sehe ich den Staat eher in Vorbilds- denn in Befehlsfunktion. Wäre das nicht eine grossartige Gelegenheit für zum Beispiel Gewerbeverbände, für einmal gemeinsam mit Firmen und den Umweltverbänden und weiteren Sponsoren solches anzustossen – in allen Gewerbe- und Industriezonen des Landes, überall, wo grosse Bodenflächen versiegelt sind? Es müssten ja nicht alles Bäume sein, Dachbegrünungen dienen demselben Zweck. Der Staat hätte dafür zu sorgen, dass nicht andere gesetzlich quere, teils doofe Bestimmungen oder Einsprachen Privater die Initiative behindern. Klar, dass man auch den Unterhalt und die Pflege dieser grünen Lungen bedenken muss.
Allen eine schöne Sommerzeit unter alten und jungen Bäumen: cool and cooling.
Matthias Plattner wurde 1962 geboren und ist Pfarrer der Reformierten Kirchgemeinde Sissach-Böckten-Diepflingen-Itingen-Thürnen.