Grosslibellen im Anflug
30.06.2022 BaselbietSerie zum Vorkommen der Libellen im Kanton – Teil 4
Die weltweit grösste heute lebende Libelle mit einer Flügelspannweite von fast 20 Zentimetern lebt in den Tropen und gehört wider Erwarten zu den Kleinlibellen. In unserer Fauna sind es hingegen die Grosslibellen, die ...
Serie zum Vorkommen der Libellen im Kanton – Teil 4
Die weltweit grösste heute lebende Libelle mit einer Flügelspannweite von fast 20 Zentimetern lebt in den Tropen und gehört wider Erwarten zu den Kleinlibellen. In unserer Fauna sind es hingegen die Grosslibellen, die kräftiger gebaut sind und uns als Flugkünstler beeindrucken.
Raphael Krieg und Daniel Küry
Im Gegensatz zu den Kleinlibellen sind die Hinterflügel der Grosslibellen an der Basis breiter als die Vorderflügel und können nicht hinter dem Rücken zusammengelegt werden. Grosslibellen sind geschickte und ausdauernde Flieger. Wanderarten können bei ihren Langstreckenflügen bis zu 8000 Kilometer zurücklegen. Bei uns taucht in den vergangenen Jahren häufiger die wanderfreudige Schabrackenlibelle auf, die aus Afrika zufliegt und während eines warmen Sommers sogar eine neue Generation hervorbringen kann. Die Art kommt jedoch mit unseren kalten Wintern nicht zurecht und muss im nächsten Sommer wieder neu zuwandern.
Dank ihrer kräftigen Statur vermögen Grosslibellen auch grössere Fluginsekten zu jagen. Dabei lassen sie sich weder von Wespen abschrecken noch von Schmetterlingen beeindrucken, sondern stellen ihren Speiseplan nach dem Angebot zusammen. Libellen formen mit den von langen Haaren bewehrten Beinen eine Art Fangkorb, mit dem sie in der Luft ihre Beute einfangen und zum Mund führen. Die durch Adern verstärkten Flügel sind eine Meisterleistung der Natur und dienen als Vorbilder für technische Konstruktionen, beispielsweise im Flugzeugbau. Da die Flügel jeweils von einem Muskelpaar unabhängig voneinander bewegt werden können, gelingen das Vor- und Rückwärtsfliegen sowie wilde Verfolgungsjagden und Balzflüge.
Fliegender König ohne Krone
Die Königslibelle gehört zu den Edellibellen und ist die Art, die man an verschiedenen Gewässertypen oft hoch über der Wasserfläche umherfliegend beobachten kann. Im Flug wirken die Männchen hellblau und sind mit einer Flügelspannweite von bis zu 11 Zentimetern die grössten Libellen in der Schweiz. Bei Kämpfen mit Artgenossen hört man das Knittern der aufeinanderprallenden Flügel. Diese Revierkämpfe enden meist ohne schwere Verletzungen.
Die Weibchen können oftmals bei der Eiablage im Schilf oder auf Schwimmpflanzen beobachtet werden. Die Eier werden dabei gezielt in abgestorbene oder noch lebende Pflanzenteile gestochen. Gut geschützt entwickeln sich die Prolarven. Rasch wachsen die Larven durch kontinuierliche Häutungen und können auch grössere Beutetiere wie Kaulquappen oder kleine Fische erbeuten. Der Emergenz, bei der die Libellen aus der letzten Larvenhaut schlüpfen, erfolgt bei der Königslibelle nach Einbruch der Dämmerung, sodass um Mitternacht die Flügel vollständig ausgehärtet sind und zum Fliegen taugen. Am nächsten Tag lassen sich oft viele Larvenhäute an Pflanzenstängeln entdecken. Eine weitere häufige Grosslibellenart ist der Plattbauch. Die zu den Segellibellen gehörende Art bevorzugt neu angelegte Biotope. Sie ist also eine Pionierart, die mit dem Zuwachsen und Reifen eines Gewässers schnell von anderen konkurrenzstärkeren Libellenarten verdrängt wird. Die charakteristischen dunkeln Flecken an der Flügelbasis und der namengebende abgeplattete Hinterleib erlauben es, sie leicht von anderen ähnlichen Arten zu unterscheiden.
Ihre Larven können beim Trockenfallen eines Gewässers mehrere Wochen im Schlamm überleben und sogar winterliches Einfrieren macht ihnen nichts aus. Es wurde auch schon beobachtet, wie Larven über Land von einem ins andere Gewässer wechselten.
Ein bei uns viel seltenerer Vertreter der Grosslibellen ist die Gebänderte Heidelibelle. Zwischen der Vegetation ist die Art mit den dunkeln Flügelbinden nur schwer zu entdecken. Sie ist an wechselnde Wasserstände angepasst, wodurch sich die grössten Vorkommen in der Schweiz an flachen Ufern von Seen mit angrenzenden Feuchtgebieten befinden.
Früher fand man sie im Kanton Baselland zum Beispiel in der mittlerweile zugeschütteten Zurlindengrube in Pratteln. Heute werden meist nur umherwandernde Einzeltiere gesichtet. Dies gibt Hoffnung, dass sich die Art wieder im Kanton etabliert, sobald geeignete Lebensräume vorhanden sind. Dazu zählen offene Gewässer mit geringem Konkurrenzdruck durch andere Libellenarten in ehemaligen Lehmgruben, Steinbrüchen, aber auch temporär überschwemmte Senken.
Beobachtungstipps
Der Plattbauch und die Königslibelle können bei schönem Wetter zum Beispiel an folgenden Gewässern beobachtet werden: Im Gebiet der Talweiher bei Anwil, im Gebiet Weier in Rickenbach, in der «Luxmatt» in Bubendorf oder im «Chilpen» in Diegten. Bitte respektieren Sie die Schutzgebiete und bleiben Sie auf den vorgesehenen Wegen.
Dieser Artikel erscheint in Zusammenarbeit mit der «Koordinationsstelle Libellen und ihre Lebensräume» des Kantons Basel-Landschaft. Bereits erschienen: «Auf der Spur der Flugkünstler» (5. April), «Leben in zwei Welten» (12. April), «Kleinlibellen ganz gross» (10. Juni). Die Serie wird fortgesetzt.