ZOOLOGISCH
30.06.2022 RegionNackengabel
Daniel Zwygart
Zu unserer Freude entdeckten wir vor einigen Tagen an den Fenchelpflanzen vor unserem Mehrfamilienhaus sieben Raupen des Schwalbenschwanzes. Sie waren zwischen einem und zwei Zentimetern lang und schon in der grünlichen ...
Nackengabel
Daniel Zwygart
Zu unserer Freude entdeckten wir vor einigen Tagen an den Fenchelpflanzen vor unserem Mehrfamilienhaus sieben Raupen des Schwalbenschwanzes. Sie waren zwischen einem und zwei Zentimetern lang und schon in der grünlichen Färbung. Gespannt verfolgten wir ihr Wachstum und das damit einhergehende Auskahlen der Fencheltriebe. Insbesondere die Kinder des Hauses rapportierten täglich ihre neusten Beobachtungen.
Der Schwalbenschwanz ist ein bekannter Tagfalter. Einerseits, weil sowohl Raupe als auch Falter für uns Menschen auffällig gefärbt sind und andererseits, weil diese Schmetterlingsart ein Kulturfolger ist. Das heisst, sie lebt in der Nähe des Menschen. Im Lauf der Evolution der Schwalbenschwanzfalter spezialisierten sich ihre Raupen auf Vertreter der Doldengewächse als Futterpflanzen. Da der Mensch einige dieser Doldengewächse in den vergangenen paar Tausend Jahren als Nutzpflanzen gezüchtet hat, ist der Schwalbenschwanz dem Menschen gefolgt.
Im April schlüpfen aus den überwinternden Puppen die Falter. Diese stärken sich am Nektar, mit Vorliebe an rot-violetten Blüten (Klee, Wiesen-Witwenblume, Disteln, Dost, aber auch an Sommerflieder). Die Weibchen legen nach der Paarung die Eier auf Karotten, Fenchel, Dill und andere Doldengewächse ab. Es werden nur wenige Eier an eine Pflanze geklebt, aber ein Weibchen verteilt Eier in seiner zwei- bis dreiwöchigen Lebenszeit auf mehreren Quadratkilometern. Das hellgrüne Ei wird bald dunkler und nach einigen Tagen schlüpft ein fast schwarzes Räupchen.
Wenn die nahrhafte Eihülle verspeist ist, beginnt das kleine Insekt mit dem Frass an der Futterpflanze. Fressen, Kot abgeben, ausruhen, fressen, sich häuten und wieder fressen. Im Rhythmus von circa einer Woche häutet sich die Raupe. Denn nur bei diesem Akt kann sie wachsen, indem sie den eng gewordenen Chitinpanzer abstreift, sich aufplustert und wartet, bis der neue Panzer erhärtet ist. Nun hat sie wieder Platz im Inneren. Die Farbe wechselt von Mal zu Mal. Nach drei Häutungen sind die Raupen grünlich mit schwarzen Streifen und orangen Punkten. Nach drei bis fünf Wochen verpuppt sich die Raupe an einem geschützten Ort in Bodennähe. Solange die Tage deutlich länger als die Nächte sind, schlüpft aus der Puppe zwei bis drei Wochen später ein Schmetterling. Entsteht die Puppe erst im August, dann muss sie überwintern.
Damit die nahrhaften Eier, Raupen und Falter von Vögeln und anderen Lebewesen nicht alle gefressen werden, gibt es seitens des Schmetterlings zwei Haupt-Strategien: Tarnen oder Warnen! Die Eier sieht man im Fenchelkraut kaum, da sie beinahe gleichfarben sind. Die grünlichen Raupen lösen ihre Gestalt durch Striche und Punkte auf. Wenn dies nicht reicht, können sie bei akuter Bedrohung im Nackenbereich sekundenschnell eine orange Gabel ausstossen, die zudem Buttersäure abgeben kann. Letztere riecht wie eine Kombination aus Fussschweiss und hartnäckigem Mundgeruch, was einige hungrige Mäuler vom Frass abhält! Die Falter schliesslich haben die grossen Farbaugen am Hinterrand der Hinterflügel. Da Fressfeinde oft auf die Augen zielen, treffen sie hier «nur» den Flügel und nicht lebenswichtige Organe.
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.